Heike Makatsch und August Zirner spielten die Hauptrollen in der Hermann-Hesse-Verfilmung "Die Heimkehr". Foto: SWR

ARD macht Hesse im Film "Die Heimkehrer" zum Superstar. Keine Bilder aus Calw zu sehen.

Calw - Am Mittwochabend zeigte die ARD eine in ihrem Auftrag produzierte Verfilmung von Hermann Hesses Gerbersauer Erzählung "Die Heimkehr" und anschließend ein neues Porträt des Schriftstellers unter dem reißerischen Titel "Hermann Hesse – Superstar".

Vor 50 Jahren ist Hermann Hesse gestorben. Am Mittwochabend saß er in der ersten Reihe. "Das Erste" hatte ihm die beste Sendezeit eingeräumt, und die Fernsehrepublik erfuhr Neues über ihn: Der Calwer Missionarssohn, der sich einst unter nicht geringen Leiden und Mühen zum erfolgreichen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger empor gekämpft hat, ist nun ein "Superstar". Nachgewiesen hat dies der Regisseur Andreas Ammer, dessen halbstündige Dokumentation in der Aussage gipfelt, Hesse sei mit seinem Werk "maßgeblich dafür verantwortlich, dass vor einem halben Jahrhundert die Jugend der Welt einen Schlussstrich zog unter den Lebensstil ihrer Eltern, der Anzugträger und Villenbesitzer". Illustriert wird dies durch Bilder der rebellierenden Blumenkinder der 60er-Jahre, die seine Romane "Siddhartha" und "Der Steppenwolf" lasen und ihnen einen beispiellosen Leseboom rund um den Erdball bescherten.

Aufgemacht ist die Dokumentation mit den heute üblichen schnellen Schnitten, bei denen Prominente, die bekennende Hesse-Leser sind, wie Franz Beckenbauer, Udo Lindenberg, Konstantin Wecker oder Peter Härtling über Aspekte ihrer Erfahrung mit dem Dichter und seinem Werk berichten. Auch der Stuttgarter Koch Vincent Klink darf etwas humorige Würze hinzugeben. Als Kontrastmittel ist eine Szene von historisch-dokumentarischem Wert dagegen gestellt, in welcher eine alte Calwerin in den 70er-Jahren in der noch vom Autoverkehr geplagten Lederstraße einer Reporterin die Auskunft gibt: "Den Hesse mögat mir net arg – auf Deitsch g’sagt." Und warum? "Weil mir alte Calber sind."

Unterhaltsam ist sie, diese Dokumentation. Informativer wäre sie freilich ausgefallen, wenn sie mit weniger Szenenwechseln gearbeitet hätte und nicht zu sehr auf spektakuläres, aber nicht unbedingt aussagekräftiges Bildmaterial wie nackte Tänzerinnen auf dem Monte Verita oder in der Hippie-Szene gesetzt hätte. Aber so ist das heutige Medium Fernsehen nun einmal.

Passt Hesse ins actionorientierte Fernsehen?

Was hätte Hermann Hesse wohl selbst zum "Superstar" gesagt? Vielleicht, das, was er bereits um 1910 zu einem Journalisten sagte, als dieser ihn für ein Buch über berühmte Männer interviewen wollte: "Begeben Sie sich zur Beruhigung in eine Kaltwasser-Badeanstalt!"

Dass seine Art, zu erzählen, sich nicht gut mit der Art der neuen Medien Film und Fernsehen verträgt, war Hesse bereits in den 50er-Jahren bewusst, weshalb er testamentarisch den Wunsch hinterließ, dass seine Werke möglichst nicht verfilmt werden sollen. Ein Wunsch, dessen Sinn auch durch die jetzige Verfilmung seiner Erzählung "Die Heimkehr" nachvollziehbar wird. Das Medium Film benötigt einfach drastische, einprägsame Bilder, die in den stillen, mit inneren Monologen versehenen Erzählungen Hesses nicht vorhanden und auch nicht notwendig sind.

So muss der Film gezwungenermaßen Handlungen hinzugeben. Da muss schon einmal eine Katze im Garten vergraben und wieder ausgebuddelt und auf den Marktplatz geworfen werden. Oder ein Schweineherz in einer Schachtel zugeschickt, eine Frau mit Pferdemist beworfen und ein Haus angezündet werden sowie Sexgelüste und der Tod durch Herzschlag und Erhängen ins Spiel kommen. Weniger darf es im heutigen krimi- und actionorientierten Fernsehen nicht sein.

Regisseur Jo Baier hat versucht, einen Teil der zusätzlich benötigten Handlungsstränge aus anderen Erzählungen Hesses zu rekrutieren. So wird zum Beispiel ein malender Außenseiter im Städtchen eingeführt, der halb Hesses Figur Hermann Lautenschlager aus der Erzählung "In einer kleinen Stadt" und halb dem "Mohrle" in der gleichnamigen Erzählung nachgebildet ist. Das Vorbild der alkoholsüchtigen Bürgermeistersgattin, die sich am Fenster ihrer Wohnung mit Bowle vor aller Augen betrinkt, stammt ebenfalls aus "In einer kleinen Stadt".

Wie ist der Film "Die Heimkehr" an sich zu bewerten – wenn mal davon abgesehen wird, dass die sehr epischen Erzählungen Hesses nicht wirklich verfilmt werden können und es natürlich aus Calwer Sicht jammerschade ist, dass keinerlei Aufnahmen aus der Stadt darin zu finden sind, sondern in Schwäbisch Hall und im Hohenlohischen Freilandmuseum Wackershofen gedreht wurde?

Nun, es ist insgesamt ein eindrücklicher und kurzweiliger Film. Die anderthalb Stunden vergingen wie im Flug. Und die schauspielerische Leistung von Heike Makatsch als Witwe Entriß wie auch die von August Zirner als August Staudenmeyer (der in der Erzählung übrigens August Schlotterbeck heißt) ist ausgezeichnet. So kann man den Film durchaus empfehlen.

Nur sollte man nicht glauben, dadurch könne man sich die Lektüre von Hesses Erzählung ersparen. Wenn der Film aber dies auslöst, dass Hesses Gerbersauer Erzählungen wieder mehr gelesen werden (oder beim Gerbersauer Lesesommer gehört), dann ist der Film bereits gerechtfertigt.

Übrigens: Wer ihn versäumt hat, kann ihn am 16. Juli auf dem Calwer Marktplatz sehen, bei einer öffentlichen Vorführung oder neudeutsch und passend zum ›Superstar" ausgedrückt: einem "Public Viewing".

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