Trainerin Elke Schöck sieht das junge Team für die Zukunft gerüstet. Foto: Kraushaar Foto: Schwarzwälder Bote

Faustball: Endlich hat es geklappt: Frauen des TSV Calw haben sich das erste Mal den Hallentitel gekrallt

Noch nie setzten die Calwer Bundesliga-Faustballerinnen ihre Pläne so konsequent um: "Goldrausch: Das Löwenrudel krallt sich den Titel 2019! Das war unser Motto zu Beginn dieser Hallenrunde", berichtet Sandra Janot, die Spielführerin des neuen deutschen Meisters, überglücklich. Auftrag erledigt.

Der zweite Teil der Ankündigungen wurde ebenfalls umgesetzt: "Jetzt wird auf der langen Heimfahrt natürlich gefeiert." Auf 640 Kilometern Wegstrecke zwischen dem DM-Spielort Moslesfehn bei Oldenburg und der Heimat Calw war genügend Zeit, den großen Triumph mehrmals aufleben zu lassen. "Wir haben es so oft versucht, jetzt hat es endlich geklappt. Als Kellinghusen uns im Endspiel den ersten Satz des Turniers abgenommen hat, haben die Knie dann doch noch einmal gezittert. Aber wir wussten, was wir können und haben es dann auch gezeigt", sagt Sandra Janot.

Im 17. Versuch klappt es

Der erste DM-Titel bei der 17. Endrunden-Teilnahme: Eine Befreiung für die Mannschaft, für Trainerin Elke Schöck, die Betreuer, Abteilung, Fans, den Verein. Stellvertretend hervorzuheben sind die Welt- und Europameisterinnen: Annika Bösch, die aus Selsingen nach Calw kam und nach ihrem dreijährigen beruflichen Aufenthalt im Schwäbischen wieder in den Norden zieht – mit ihrem ersten DM-Titel. Und Stephanie Dannecker, die herausragende Anführerin. Für beide war es nach größten internationalen Ehren der ersehnte Moment. "Dies ist ein ganz besonderer Titel in meiner Sammlung", betont die Vorzeige-Athletin Dannecker, die mit ihrem kraftvollen, aggressiven Stil den Frauenfaustball überragt. "Wir haben immer wieder Rückschläge und bittere Niederlagen eingesteckt. Diesen Winter aber waren wir über die gesamte Runde souverän und konzentriert. Das konnten wir an diesem Wochenende widerspiegeln."

Keine Zweifel

In der Tat: Die Vorstellungen der Calwerinnen waren tadellos. Niemand bezweifelte, wer diesen Titel verdient hatte. Zu deutlich waren die 3:0-Siege in der Vorrunde gegen SV Tannheim (11:5, 11:2, 11:6) und den Nord-Zweiten VfL Kellinghusen (11:3, 11:4, 11:7). Zu dominant das Halbfinale gegen den besten Nord-Verein TV Brettorf, der ebenfalls mit 3:0 (11:5, 11:6, 11:5) vom Platz geschickt wurde. Wer ohne Satzverlust durchmarschiert und maximal sieben gegnerische Bälle pro Durchgang zulässt, ist natürlich Favorit im Finale.

Starker Gegner

Hier zeigte der VfL Kellinghusen, anders als am Vortag, seine Zähne. Die Schleswig-Holsteinerinnen, die im Gegensatz zum sensationell vorzeitig ausgeschiedenen TSV Dennach eher als Außenseiter galten, hatten nichts zu verlieren. "Wir waren überrascht von einem ganz anders aufspielenden Team. Aber auch solche brenzligen Situationen überstehen wir heute, anders als noch vor zwei Jahren. Wir konzentrieren uns mehr auf uns als auf die anderen", erklärt Sandra Janot.

Der Express rollt

Zwei Sätze lang stand das Spiel auf Messers Schneide, weil VfL-Youngster Vemke Voß in der Abwehr zauberte und Schlagfrau Jacqueline Böhmker immer wieder mit Kurzbällen mittig in die Schnittstelle traf. Dann besannen sich die Schwarzwälderinnen auf ihre Stärken: Lisa Kübler konzentrierte sich auf die Defensive, Kurzbälle wurden von den schnellen Schlagfrauen abgefangen. Die Stamm-Fünf mit Lisa Küblers starken Zuspielen, den sicheren Abwehrkräften von Annika "Tigger" Bösch und Sandra Janot sowie dem derzeit besten Angriffsduo Deutschlands – Stephanie Dannecker und Henriette Schell – drehte geradezu brutal auf. "Der Express rollt", schwärmten auch die Kommentatoren im Web-Fernsehen "sportdeutschland.tv", das alle Spiele live übertrug. Und so jubelten am Ende die Besten.

Kühner gratuliert

Daran, dass die Calwerinnen ein verdienter deutscher Meister sind, zweifelte auch Kuno Kühner nicht. Der Trainer des TSV Dennach, den Dauerkonkurrenten, der von den Calwern abgelöst wurde. "Die haben sich in einen Spielrausch gespielt. Das war auf jeden Fall die kompakteste Mannschaft des Turniers. Man hat schon bei den klaren Siegen am Samstag gesehen, dass es die Calwerinnen dieses Mal schaffen können. Nach den immer wieder vergeblichen Anläufen hat es die Mannschaft verdient, endlich mal deutscher Meister zu werden", betont er. Dass seine Mannschaft überraschend nach zwei 1:3-Niederlagen in der Vorrunde ausgeschieden war, darüber war er freilich nicht so glücklich. "Natürlich sind wir enttäuscht, die Mannschaft war am Boden. Aber es hat sich gezeigt, dass auch wir keine Maschinen sind. Wir haben es in den letzten Jahren bei bedeutenden Turnieren immer geschafft, unsere Leistung punktgenau abzurufen – dieses Mal nicht. Es war einfach nicht unser Tag", sagte er in seiner lässigen Art.

