Wie geht es mit dem Deutschlandticket weiter? Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Eigentlich finden alle, dass das neue Ticket für Busse und Bahnen in ganz Deutschland ein Erfolg ist. Doch dann hakte es mal wieder lange beim Geld. Nun ist ein Ausweg in Sicht.

Nach heftigem Wirbel und Warnungen vor einem drohenden Aus sind Millionen Fahrgäste nun zumindest einen Zweifel los: Das Deutschlandticket für Busse und Bahnen im Nahverkehr quer durch die Republik gibt es auch weiterhin. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vereinbarten in der Nacht zu Dienstag Schritte zu einer weiteren Finanzierung. Es sind aber noch Punkte offen. Und eine große Frage ist, wie lange das Ticket noch zu lockenden 49 Euro im Monat angeboten oder doch bald teurer wird. Darum beginnt nun gleich das nächste Ringen. Nicht nur Verbraucherschützer fordern mehr Verlässlichkeit für das Angebot.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing begrüßte die Weichenstellung von Bund und Ländern. Der Beschluss zeige, dass die von den Ländern losgetretene Debatte über die Finanzierung des Tickets vollkommen überflüssig gewesen sei. „Außer einer Verunsicherung der Verbraucher haben sie damit nichts erreicht“, sagte der FDP-Politiker. Er rief seine Länderkollegen auf, „sachlich am Erfolg des Deutschlandtickets zu arbeiten und aufzuhören, es ohne Not in Frage zu stellen.“

Vorgehen wirft harte Fragen auf

Schon vor der Runde mit Scholz hatte sich die Atmosphäre beruhigt. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU) aus Hessen, nannte das Ticket ein Erfolgsmodell. „Wir wollen es weiterführen.“ Für den Anschluss einigten sich Bund und Länder auf ein Vorgehen, das aber noch harte Fragen aufwirft.

Der Vorsitzende der Länderverkehrsminister, Oliver Krischer (Grüne) aus Nordrhein-Westfalen, sagte, man werde dem Auftrag nachkommen und ein Konzept für ein langfristig gesichertes Ticket entwickeln. Der nun festgelegte Finanzrahmen schränke aber vieles ein und könnte dazu führen, dass der Einführungspreis ab Mai 2024 nicht mehr zu halten sein werde. Zumindest im ersten Jahr nach der Einführung, also noch bis Ende April 2024, werde es keine Preiserhöhung geben, hob der niedersächsische Ressortchef Olaf Lies (SPD) am Dienstag hervor.

Operation Umschichtung

Der Plan sieht vor, nicht genutzte Mittel für 2023 nun noch 2024 zum Ausgleich finanzieller Nachteile durch das günstige Ticket einsetzen zu können. Nach einer Verabredung von Ende 2022 schießen Bund und Länder in diesem und im nächsten Jahr schon je 1,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Bus- und Bahnbetreibern zu. Doch Knackpunkt waren zuletzt etwaige Mehrkosten darüber hinaus. Dass Bund und Länder sie hälftig teilen, ist nur für das Einführungsjahr 2023 vereinbart. Verkehrsbranche und Länder forderten das lange auch für 2024. Davon ist keine Rede mehr. Mit dem künftigen Konzept soll eine weitere „Nachschusspflicht“ für Bund und Länder vom Tisch sein.

Genaue Zwischenabrechnung

Welche Mehrkosten es gibt, lässt sich noch nicht beziffern. Bund und Länder planen daher eine genaue „Spitzabrechnung“ für 2023 und 2024, die nach Vorliegen endgültiger Daten die Länder vornehmen sollen. Laut einer Prognose des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) dürften die Verluste für die Branche dieses Jahr 2,3 Milliarden Euro betragen, nachdem das Ticket erst Anfang Mai startete. Im vollen Jahr 2024 dürften es 4,1 Milliarden Euro sein. Bei sechs Milliarden Euro Zuschüssen für 2023 und 2024 könnte sich unter dem Strich somit eine Lücke von 400 Millionen Euro ergeben. Die Debatte um die Zukunft des Tickets gehe also „in die Verlängerung“, kommentierte der VDV.

Der Ball für das Finanzkonzept

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erläuterte, die Übertragung der Mittel schaffe die Grundlage, dass das Ticket auch 2024 weitergehen könne. Kommen soll dafür eine Gesetzesänderung. „Ob und in welcher Form das Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben wird, das müssen uns die Verkehrsminister sagen.“ Insofern werde der Ball da an die Fachminister zurückgegeben. Die „Chefs“ beauftragten daher die Verkehrsministerkonferenz, ein Konzept vorzulegen - und zwar rechtzeitig vor dem 1. Mai 2024. Dann wird das Ticket ein Jahr alt. Mit zum Auftrag gehört dabei ein Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises, „der auch eine Erhöhung beinhalten kann“.

Die heikle Preis-Frage

Dass der Preis von 49 Euro einmal steigen kann, war prinzipiell immer klar. Denn er gilt von Anfang an als „Einführungspreis“. Doch jetzt kommt eine mögliche Anhebung für 2024 auch konkret auf den Tisch. Die Umweltorganisation Greenpeace warnte: „Wenn die Kundinnen und Kunden jederzeit mit einer Preiserhöhung rechnen, dann würgt das den Erfolg des Tickets ab, noch bevor es überhaupt richtig angekommen ist.“ Die Verbraucherzentralen mahnten, das mache das Ticket weder attraktiver, noch verlässlicher. Der Preis von 49 Euro sei für viele bereits die Schmerzgrenze. Der Autofahrerclub ADAC forderte, dass der künftige Preis nicht wesentlich vom jetzigen abweichen dürfe. Bezahlbarkeit sei ein gutes und wichtiges Argument für den öffentlichen Nahverkehr.

Nächste Stationen

In der Ampel-Koalition machten sich die Grünen umgehend für einen stabilen Preis stark. Die Inflation mache das Leben für viele teuer, und das Ticket sei wegen des günstigen Preises attraktiv. „Deshalb ist es wichtig, dass das Deutschlandticket ein 49-Euro-Ticket bleibt“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte, die Verkehrsminister von Bund und Ländern müssten nun schnell verlässliche Mechanismen für Planbarkeit bei Verkehrsanbietern und Abonnementen schaffen. Bund und Länder betonten im Beschluss, das Ticket weiterentwickeln, vereinfachen und digitaler zu machen. Ziel sei auch, „mit einer erfolgreichen Umsteigeoffensive mögliche Finanzierungsdefizite so weit wie möglich zu senken“.