"Ebbes goht immer": Dietlinde Elsässer und viele andere und Weggefährten haben gratuliert. Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: 40 Jahre Lindenhof sind die Geschichte eines Traums von vier jungen Leuten, der längst Wirklichkeit geworden ist

Lieber online als gar nicht: 40 Jahre Theater Lindenhof sind mit einem Festakt auf der Internet-Plattform YouTube gefeiert worden. Es war ein mehr als zweistündiges Spektakel mit vielen Grußworten, Glückwünschen und Erinnerungen an einen Traum, der Wirklichkeit geworden ist.

Burladingen-Melchingen. Damals, 1981, hatten vier junge Leute das alte Gasthaus Lindenhof in Melchingen gekauft und ein kleines Unternehmen gegründet. Drei von ihnen – Uwe Zellmer, Bernhard Hurm und Stefan Hallmayer – erinnerten sich im Gespräch mit Simone Haug an die Zeit nach dem "Deutschen Herbst" und an ihre Überzeugung, mit Theater etwas bewegen zu können. Man habe zunächst in den Räumen des LTT in Tübingen geprobt. Dann sei der "typisch schwäbische Wunsch" gewachsen, ein "eigenes Häusle" zu erwerben. Es war das alte Gasthaus in Melchingen, einem "Dorf mit 850 Seelen, ein Zehntel davon Türken". Und es war, wie Hallmayer, der damals gerade mal 18 war, sich heute erinnert, "eine Form der Emanzipation, eine große Befreiung, etwas in diese Richtung machen zu können". Absicht sei es von Anfang an gewesen, "schwäbische Mundart auf die Bühne zu bringen, als Poesie, als vollständige Sprache zu etablieren", sagt Uwe Zellmer.

Die drei Lindenhof-Urgesteine erinnern sich auch daran, dass die Anfänge stark geprägt waren vom Kampf ums Überleben, den Bemühungen, das Haus zu halten: "Es war ziemlich knapp." Die Höhepunkte? Die "Hexe", sagt Zellmer. "Kenner trinken Württemberger", und die Frühform des "Dohlengässle". Dann hatte der Lindenhof bei einem Gastspiel in Friedrichshafen 2500 Zuschauer, das Sommertheater in Tübingen mit "Hölderlin. Tübingen. Turm" wurde zum Erfolg – trotz aller Befürchtungen auf Seiten der Hölderlin-Gesellschaft. "Wir hatten auch intellektuell etwas zu bieten. Wir haben gemerkt, wir werden ein Theater." Die Brücke zwischen ländlichem Raum und Großstadt war geschlagen. Und der Erfolg hielt an. Den "Entaklemmer", erinnert sich Hallmayer, habe man in Friedrichshafen in einem Zelt aufgeführt, das für 700 Zuschauer ausgelegt war. Hineingezwängt hatten sich 1000: "Wir haben das Lachen des Publikums als Druckwelle auf der Bühne gespürt."

Dietlinde Elsässer, auch eine Protagonistin der Anfangsjahre, derzeit solo unterwegs mit einem "Corona-Format", meint angesichts der Pandemie: "Ebbes goht immer." Und Ida Ott, die wie sie schon in den Anfangsjahren dabei war, meint: "Theater kann Sehnsucht erwecken nach einem anderen Zustand von Welt – und das ist jetzt nötiger denn je."

In den 1990er-Jahren sei man viel unterwegs gewesen, erinnert sich Stefan Hallmayer: "Kein Format ist uns fremd, kein Spielort unmöglich, kein Stoff heilig." Simone Haug verweist auf ein Netzwerk von mittlerweile mehr als 20 Partnerstädten, "ein einzigartiges Modell des Regionaltheaters".

Bei den Auftritten in der "Pausa"-Halle in Mössingen mit dem "Dorf im Widerstand" oder dem "Aufstieg und Fall einer Firma" habe man gelernt, in neuen Dimensionen zu denken. Preise hat es gegeben, unter anderem bei Festivals in Stuttgart und Hamburg. Aus einem Verein wurden zwei, das Theater ging mittlerweile in eine Stiftung über.

Auch Susanne Hinkelbein, Psychologin, Komponistin, Regisseurin und Autorin, von der unter anderem die Bühnenmusik zum "Bauernsterben" stammt, hat das Lindenhof-Theater über viele Jahre begleitet. In einem spaßigen Beitrag mit Klavierbegleitung erinnert sie sich, wie sie vor 30 Jahren auf einem Traktor übers Melchinger Rathaus geflogen ist.

Heiner Kondschak, langjähriger Weggefährte, gratuliert mit einem Lied über das Älterwerden und die Liebe, die nicht endet. Geschrieben hat er es in seinem Ofterdinger Garten geschrieben, aufgezeichnet zusammen mit Hanna Herrlich im Reutlinger Theater. 150 Auftritte habe der Musiker und Komponist im Jahr gehabt, im vergangenen Jahr nur einen einzigen. Dafür habe er "zwei Dutzend Lieder über die Liebe" geschrieben, verrät Stefan Hallmayer.

Viele freischaffende Künstler, Kostüm- und Bühnenbildner, Regisseure sind mit der Geschichte des Lindenhofs verbunden: Begegnungen, Freundschaften, ein Stück gelebtes Volkstheater. Manch einer von ihnen gratuliert, zusammen mit Bürgermeistern, Politikern, Kunst- und Kulturwissenschaftlern. Dazwischen gibt es Bilder und kleine Sequenzen aus den Aufführungen der vergangenen 40 Jahre. Der Lindenhof habe Melchingen "mit geprägt zu einem offenen, freigeistigen Volk auf der Alb", schreibt die Melchinger Ortsvorsteherin Waltraud Barth-Lafargue.

Wie sieht die Zukunft aus? Ein "poetisch-kritisches Volkstheater" soll es bleiben, streitbar, verbunden durch die Liebe zum Theater. Regisseur Philipp Becker spricht von Gegenwartsbewältigung durch radikale Vielfalt, vom Theatermachen zur Gegenwartsbewältigung. "Theater", sagt er, "stiftet die Menschen zur Begegnung an. Theater ist systemrelevant."

Es zeigte sich, dass ein Online-Auftritt auch Vorteile hat: Gut 200 Karten waren verkauft worden. In die Kulturscheune hätten gerade mal 50 Zuschauer gepasst.