Auf Achse: Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Führerhaus des 32-Tonners. Foto: Kraufmann

Bei einer Lkw-Tour von Verkehrsminister Hermann mit dem Speditionsgewerbe prallen zwei Welten aufeinander.

Burladingen - Für gewöhnlich pflegen der Grünen-Verkehrsminister und das Lkw-Gewerbe keine engen Bande. Doch auch Winfried Hermann hat erkannt: "Aus der Sicht eines Radfahrers kann man keine Verkehrspolitik machen." Also ist er einen Tag im Lkw mitgefahren.

Für einen Tag hat Winfried Hermann (Grüne) seinen Minister-Schreibtisch mit dem Beifahrersitz eines Sattelschleppers getauscht und ist eingetaucht in die fremde Welt der Brummifahrer. Mit Fahrer Martin Brander von der Spedition Barth aus Burladingen auf der Schwäbischen Alb sowie mit Spediteuren und Firmenchefs kam es zum Gedankenaustausch über ...

... die Verlagerung auf die Schiene: Die seit Jahren wiederkehrende Kernforderung nahezu aller Parteien: Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Doch passiert ist bisher wenig bis nichts. Noch immer werden über 70 Prozent der Güter in Deutschland auf der Straße transportiert. Beim Metallbearbeiter Benseler in Markgröningen (Kreis Ludwigsburg) erfährt Hermann aus erster Hand, warum das so ist: "Der Lkw ist immer noch schneller, flexibler und günstiger", erklärt Werkleiter Markus Hauser. Außerdem handelt es sich bei einem Großteil der Verkehre um Nahverkehre. Da lohnt die Schiene noch weniger.

Hermann hat sich das Thema dennoch auf die Fahnen geschrieben. Er lässt derzeit nach Standorten für sogenannte KV-Terminals suchen (KV für Kombinierter Verkehr). Das sind Umschlagplätze, an denen alle drei Verkehrsträger – Straße, Schiene und Wasserstraße – miteinander verknüpft werden können. "Es ist ein Armutszeugnis der Bahn, dass sie es in der Vergangenheit nicht geschafft hat, ein flexibleres Logistikkonzept aufzubauen", kritisiert Hermann.

... den Ausbau von Straßen: Hier prallen zwei Welten aufeinander. Während Speditionschef Helmut Barth Hermann eine Süddeutschland- Karte mit aus seiner Sicht erforderlichen Neubaustrecken unter die Nase hält, bedankt sich der Grünen-Politiker artig für den Wunschzettel und bemerkt, dass es auch beim Wunschzettel bleiben wird.

Er macht klar, dass es neue Autobahnen wie die geforderte Querverbindung von Freiburg Richtung München "in 100 Jahren nicht geben wird". Stattdessen könne es nur darum gehen, die Infrastruktur, so gut es gehe, zu ertüchtigen und mit kleineren Maßnahmen wie der Freigabe von Seitenstreifen oder einer besseren Steuerung den Verkehr zu verflüssigen.

... den Einsatz von Lang-Lkw: Baden-Württemberg hat einen Feldversuch zur Erprobung sogenannter Gigaliner die Zustimmung verweigert. An einer schmalen Werkeinfahrt begründet Hermann, warum: "Für Lang-Lkw sind viele Zufahrten zu eng, viele Kreisverkehre und Parkplätze ebenso. Die öffentliche Hand müsste für den Umbau wahnsinnige Summen investieren." Barth entgegnet, die 25 Meter langen XL-Trucks würden nur auf bestimmten Strecken eingesetzt – seien dort aber sinnvoll. "Ganz einfach: Weil ich für bestimmte Fuhren nur noch einen statt zwei Laster benötige. Das spart vor allem Sprit."

Der 2012 gestartete Feldversuch ist auf fünf Jahre angelegt. Danach will der Bund über eine Zulassung entscheiden. Er ist dabei aber auf die Zustimmung der Länderkammer angewiesen.

... das leidige Parkplatz-Problem: Bei einer Pause an der Rastanlage Sindelfinger Wald (A 8/A 81) steigt beißender Urin-Geruch in die Nase. Viele Fahrer erleichtern sich gerne mal am eigenen Hinterreifen, statt das WC aufzusuchen. Viel größer als das Geruchsproblem ist aus Sicht von Fahrer Martin Brander aber die zu geringe Zahl an Stellplätzen. "Wenn alles voll ist, bin ich zum Weiterfahren gezwungen, obwohl ich laut Vorschrift Pause machen müsste." Zwar habe sich die Situation etwas entspannt, da einige neue Stellplätze gebaut worden seien. Die könnten aber nur bedingt mit dem starken Wachstum auf der Straße standhalten.

Hermann verspricht weitere Abhilfe. Bis 2017 sollen in Baden-Württemberg 1400 zusätzliche Stellplätze entstehen. Dass es so langsam vorangehe, habe einen Grund, erklärt er. "Die Genehmigungsverfahren sind so langwierig, wie wenn sie eine neue Autobahn bauen." In puncto Sicherheit kann er keine Versprechungen machen. Die Branche klagt seit Langem über eine wachsende Zahl von nächtlichen Übergriffen.

... Tempo 60 oder 80: Das Thema, das die Lkw-Fahrer wohl am meisten umtreibt. Auf Bundesstraßen gilt generell Tempo 60, die Fahrer und ihre Auftraggeber hätten gerne Tempo 80. "Das bremst uns erheblich aus, sorgt für Staus und Verspätungen", klagt Brander-Beifahrer Hermann seine Alltagssorgen. Branders Chef springt ihm bei: "Tempo 80 würde helfen, den Verkehr zu homogenisieren. Außerdem wären riskante Überholmanöver durch Autofahrer dann seltener."

Hermann lächelt milde, ehe er widerspricht: "Wenn die Lkw 80 fahren, wird genauso überholt." Prognose: Mit ihrem Ansinnen wird die Branche wohl nicht nur an einem Verkehrsminister von den Grünen scheitern.

... das Verhältnis zwischen Lkw- und Pkw-Fahrern: Es gehört zu den Unsitten auf Deutschlands Straßen, dass sich Autofahrer, Lkw-Fahrer, Radfahrer und Fußgänger zueinander verhalten, als befänden sie sich im Krieg. Die Abneigung zwischen Auto- und Fernfahrern beruht dabei auf Gegenseitigkeit. Was die Brummi-Fraktion partout nicht verstehen will: "Warum muss ich alle fünf Jahre zum Gesundheits-TÜV, werde auf alles Mögliche getestet, während man als Autofahrer fahren darf, bis man tot hinterm Steuer umkippt?", fragt sich Martin Brander.

Hermann muss lange überlegen, bevor er sich um eine klare Antwort windet. Er redet von "freiwilligen Sicherheitschecks", die er älteren Autofahrern anbieten wolle und dass man dafür Sorge zu tragen habe, "dass die Sensibilität für dieses Thema wächst". Der Minister ist ein gebranntes Kind: Mit der Forderung nach verbindlichen Gesundheitstests für ältere Semester hat er vor ein paar Jahren mal böse Prügel bezogen. Jetzt hält er sich lieber zurück.