Der "neue" TSV

Für den "neuen" TSV Calw stehen bewährte Kräfte. Auch wenn, wie in der Vorrunde, die jungen Laura Flörchinger (19, Zuspiel) oder U18-Weltmeisterin Leonie Pfrommer (17) standen, geriet der TSV nie unter Zugzwang sondern agierte sicher und stabil. Das harmonische Zusammenspiel in der Offensive verleiht dem Team Sicherheit. Hier die draufgängerische Stephanie Dannecker (26), daneben die souveräne Henriette Schell (20). "Steffi treibt das Team an und sorgt für spektakuläre Zauberbälle, sie übergibt Henny aber immer mehr Verantwortung und die bringt die nötige Coolness und Beständigkeit mit", erläutert Janot (27), die mit Lisa Kübler (24) das routinierte Rückgrat des TSV Calw bildet. Alles in allem und trotz so großer Erfahrung: ein Team mit Aussicht. Gut möglich, dass dies nicht der letzte Meistertitel war, den dieser Verein feiert.

Stephanie Dannecker, Schlagfrau TSV Calw: "Nein, das war noch nicht mein Abschluss beim TSV Calw. Ich benötige nur eine Pause in der Halle. Beim Europapokal im Januar 2020 in Dennach will ich den TSV Calw aber nochmals unterstützen. In der Feldsaison bleibe ich dem Verein treu, das wird sich nicht so schnell ändern. Es war bisher eine so wundervolle Zeit und ich bin glücklich in meinem ›Rudel‹. Einmal Löwe, immer Löwe!"

Sandra Janot, Spielführerin TSV Calw: "Es war ein unglaubliches Wochenende und das werden wir wohl nie vergessen. Die Stimmung war die komplette Runde super. Wir haben perfekt harmoniert und sehr intensiv gearbeitet – physisch wie psychisch. Auch neben dem Spielfeld haben wir viel Zeit miteinander verbracht, das schweißt zusammen. Wir sind ein total ausgeglichenes Löwenrudel. Egal, mit welcher Aufstellung: es läuft!"

Nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft haben wir mit der Calwer Trainerin Elke Schöck über die Zukunft gesprochen.

Frau Schöck, es war zu hören, Stephanie Dannecker und Annika Bösch werden Calw verlassen?

Nein. Steffi wird in der Feldrunde weiterspielen. In der nächsten Hallenrunde sieht man dann weiter, denn sie will mit ihrem Partner (Anm. Weltmeister Sebastian Thomas aus Pfungstadt) für drei Monate verreisen und dann hoffentlich rechtzeitig zum IFA-Pokal im Januar zuhause sein. Mit Annika verlieren wir nicht nur spielerisch, sondern auch menschlich eine sehr starke Persönlichkeit. Sie hat immer alles gegeben und war für jeden da. Aber ich freue mich, dass sie wieder in ihrer Heimat Fuß fasst und künftig beim TV Jahn Schneverdingen spielen kann. Sie vermittelte unseren Jugendspielerinnen sehr viel und war ein Vorbild. Auch deshalb rücken einige talentierte Spielerinnen nach.

Zum Beispiel Leonie Pfrommer?

Sie hat bereits in der ganzen Hallenrunde bewiesen, dass sie ganz vorne mitspielen kann. Laura Flörchinger hat sich etabliert. Wir haben auch eine starke zweite Frauenmannschaft. Wer da nachrücken kann, wird sich noch zeigen.

Wie geht es ab Mai im Feld weiter?

Die Mädels haben eine Pause verdient. Anfang April startet dann die Vorbereitung. Natürlich wollen wir uns auch im Feld für die Endrunde, Ende August in Kellinghusen, qualifizieren. Ein Traum wäre, auch dort den Titel zu holen.

Mussten Sie an Stellschrauben drehen, oder war es ein Selbstläufer?

Ein Selbstläufer ist eine DM-Endrunde nie. Aber tatsächlich waren die Mädels so gut aufeinander eingestellt, dass wir während der Spiele nur noch wenig sagen mussten. Wichtig war, die Mädels vor dem Spiel nochmals mental zu stärken und das bis zum Schluss aufrecht zu erhalten.

War es eine perfekte Hallensaison?

Ich kann es kaum glauben: Aber so eine Saison habe ich tatsächlich noch nie erlebt. Schon beim Vorbereitungsturnier hat alles gepasst. Das hat sich so durch den ganzen Winter gezogen. Wir hatten alle das Ziel vor Augen und gemeinsam daran gearbeitet. Und wir hatten kein Verletzungspech mehr. Danke an unseren Physiotherapeuten Philipp Löwe, der die Mädels fit gemacht und sich jederzeit um sie gekümmert hat. Es war ein Erfolg vieler Menschen, auch unserer treuen Fans. Danke dafür!