Die Vergabepraxis von Linienbündeln im Kreis Calw – hier Wildberg – stößt auf scharfe KritikFoto: Fritsch Foto: Schwarzwälder Bote

Nahverkehr: Volz und Prewo warnen nach Vergabe von Buslinien an die Bahn-Tochter RAB vor "dramatischen Folgen"

Der Kreistag hat – nicht-öffentlich – einen großen Teil der Busstrecken im Kreis Calw für die nächsten acht Jahre an eine von der Bahn-Tochter RAB angeführte Bietergemeinschaft vergeben. Für SPD-Kreisrat Rainer Prewo und Gisela Volz, Geschäftsführerin der Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw, eine fatale Entscheidung, die heimische Unternehmen massiv gefährdet.

Kreis Calw. In den vergangenen Jahren hat der Landkreis gemeinsam mit dem Kreistag den gesamten ÖPNV und da besonders den Busverkehr neu geordnet. Neben dem angestrebten Stundentakt im Landkreis besteht die Neuordnung darin, dass so genannte Nahverkehrsbündel gebildet wurden, die sämtliche Busfahrten in einem bestimmten Gebiet umfassen. Diese Linienbündel werden dann – übrigens europaweit – ausgeschrieben und dann an einen Bieter oder eine Bietergemeinschaft vergeben, die dann für acht Jahre komplett für den Busverkehr in diesem Gebiet verantwortlich zeichnen.

In jüngster Vergangenheit ging es nun um die Vergabe von zwei Gebieten, die zusammen mehr als die Hälfte des ÖPNV im Kreis Calw ausmachen: das so genannte Bündel "Mitte" mit dem Raum zwischen Calw und dem Enztal mit Neubulach, Oberreichenbach und Neuweiler und das Bündel "Südost" mit Wildberg, Ebhausen und Teilen von Nagold.

27 Monate hat nach Angaben von Andreas Knörle, Infrastruktur-Dezernent im Landratsamt, das Ausschreibungsprozedere, für diese Bündel insgesamt gedauert. Man habe die Ausschreibung ausgenommen mittelstandsfreundlich formuliert, betont Knörle im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.

Mehrausgaben von rund vier Millionen Euro

Doch das günstigste Angebot, das dann auch zum Zug kam, das kam nicht von einem heimischen Mittelständler, sondern von einem Großunternehmen, in dessen Namen 2019 schon 650 Busse in einem Gebiet gefahren sind, das vom Bodensee über Ulm, wo sich die Zentrale befindet, bis nach Tübingen reicht. Dabei handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, die DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee, kurz RAB. Sie hatte das Angebot mit zwei Unternehmen aus der Region abgegeben, dem Unternehmen Klumpp aus Baiersbronn und der Firma Süsser Reisen aus Deckenpfronn. Für den Landkreis bedeutet das Angebot Mehrausgaben von etwa vier Millionen Euro im Vergleich zum Status quo. Dass es deutlich teurer wird, das sei ganz normal, so Knörle, immerhin werde der Anbieter wegen des Stundentakts auch 1,5 Millionen Kilometer mehr fahren als die bisherigen Anbieter.

"Diesen Fehler haben andere auch gemacht"

Knörle bestätigt, dass dieses Ausschreibungsergebnis und die Vergabe an RAB im Kreistag für reichlich Diskussionen gesorgt habe – nicht nur wegen den Mehrkosten. Doch das ganze Verfahren sei "formal korrekt" abgelaufen, so Knörle. Der Kreis sei an das Ergebnis gebunden, habe an RAB vergeben müssen, das sei juristisch völlig eindeutig.

Trotzdem sieht sich der Kreis jetzt mit massiver Kritik konfrontiert. SPD-Kreisrat Rainer Prewo etwa fordert nun, die Vergabe der Nahverkehrsbündel zu stoppen oder sogar zurückzudrehen, andernfalls drohe dem Kreis "großer Schaden". Bisher werde der ÖPNV von mittelständischen Unternehmen geprägt, die im Wettbewerb miteinander stünden, so der ehemalige OB von Nagold. Mit Blick auf die RAB befürchtet Prewo, dass der Wettbewerb bald der Vergangenheit angehören und der ÖPNV im Kreis Calw mehr oder minder zu einem Monopol eines Unternehmens werde.

Das Argument, man habe an den günstigsten Bieter vergeben müssen, will Prewo nicht gelten lassen. Nicht nur dass die Unterschiede zwischen den Bietern verschwindend gering gewesen seien. Laut Gesetz gehe es bei einer Vergabe in diesem Bereich nicht nur um das billigste Angebot. So werde dort explizit auch auf Kriterien wie "Zuverlässigkeit" verwiesen. Und in dieser Hinsicht habe sich die RAB im Fall der Nagoldtalbahn in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert. Darüber hinaus, so beklagt Prewo, gefährde dieses Vorgehen mittelständische Unternehmen, die jahrelang zuverlässig gefahren seien.

In diese Kerbe schlägt auch Gisela Volz, Geschäftsführerin von Volz Reisen und der Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw (VGC). Und sie geht noch weit über die Kritik von Prewo hinaus. Für sie schießt der Landkreis mit dem Linienbündelungskonzept ein "Eigentor", das beim ÖPNV im Kreis über kurz oder lang den Wettbewerb eliminiere und in Richtung Monopol führe. In so einer Ausschreibung könne ein Mittelständler gegen einen Konzern wie die Bahn überhaupt nicht bestehen, weil der regionale Unternehmer die vollen Kosten kalkulieren müsse, was die Deutsche Bahn eben nicht müsse.

Volz kritisiert scharf, dass das einzige Zuschlagskriterium der Preis gewesen sei. "Warum hat da so etwas wie Wirtschaftlichkeit keine Rolle gespielt?", fragt die VGC-Geschäftsführerin. Oder so etwas wie lokale Kompetenz und Qualität des Angebotes. Dinge, die bei den Unternehmen aus dem Kreis gegeben seien.

Für diese Unternehmen sei das Vorgehen geradezu fatal. Etwa für Teinachtal-Reisen aus Neubulach, die bis jetzt im Bündel "Mitte" aktiv sind. Für die sei diese Entscheidung für RAB "dramatisch" und "tragisch". Auch weil die Situation damit auf acht Jahre festgeschrieben sei. Die Ausschreibung von Linienbündeln, wie dies der Kreis gemacht habe, habe noch nie zu einem besseren Ergebnis geführt, sagt Volz. "Aber diesen Fehler haben andere auch schon gemacht."