Keine Absprachen im Wahlkampf, war bislang die Ansage von Grünen und SPD in Baden-Württemberg. In Stuttgart ist dies nun anders. Davon dürfte Grünen-Chef Özdemir profitieren - aber weniger die SPD.
Stuttgart - Im Kampf um die zwei Direktmandate in Stuttgart wollen sich Grüne und SPD überraschenderweise nun doch gegenseitig unterstützen. Die beiden Kreisvorsitzenden, Dejan Perc (SPD) und Philipp Franke (Grüne), legen den Wählern in einer gemeinsamen Mitteilung vom Dienstagabend nahe, im Stuttgarter Süden Grünen-Bundeschef Cem Özdemir zu wählen. Er habe dort bessere Chancen auf ein Direktmandat als SPD-Kandidatin Ute Vogt. Im Stuttgarter Norden empfehlen sie, dem SPD-Kandidaten Nicolas Schäfstoß die Erststimme zu geben - für die Grünen tritt hier Birgitt Bender an.
Franke erklärte, so solle verhindert werden, dass die CDU wieder zwei Direktmandate in Stuttgart bekommt. Im Stuttgarter Süden hatte Özdemir vor vier Jahren knapp das Direktmandat verfehlt. CDU-Mann Stefan Kaufmann bekam die meisten Erststimmen und ist nun fest entschlossen, das Direktmandat zu verteidigen. Die frühere SPD-Landeschefin Vogt lag 2009 abgeschlagen auf dem dritten Platz. Wie das Rennen zwischen Kaufmann und Özdemir jetzt ausgeht, gilt als offen. Während Özdemir von seinem Bekanntheitsgrad profitieren kann, setzt Amtsinhaber Kaufmann auf seinen Heimvorteil in Stuttgart.
Perc sagte der Nachrichtenagentur dpa, es werde keine aktiven Erststimmenkampagne für die jeweils andere Partei geben. Wer aber unsicher sei, wem er seine Erststimme geben solle, werde darauf hingewiesen, dass Özdemir im Stuttgarter Süden beziehungsweise Schäfstoß im Stuttgarter Norden die besseren Chancen habe. Diese Erklärung kommt überraschend, weil es bislang hieß, SPD und Grüne verzichteten auf gegenseitige Wahlempfehlungen im Südwesten.
Der Politikwissenschaftler Reinhold Weber von der Landeszentrale für politische Bildung kritisierte die Absprache zwischen Grünen und SPD. Dem Sender SWR4, Radio Stuttgart, sagte er, dies sei eine Bevormundung der selbstständigen Wähler und kein Gewinn für die Demokratie. „Der Wähler ist intelligent genug, selbst zu entscheiden, und er vergibt seine Stimme so, wie er taktisch vorgehen möchte und welche Koalition er möglicherweise wählt“. Nach seiner Einschätzung geht die Absprache zulasten der SPD. Vermutlich seien mehr SPD-Wähler bereit, für einen Grünen-Kandidaten zu stimmen als umgekehrt. Dies sei ein weiterer Schritt zur Demontierung der SPD im Südwesten.