Jung, gut ausgebildet, lebenslustig, Fasnetsnarr und Hundefreundin: Kamila Novak soll in den Gemeinderat nachrücken. Foto: privat Foto: Schwarzwälder Bote

Kommunales: Stühlerücken in der Öko-Fraktion / Eine 23-jährige Neubürgerin und Wirtschaftsrechtlerin will an den Stadtratstisch

Die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung birgt eine Überraschung. In der Fraktion der Grünen soll es ein Stühlerücken geben. Christine Lorenz-Bühl will ausscheiden und für sie soll die Steuer- und Wirtschaftsrechtlerin Kamila Novak nachrücken.

Burladingen. Vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderates, der Lorenz-Bühl aus dem Ehrenamt ziehen lassen und gegen Novak keine Hinderungsgründe feststellen darf, würde die gebürtige Ukrainerin Novak den Altersdurchschnitt des Gremiums hübsch nach unten drücken. Denn die derzeitige Finanzbeamtin auf Probe ist gerade mal 23 Jahre alt. Und das junge Menschen wie sie sich parteipolitisch so sehr engagieren, das dürfte man wohl quer durch die Fraktionen gut heißen. Denn: Es ist selten geworden, heutzutage.

Das sagt die blutjunge Burladinger Neubürgerin sogar selber über die Macken ihrer Generation. "Eine Meinung hat jeder", urteilt sie beim Exklusiv-Gespräch mit unserer Redaktion. "Aber wenn es darum geht, ein Ehrenamt zu übernehmen, sich parteipolitisch zu binden, dann schrecken fast alle zurück. Unsere Zeit ist kurzlebiger geworden, alle wollen spontan sein und sich über so viele Jahre zu binden, das wollen die jungen Menschen dann meistens halt doch nicht."

Und das, so findet Novak, obwohl die Jugendlichen möglicherweise politischer sind, als die Generation vor ihr. Sie sind auch nicht untätig, sondern oft anderweitig engagiert: Bei Fridays for Future zum Beispiel als Blogger wie Rezo der mal kurz eine ganze Nation durchrüttelte weil den etablierten Parteien der Atem stockte über sein Zerstörungsvideo mit den vielen Klicks oder wenn es jungen Leuten um das Auflehnen gegen die Wegwerfgesellschaft geht und sie deshalb politisch korrekt Einkaufen bei Lebensmitteln oder Kleidern oder eben auch wenn sie sich bei den Themen Mobilität und eigenes Auto oder ÖPNV Gedanken machen.

Eins wird nach wenigen Sätzen klar in dem Gespräch mit der jungen Frau: Klischees über die Grünen bürstet sie herrlich gegen Strich. Wer bei der Ökopartei an sich selbst mit veganem Essen kasteiende, strickende und stillende Frauen im lila Jumpsuit und Birkenstockschuhen denkt, der dürfte von Kamila Novak total überrascht sein. Denn sie zerschreddert derlei Vorstellungen komplett.

"Hatte gleich viele Freunde"

Und wer nachfragt wird das Gefühl nicht los – sie zerschreddert sie gerne. Denn statt um sonnenblumengarnierte Wohlfühl-Floskeln geht es im Leben der 23-Jährigen um harte Fakten und nachprüfbare Zahlen. Ihren Job hat sie von der Pike auf gelernt, Steuer- und Wirtschaftsrecht studiert und sich nach äußerst erfolgreichem Abschluss ihres Studiums nun vom Reutlinger Finanzamt anheuern lassen.

Mit dem Thema Migration hat sie ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. Als sie sechs Jahre alt war, zogen die Eltern mit ihr von der Ukraine nach Deutschland, wohnten zuerst in Mössingen. Dort wurde Kamila Novak eingeschult: "Ich habe mich gleich total wohlgefühlt", sagt sie und winkt auf die Frage nach dem schwierigen Start ohne Deutschkenntnisse gleich mal ab. "Als Kind lernt man eine Sprache doch so schnell. Ich hatte gleich so viele Freunde, habe viel gelesen und viel Ferngesehen, da ging das rasch." Als in Amerika Trump zum Präsidenten gewählt wurde, trat sie als Reaktion auf das in Europa für viele Unfassbare bei den Grünen ein, wurde kurz darauf Kassiererin im Ortsverband Steinlach-Wiesaz.

2019, Kamila Novak hatte inzwischen einen kleinen Bruder und die Familie war zu viert, suchten Novaks Eltern ein größeres Haus, wurden in Burladingen fündig und zogen in die Fehlastadt. "Ich habe da ja noch studiert und bin deshalb mit eingezogen und bis heute hier geblieben", sagt sie über ihr Zuhause bei den Eltern und dem zehnjährigen Bruder.

Ihre Eltern hätten sie immer unterstützt, auch wenn sie manchmal bedenken anmeldeten weil die ehrgeizige Tochter mit Studium und Ehrenamt, politischem Engagement und Hobbys – wie dem Hund und der Pfullinger Fasnet – sich Einiges zumutete. Aber ja, längst seien sie stolz auf ihre Tochter, die aus einem schwierigen Start in Deutschland das bislang Beste gemacht zu haben scheint.

Natürlich ließ Kamila Novak sich aufstellen, als die Grünen in der Fehlastadt als Reaktion auf einen AfD-Bürgermeister eine Liste zusammenstellten. Da war sie gerade mal einige Wochen in Burladingen. "Nie hätte ich damit gerechnet, dass ich so ein Wahlergebnis bekomme, dass ich gleich erste Nachrückerin würde", gibt sie sich erstaunt.

Und das viele ihr sagen, sie sei eigentlich keine typische Grüne, das kommentiert sie nur mit einem Lachen. "Die Grünen sind halt eine Partei mit vielen unterschiedlichen Meinungen, da gibt es viele unterschiedliche Typen und viel demokratischen Diskurs."

Im Übrigen, so findet sie, gäbe es heutzutage auch den typischen SPD’ler oder CDU’ler nicht mehr. Die Themen würden schließlich oft quer zur Gesellschaft liegen und da müsse sich jeder einzelne dran orientieren. In der Kommunalpolitik, so meint die 23-Jährige könne man doch noch am meisten erreichen. So direkt vor der Haustüre mitreden und mitentscheiden über das unmittelbare Lebens- und Wohnumfeld. Und da seien Erfolge doch auch viel schneller zu sehen, als auf Landes- und Bundesebene.

Zumindest auf Kreisebene mischt sie aber auch schon mit. Ist im Kreisvorstand der Partei und in ihrer Fraktion in Burladingen wurde sogar in Erwägung gezogen, dass sie von Manfred Knobloch den Fraktionsvorsitz übernimmt. Aber das alles nur, wenn der Gemeinderat tatsächlich "ja" sagt, zum Grünen-Stühlerücken in der Gemeinderatssitzung am kommenden Donnerstag.