Blick auf die derzeitige Burg Hohenzollern. Foto: Klaus Stopper

Kriege und Katastrophen. War 2023 ein Krisenjahr? Wie sieht das in Hechingen aus? Manchmal hilft hier ein historischer Vergleich. Vor genau 600 Jahren hatte man an Silvester in der Grafschaft Zollern wenig Grund zu feiern. Die Burg wurde gerade zerstört.

Zum Jahreswechsel 1423 auf 1424 herrschte Tristesse in der Grafschaft Zollern. Mannschaften von 18 schwäbischen Reichsstädten waren gerade dabei, die Mauern der Zollerburg abzutragen und sie dauerhaft unbewohnbar zu machen.

Die Kriegshandlungen in Hechingen waren vorbei, die Folgen blieben. Die Bevölkerungszahl war so niedrig, wie seit dem frühen Mittelalter nicht mehr. Bauernhöfe standen leer, die Grafschaft lag verwaist. Der Graf von Württemberg hatten das Sagen in der Region. Die Zollergrafen waren am Tiefpunkt.

Ursache für diesen Niedergang war ein Erbschaftsstreit der beiden zollerischen Grafenbrüder, Friedrich der Öttinger und Eitelfriedrich gewesen, der so erbittert geführt wurde, dass die Existenz ihres Grafenhauses gefährdet war. Schulden aus früheren Fehden, die für ihre Vorväter ungünstig ausgingen, hatten sie geerbt, und dann noch selbst weiter Schulden gemacht.

Öttinger löst Problem durch Raubrittertum

Der Öttinger löste sein Finanzproblem, indem er Raubritter wurde. Unter anderem nahm er Rottweiler Bürger gefangen und kerkerte sie auf der Burg ein. Die Stadt Rottweil nahm dies nicht hin und rief im schwäbischen Städtebund den Bündnisfall aus. 18 Reichsstädte beteiligten sich, im Sommer 1422 umschloss eine Truppe aus zumeist angeheurerten Kriegsleuten aus ganz Süddeutschland den Zollernstammsitz.

Ihr Tross lagerte im Kloster Stetten und lebte nicht schlecht. Die Kriegsleute hatten also wenig Interesse an einer schnellen Erstürmung der Burg. Sie bauten Balustraden und Holztürme außerhalb der Burgmauern, dazu große Schleudern, mit denen schwere Steinen auf die Außenmauern der Burg geschossen wurden.

Die Burgbesatzung warf Steine oder schüttete Pech auf die Angreifer. Es gab Ausfälle über geheime Ausgänge. Aber der Widerstand wurde schwächer, die Belagerer hatten Armbrüste mit Pfeilen mit eisernen Spitzen im Einsatz und sogar Gewehre mit Schießpulver.

Nur 30 Burgverteidiger überleben Belagerung

Der Öttinger verließ um die Jahreswende heimlich seine Burg. Aber erst am 18. Mai 1423 kapitulierte halbverhungert der Rest seiner Truppe. Nur 30 Männer hatten überlebt, darunter vier Wessinger, die Brüder der Familie Sickinger und Heinz Bogenschütz aus Zimmern. Sie verbrachten die Weihnachtsfeiertage 1423 im Kerker der Stadt Ulm.

Der Öttinger lebte unter der Reichsacht, kein Adliger durfte ihn aufnehmen. Er führte sein Handwerk als Raubritter im Elsass weiter. Eitelfriedrich hatte sich dem Kampf fern gehalten und blieb unbehelligt. Leiden mussten die Einwohner. Sie hatten die Kriegsleute ernähren müssen, was schwer fiel, da sich die Bevölkerungszahl von der Pest zwischen 1348 und 1352 noch kaum erholt hatte. Damals waren bis zu 80 Prozent der Untertanen an der Pest gestorben. Und es waren kleinere Pestwellen gefolgt.

Aus der Ferne sah die Burg Hohenzollern wohl auch vor 600 Jahren noch idyllisch aus, aber das Bild trog. 1423 war sie nach fast einjähriger Belagerung erobert worden, anschließend wurde sie systematisch zerstört. Für die Zollergrafen markierte das einen absoluten Tiefpunkt in ihrer Familiengeschichte. Foto: Klaus Stopper

Dazu kam, dass die Burgbesatzung über geheime Zugänge in den ersten Monaten der Belagerung Lebensmittel von den Untertanen erhielt. Die Belagerer beendeten das, indem sie alle burgnahen Bauernhöfe niederbrannten.

Die Grafschaft von Zollern war schon vor diesem Konflikt geschwächt gewesen. Der Krieg mit dem verwandten Grafenhaus von Hohenberg ging verheerend aus. 1267 bei Haigerloch und 1286 bei Balingen fanden Gemetzel statt. König Rudolf von Habsburg griff ein und wies den Zollergrafen zurecht. Er verlor die Städte Binsdorf und Schömberg, ebenso die Balinger Raumschaft und das Eyachtal.

Mini-Grafschaft wurde 1344 nochmals geteilt

Die Grafen von Zollern beherrschten nur noch das Hechinger Umland mit Bisingen, Burladingen, Mössingen und Belsen. Und diese Mini-Herrschaft wurde 1344 zwischen Friedrich, dem Schwarzgrafen, und Friedrich, dem Straßburger, geteilt.

Dass sich der Straßburger an Streitigkeiten mit der Stadt Straßburg beteiligte und um 1380 Vieh stahl, hatte ebenfalls bittere Folgen. Die Straßburger nahmen kurzerhand die Stadt Hechingen ein. Der Rückkauf kostete den Straßburger alle finanziellen Reserven, er starb 1401 hoch verschuldet. Der Schwarzgraf starb 1412. Das Erbe für den Öttinger und Eitelfritz war also mickrig.

Schulden aufgenommen – aber nicht zurückgezahlt

Der Öttinger trat zunächst in den Dienst der Schweizer Stadt Zürich, verdiente dort aber zu wenig, um einen Hofstaat zu finanzieren, wie dies sein Rang im Adelskollegium von Schwaben erfordert hätte. Mit seinem Bruder Eitelfriedrich nahm er neue Schulden auf, zurückgezahlt wurde nicht, es gab Auseinandersetzungen, Höfe wurden niedergebrannt.

Der Öttinger legte sich auch mit der Stadt Rottweil an, stahl dort unter anderem Vieh. Das königliche Hofgericht zu Rottweil sprach ihm daraufhin seinen Besitz ab und gab ihn an Volkart von Ow zu Bodelshausen, einem Schuldner der Grafen, weiter. Der verkaufte ihn an den Grafen Eitelfriedrich. Ein Bruderstreit entbrannte, mit den bekannten Folgen.

Die Zerstörung der Burg 1423 markierte einen Tiefpunkt. Das Ansehen der Zollern lag am Boden, im Herzogtum Schwaben spielten sie lange nur noch eine Nebenrolle, und es dauerte Jahrhunderte, bis sich die Region davon wieder erholt hatte.