Sie boten bei Jazz am Schießberg eine beeindruckende Vorstellung (von links): Kurt Holzkämper (Bass und Elek­tronik), Bernd Settelmeyer (Drums), Harald Schneider (Saxofon und Klarinette) und Michael Speer (Erzähler). Foto: Tröger Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Auftritt der Formation Phon B / Authentische Collage der Szene / Warme und fesselnde Stimme

Wieder etwas ganz Besonderes ist der Auftritt der Formation Phon B bei Jazz am Schießberg in Calw gewesen.

Calw. Die drei Musiker Bernd Settelmeyer (Drums), Kurt Holzkämper (Bass und Elektronik) und Harald Schneider (Saxofon und Klarinette) zusammen mit Michael Speer als Erzähler ließen das Leben und die Geburtsjahre des Jazz im verwegenen Storyville, dem legendären Vergnügungsviertel von New Orleans, um 1900 auferstehen.

Die Mischung aus Musik und Erzählungen ergab eine wunderbar authentische Collage der Musikszene dieser Zeit.

Michael Speer ließ nach den ersten Tönen des Trios Sidney Bechet, einen kreolischen Klarinettisten und Saxofonisten, als Ich-Erzähler zu Wort kommen. Seine detailreiche Schilderung des brodelnden Lebens auch im Konflikt zwischen Schwarz und Weiß zog das Publikum förmlich hinein in diese Szenerie, in der "die Türen der Kneipen das ganze Jahr über ausgehängt waren und sich die Musik aus jedem Haus ergoss".

Und die Musiker antworteten mit passenden Kompositionen aus dieser Zeit, nicht historisierend, sondern mit eigener Prägung und so Tradition und Moderne aufs spannendste verbindend.

Alle drei sind ausgezeichnete Könner an ihren Instrumenten, in vielfältigen Projekten national und international unterwegs und jeweils auch in der Ausbildung des Nachwuchses engagiert.

Michael Speer hat an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart eine Professur für Sprecherziehung inne.

Tragische Geschichten

Unfassbare Geschichten und Musikeranekdoten hörte das Publikum im Forum am Schießberg, aber auch tragische Geschichten wie die von Charles Buddy Bolden, dessen "Tiger Rag" unsterblich ist. Die drei Musiker beherrschen die Kunst, Jazz auf niveauvolle Art zu spielen. Facettenreich griffen sie die Eigenheiten der von Speer vorgestellten Komponisten und Musiker auf und versahen die Stücke im Dialog ihrer Instrumente mit ihrem Phone B-Stempel. Sehr zum Vergnügen des Publikums.

Mit "Comes Love" von Artie Brown, "The Dark Town Strutter’s Ball" von Shelton Brooks 1917 geschrieben und ein Potpourri aus "Royal Garden Blues", "St. Louis Blues", "After you’ve gone" und "Indiana" erklangen weitere Titel als Hommage an die frühen Jazz-Musiker und -Komponisten, die neben ihrer Leidenschaft für die Musik mit schwarzen Wurzeln alle noch einem Brot-Beruf nachgingen.

Bassist Kurt Holzkämper spielte über ein Röhrenradio einen Ausschnitt aus einem "Bucking Contest" ein, den die Kapellen damals austrugen. Eine Kapelle begann, die andere antwortete und am Ende gewann die Kapelle, die am inspirierendsten improvisierte. Danach zog man zu einem Platz und "dann ging die Hölle los", musikalisch.

Im Forum bekamen die Zuhörer so etwas auch auf die Ohren von Phon B, was die Klasse des Trios erneut aufs Köstlichste unterstrich. Der Abend war in dreifacher Hinsicht auch ein "sprachlicher" Genuss: Erstens durch die Sprache der zeitlosen, wandelbar zu interpretierenden und immer wieder fesselnden Musik aus den Anfangsjahren des Jazz. Dann durch die "Sprache" des Erzählers, der mit warmer, fesselnder Stimme einlud, sich in die Szenen hineinfallen zu lassen. Und ganz besonders durch die "Körpersprache" der Musiker. Seine Premiere als Tontechniker bei Jazz am Schießberg hatte Jan Schnitzler aus der zehnten Klassenstufe des Hermann Hesse-Gymnasiums.