Ortseingang Villingendorf im Jahr 2022: rechts ist die Autobahn zu sehen, oben im Bild zieht die L 424 ihre Bahn. Vom Kreisverkehr führt die Ortsdurchfahrt am Geiger Drive-Inn vorbei Richtung Ortsmitte. Foto: Landesarchiv/StAL/EL68IX-15339

Die Bundesstraße 14 führte bis etwa Mitte der 70er-Jahre durch Villingendorf und generierte wegen der Vorfahrtsregelung beim Rathaus einen Unfallschwerpunkt.

Villingendorf - Und wieder hat es gekracht in der Ortsmitte von Villingendorf. Für den 27-jährigen Herbert Hermle ein häufiges Geräusch in seinen Anfangsjahren als Bürgermeister und ein viel zu häufiger Anblick aus dem Fenster seines Büros im Rathaus.

1968 fuhr der motorisierte Verkehr durch Villingendorf. Eine Umgehungsstraße und eine Autobahn gab es damals in den wilden Jahren der Republik nicht. Rock’n’Roll und Beat-Musik gab den Takt für die Jugend vor und stieß auf vehemente Ablehnung bei den Altvorderen – der motorisierte Rock’n’Roll auf den Straßen richtete jedoch weit mehr Unheil an.

Auf jeden Fall viel Blechschaden, erinnert sich Ehrenbürger Herbert Hermle. Sogar während des Gottesdienstes am Sonntagmorgen krachte es. An Todesfälle im Zusammenhang mit den Unfällen kann er sich nicht erinnern. Zum Glück. Es war halt aber auch eine vertrackte Situation in der Ortsdurchfahrt von Villingendorf.

Gefährliches Geradeausfahren

Vorfahrt genoss eben nicht die Route von Herrenzimmern Richtung Rottweil, sondern hatten die Verkehrsteilnehmer, die von Talhausen nach Villingendorf fuhren und am Rathaus links abbogen, um weiter Richtung Rottweil zu fahren. Diese abbiegende Vorfahrt war Bundesstraße, und diese hatte nun mal Vorrecht.

Das Geradeausfahren, Kirche und "Krone" im Blick, ging nicht, ohne einen Halt einzulegen. Das galt für Autos, Busse, Traktoren, Zweiräder (Hermle fuhr damals einen Zweitakter, eine Kreidler Amazone, blau-cremefarben gespritzt), Pferdefuhrwerke, Fahrräder.

Abhilfe naht

Doch es sollte nicht mehr allzu lange dauern, bis Abhilfe nahte. Abhilfe für die Ortsdurchfahrt Villingendorf. Die B 14, die von Horb nach Rottweil und weiter an den Bodensee ging, sollte künftig an Villingendorf vorbeiführen. Und, weitaus gewichtiger, eine Autobahn gebaut werden: die A 81.

Es war damals noch nicht lange her, als entschieden wurde, welche Trasse es denn sein durfte. Entlang der B 14 erhielt 1964/65 den Vorzug vor der Alternative, entlang der B 27. Dafür sollte eben diese Bundesstraße durchgängig vierspurig ausgebaut werden. Etwas, auf das bis heute gewartet wird und vor allem Schömberg nachhaltig irritiert.

A 81-Planungen

Die A 81-Planungen entlang Villingendorf waren auch nicht ohne. Die Gemeinde gab Stellungnahmen ab. Als No-go-Areas galten das Wasserschutzgebiet und eine militärische Einrichtung im Zimmerner Wald, ein Munitionslager. Auch war es ein Streiten, wo die Auffahrt gebaut werden sollte. Hier war Villingendorf zeitweise eine Alternative, bevor es schließlich zum Ist-Zustand bei Zimmern kam.

Nebenbei: Der Autobahnabschnitt Deißlingen – Villingendorf wurde 1977 eröffnet, jener von Villingendorf nach Herrenberg 1978. Hier war der Brückenschlag bei Horb und ein Stresstest mit schweren Panzern eine bleibende Erinnerung für Interessierte. Doch dies wäre eine andere Geschichte.

Bereits vor dem zweiten Weltkrieg

Interessant ist ebenfalls, dass es bereits vor dem zweiten Weltkrieg Planungen für eine Umgehungsstraße Villingendorf gegeben hat. Im Flächennutzungsplan wurde dann Anfang der 60er-Jahre eine Fläche ausgewiesen. Vor allem wegen des Verkehrs durch den Ort und besagter, gefährlicher Kreuzung. Mit der Planung der Autobahn hatte die Umgehungsstraße nichts zu tun, stellt Herbert Hermle klar.

Ein Problem, das gelöst werden musste, umfasste die Abwässer im Zusammenhang mit der Autobahn, also Reifenabrieb, Ölrückstande und dergleichen mehr. Die Rohre in der Rottweiler Straße waren dafür definitiv zu klein. Da mussten Ingenieure mit Hirnschmalz ran. Es rückte der Lichtgraben ins Visier. Und es bot sich an, wenn ein tiefer Kanal gebaut werden soll, auch gleich die Umgehungsstraße in Angriff zu nehmen.

Positive Resonanz

Besagte Umgehungsstraße traf überwiegend auf positive Resonanz in der Gemeinde, die damals etwas mehr als 2700 Einwohner zählte (heute: mehr als 3300). Natürlich äußerten Geschäftsleute und Wirte ihre Sorgen, doch der Rückgang des Durchgangsverkehrs und vor allem die neue, heute noch geltende Vorfahrtsregelung in der Ortsmitte wogen schwerer.

Als gewichtiges Pfund stellte sich die Beschilderung des überörtlichen Verkehrs dar, jener von Freudenstadt über Dornhan nach Rottweil. Da wiesen damals die Wegweiser die Route über Beffendorf und Bösingen nach Villingendorf aus, nicht aber durch Dunningen. Einzugsgebiet von "Linde", "Kreuz", "Krone" und "Hubertushof" blieb die Dornhaner Platte und der Lindenhof.

Zwei Werbeschilder

Auch setzte Herbert Hermle seinen Einfluss ein, zwei Werbeschilder auf Parkplätzen aufstellen zu dürfen. Keine Selbstverständlichkeit mit Blick auf Vorschriften. Hinweisschilder auf die Gastronomie und den Einzelhandel von Villingendorf. Eins auf dem Parkplatz Richtung Talhausen, eins auf einem provisorischen Parkplatz beim Steinbruch Richtung Rottweil.

Mittlerweile ist aus der B 14 eine L 424 geworden, die Bundesstraße wurde wegen geringeren Verkehrs vor einigen Jahren herabgestuft zu einer Landesstraße. "Linde", ""Kreuz" und "Hubertushof" leben alleine in der Erinnerung fort. Wie auch so mancher Einzelhandel in Villingendorf.

Wir schreiben ja nicht mehr 1968. Wer hört schon 2022 noch Rock’n’Roll? Wer besucht einen Beatschuppen? Selbst die Diskotheken anno 1978 sind Vergangenheit.