VHS-Chef Sebastian Plüer vor seiner großen Planungswand, auf der minutiös alle Veranstaltungen der laufenden und kommenden Semester verzeichnet werden. Foto: Kunert Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Bei der VHS treten immer wieder Referenten auf, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt

Sie waren alle schon da: Gerd Ruge, Rita Süssmuth, Erhard Eppler. Und viele andere, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Für die Volkshochschule Calw machen sie sich auf in den Nordschwarzwald – und sorgen für eine außergewöhnliche Promi-Dichte im Programm.

Calw. Den meisten dürfte das gar nicht so bewusst sein: für eine Volkshochschule (VHS) ihrer Größe stellt die Calwer Bildungseinrichtung gerade in ihren regelmäßigen Vortragsangeboten jedes Mal ein wirklich außergewöhnlich hochkarätiges Angebot zusammen. Großstadtniveau, mit absoluten Top-Referenten. Wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Wie kommt das?

Etwas Besonderes

Der Chef der Calwer VHS, Sebastian Plüer, winkt ab. "Das ist kein Hexenwerk", lacht er. Aber er weiß auch, dass das Programm, das er und sein Team zweimal im Jahr für die insgesamt 13 Gemeinden und Städte zusammenstellt, die die VHS Calw tragen, schon immer wieder auch etwas Besonderes ist. "Man muss die Menschen einfach fragen. Dann kommen sie auch."

Wie Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann. Der hielt 2014 einen Vortrag bei der VHS Calw, ein Novum für einen amtierenden, waschechten Minister. Plüer hatte ihn vor dem Hintergrund der damaligen Planungen für die Hesse-Bahn kurzerhand eingeladen. Einen profunderen Redner zu diesem Thema gab es aus Plüers Sicht einfach nicht. Und Hermann fand Gefallen an der Idee, als Referent der VHS die Mobilitäts-Pläne seiner damaligen Landesregierung auf diese Weise direkt "unters Volk" zu bringen. So sehr, wie Plüer heute berichtet, dass der Verkehrsminister anschließend auf eine echte Tournee durch zahlreiche weitere Volkshochschulen im Land ging mit seinen Themen. Aber in Calw war er eben zuerst.

Genau darum geht es Sebastian Plüer, wenn er solche Coups für seine VHS schnürt: Persönlichkeiten herzuholen, die ein aktuelles Thema der Zeitgeschichte, der Tagespolitik oder Gesellschaft aus erster Hand und damit mit allerhöchster Relevanz einem hiesigen Publikum vorstellen können.

Näher kommt man nicht

Im vergangenen Oktober jährte sich die Waterkant-Affäre, immerhin der größte deutsche Politik-Skandal, zum 30. Mal. Im Fernsehen gab es dazu Dokus rauf und runter. Bei der VHS Calw trat Heinrich Wille auf, ehemaliger Staatsanwalt und Chef-Ermittler in diesem Fall. Er hat den Tatort, an dem Uwe Barschel starb – ein Genfer Hotelzimmer mit der berühmten Badewanne – damals selbst untersucht, die Zeugen und Verdächtigen selbst befragt. Näher ran an solch einen großen Kriminalfall kommt man als Zuschauer einfach nicht.

Sebastian Plüer ist studierter Historiker, Schwerpunkt Osteuropa – "aber natürlich an allem sehr interessiert". Auch der Vater des gebürtigen Trierers war Historiker, Schwerpunkt englische Geschichte. Seine Schwester lebe in London – und inspiriere von dort aus gerne einmal die Titelbilder der Calwer VHS-Programme.

Wenn es um die Zusammenstellung eben dieser VHS-Programm gehe, stehe oft tatsächlich das Fernseh-Programm Pate. Die großen Themen, die die Menschen dort wahrnehmen. Und sie interessieren. Und ihn selbst natürlich auch. Wie im neuen Jahr wahrscheinlich die anstehenden Olympischen Winterspiele und später die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland. Womit das neue Schwerpunktthema "Sport" für das neue Semester der VHS Calw schon fast eine Zwangsläufigkeit gewesen sei.

Und wieder gelingt es Plüer und seinem Team, die ganz großen Namen aus dem TV dazu in den Nordschwarzwald zu locken. Manuel Andrack zum Beispiel (Dienstag, 13. März; 19.30 Uhr, Alte Lateinschule), den langjährigen Redaktionsleiter der Harald-Schmidt-Show. Sein Thema: "Lebenslänglich Fußball. Vom Wahnsinn, Fan zu sein". Oder Ilija Trojanow (Dienstag, 24. April; 19.30 Uhr, Alte Lateinschule), der über "Meine Olympiade" sprechen wird: 2012 zu den damaligen Sommerspielen hatte der bekannte Schriftsteller (unter anderem "Der Weltensammler") angefangen, selbst alle 80 olympischen Einzeldisziplinen auf Leistungssport-Niveau zu trainieren. Ein extremer Selbsterfahrungstrip, von dem er berichten wird.

Aber auch abseits des Sports wird es im neuen Semester prominent und hochkarätig zugehen bei der VHS Calw. Am Donnerstag, 3. Mai, etwa kommt Hamed Abdel-Samad ins Forum König-Karls-Bad in Bad Wildbad. Der Deutsch-Ägypter war Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz und zählt zu den profiliertesten islamischen Intellektuellen im deutschsprachigen Raum. Seine Bücher sind Bestseller und in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. Sein Thema im Nordschwarzwald: "Integration – ein Protokoll des Scheiterns". Eine Besonderheit Hamed Abdel-Samads für die VHS Calw: Der Islamkritiker benötigt gleich sechs Einzelzimmer für seine Übernachtung in der Region, wie VHS-Chef Plüer berichtet – "für sich und seine fünf Personenschützer!" Was ein gewisses Licht auf die Brisanz allein schon dieses Auftritts wirft.