Für die Krebsforschung werden die Registerdaten des RKI von großer Bedeutung sein. Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Ein zentrales Krebsdatenregister erfasst klinische Verlaufsdaten von Krebserkrankungen aus allen Bundesländern. Der entstehende Datenschatz ist für Wissenschaft und Pharma-Industrie von großer Bedeutung.

Die Grundlagen für die datengestützte Krebsforschung in Deutschland verbessern sich in diesem Jahr ganz erheblich. Ab Sommer werden erstmals klinische Verlaufsdaten von Krebserkrankungen aus allen Bundesländern zentral im Krebsregister erfasst, das vom Robert-Koch-Institut (RKI) geführt wird. Dann wird nicht nur möglich sein, zu sehen, wo welche Krebserkrankungen auftauchen, sondern auch, wie und mit welchem Erfolg sie behandelt werden. Damit wird statistisch erkennbar, welche Therapien besonders erfolgreich sind.

Bislang wenig Interesse der Pharma-Industrie

Grundlage für die zentrale – natürlich anonymisierte – Erfassung von jährlich mindestens einer halben Million Fällen und ihrer Verläufe ist eine aus dem Jahr 2021 stammende Reform des Gesetzes zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten. Damit das Gesetz umgesetzt werden konnte, waren längere Vorarbeiten in den Ländern notwendig. Seit März 2023 laufen nun beim RKI die Datensätze aus den Ländern für die Jahre 2020 und 2021 ein.

Für die auf die Auswertung von Daten basierende Forschung ist das durchaus ein Quantensprung. Bislang nämlich lagen zentral für ganz Deutschland nur sogenannte epidemiologische Daten vor. Die waren zwar durchaus nicht uninteressant, aber längst nicht so aussagekräftig. Epidemiologische Daten geben nämlich nur an, welche Krebsarten in welcher Häufung wo aufgetreten sind. Über den Behandlungsverlauf sagen sie nichts aus. Deshalb wurden die Daten auch seitens der forschenden Pharma-Industrie nicht besonders intensiv nachgefragt. Von 28 bewilligten Anträgen in einem Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr kamen nur drei aus der Pharmaindustrie.

„Positive Auswirkungen für den Pharma-Standort“

Das könnte bald anders werden. „Bislang liefern uns die im Krebsregister erfassten Daten noch zu wenig Informationen“, sagt Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) unserer Zeitung. „Die epidemiologischen Daten bilden das Krebsgeschehen ab. Die Erfassung ist eine wichtige Grundlage, aber für Forschungszwecke, gerade in Hinblick auf die Entwicklung neuer Medikamente und Therapien, brauchen wir mehr Wissen: zum Beispiel über Krankheitsverläufe und den Zusammenhang mit den angewandten Formen der Behandlung.“

Die liegen nun bald vor. Kroth freut das. „Wenn diese klinischen Daten nun im Krebsregister erfasst und auch für die Arzneimittelindustrie zugänglich gemacht werden, wird das wertvolle Informationen liefern. Darin liegt eine große Chance.“ Kroth erwartet „einen sehr positiven Effekt für die Forschung, die zu Innovationen, und neuen oder verbesserten Therapien führen kann. Dieser Prozess hätte nicht nur für Patienten, sondern auch für den Pharmastandort Deutschland insgesamt sehr positive Auswirkungen.“

Fortschritt in der Versorgungsforschung

Auch Klaus Kraywinkel, der Leiter des Zentrums für Krebsregisterdaten beim RKI teilt diesen Optimismus. Hoffnungen verbindet er in Hinblick auf zwei Entwicklungen: „Wir erwarten aufgrund des Datenmaterials einen Fortschritt in der Versorgungsforschung“, sagte Kraywinkel unserer Zeitung. Man werde erkennen können, „wie behandelt wird, in welchen klinischen Situationen es unterschiedliche Behandlungswege gibt und bis zu einem gewissen Grad auch, wie erfolgreich sie in der Praxis sind.“ Das sei für die Nutzenbewertung von Medikamenten wichtig. Man könne bald besser sehen,„wie gut sich eine neu zugelassene Arznei in der Praxis bewährt: „Wirkt sie vielleicht besonders gut in Kombination mit einer anderen Therapie, oder für eine bestimmte Gruppe von Patienten?“

Es bestehe aber auch Hoffnung, besser erkennen zu können, wenn eine Standardtherapie in einer bestimmten Situation nicht gut anschlage und eine Alternative aufgrund der vorliegenden Ergebnisse verheißungsvoll erscheine. „Hier kann es wichtig werden, dass wir in den Registern auch für seltene Diagnosen auf vergleichsweise hohe Fallzahlen kommen, während klinische Studien diesbezüglich hier teilweise an ihre Grenzen stoßen“, sagte Kraywinkel.