Die Zeichen in Berlin stehen auf Ampel-Koalition. Foto: Stockfotos-MG – stock.adobe.com

Die Bundesrepublik Deutschland bekommt einen neuen Kanzler, das Kräfteverhältnis in Berlin hat sich geändert. Eine neue Richtung in der Bundespolitik hat auch Auswirkungen für die Kommunen. Was erwarten die Sprecher der Gemeinderatsfraktionen?

Bad Dürrheim - Wolfgang Kaiser, Fraktionssprecher der LBU im Gemeinderat, sieht den Erfolg darin, dass sich Bündnis 90/Die Grünen von der fünftstärksten zur drittstärksten Fraktion verbessern konnte, wenn es auch nicht das Wahlergebnis sei, dass man sich erhoffte. Für Annalena Baerbock und Robert Habeck sieht er keine Konsequenzen aus dem Ergebnis. "Weder im Moment noch perspektivisch. Es ist so, dass ich die inhaltliche Geschlossenheit noch nie so groß erlebt habe wie in den letzten Jahren, und daran ändert sich auch nichts", zeigt er sich überzeugt. Bei den Grünen seien Klärungsprozesse gelaufen, die es bei der CDU nicht gab.

Kaiser: Ökologische Fesseln abstreifen

Für die Kommunen sieht er einige Auswirkungen, beispielsweise im Umwelt- und Energiesektor. Für den Ausbau der erneuerbaren Energien müsse bundesweit Ähnliches kommen, wie im Koalitionsvertrag in Stuttgart stehe. Die Fesseln müsse man lösen, die bewusst und gezielt angelegt worden seien, auch was in diesem Bereich das Investment von Bürgern angehe. Die Kommunen benötigen Unterstützung desweiteren in der Wohnungspolitik und in einer Reihe anderer Bereiche.

Andrea Kanold, Fraktionssprecherin der FDP im Gemeinderat, freut sich über das Ergebnis. Und vor allem auch darüber, dass man stärker als die AfD wurde. Sie sieht die FDP als Zünglein an der Waage in den Koalitionsverhandlungen und als vernünftige Stimme der Wirtschaft. In diesem Sinne zeigt sie sich überzeugt: "Es ist ganz wichtig, dass wir uns wiederfinden", sollte man in der Regierungskoalition sitzen. Aber, bis es soweit ist, findet sie die Aussage von Christian Lindner vernünftig: Zunächst muss die SPD sondieren und danach entscheiden, welche Gewichtung die neue Koalition haben soll. Aber insgesamt müsse man abwarten, was bei der Koalitionsverhandlung herauskomme und somit, was auf die Kommunen an Änderungen zukommt.

Götz: Ergebnis keine Überraschung

Klaus Götz, Fraktionssprecher der Freien Wähler im Gemeinderat, freut es, dass mit Thorsten Frei (CDU) und Derya Türk-Nachbaur (SPD) zwei Kandidaten den Wahlkreis vertreten und gratuliert ihnen. "Von ihnen werden wir sicher gut vertreten." Das Ergebnis sei für ihn nicht überraschend gewesen, er zeigt sich zudem froh über die Verluste bei der AfD, wenn es auch in Bad Dürrheim noch Wahlbezirke mit hohem AfD-Wähleranteil gebe.

Was auf die Kommunen zukomme, hänge von der Konstellation in der Koalition ab. Bei einer Jamaika (schwarz-grün-gelb) werde es eher wenig Veränderungen geben, bei einer Ampel (rot-grün-gelb) erwartet er Mehrausgaben für die Kommunen in den Bereichen Soziales, Schule und Kinderbetreuung. Er erwartet dann aber auch von der Bundesregierung, dass entsprechende Mittel dafür bereitgestellt werden.

"Es ist natürlich schon sehr enttäuschend, dass die CDU auch im Stadtgebiet deutliche Verluste hinnehmen musste", erklärt Heinrich Glunz, Gemeinderatsfraktionssprecher der CDU. Mit Thorsten Frei habe man aber einen exzellenten und professionellen Kandidaten. Die CDU müsse sich aber überlegen – auch bei Wahlentscheidungen – ob man Personalentscheidungen der Basis und der Wählerschaft auch künftig überstülpt. "Die CDU erhebt zu Unrecht den Anspruch auf eine mögliche Kanzlerschaft", zeigt er sich überzeugt, und: "Ich denke, man sollte sich der Situation stellen und hier inhaltlich eine Erneuerung der Partei angehen."

Egal wer letztlich die Regierung stelle, Vorgaben werden teurer. Er erwarte aber – wie sein Kollege Klaus Götz – dass die Regierung die finanziellen Mittel zur Verfügung stelle. Als Beispiel führte er die Kinderbetreuung an. Wenn man die U-3-Betreuung ausweiten müsse, werde man bauen müssen. Gleiches gelte im Bildungsbereich für die Realschule. Man müsse bei den Haushaltsberatungen sehr sorgfältig mit den finanziellen Mitteln wirtschaften. "Das eine oder andere muss auf den Prüfstand." Er freut sich für seine Gemeinderatskollegin Derya Türk-Nachbauer und gratuliert ihr zu ihrem Mandat.

Und die frisch gebackene SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur selbst? "Ich freue mich riesig!" Der Einsatz habe sich gelohnt, und sie dankt auch vor allem den Bad Dürrheimer Wählern. Für die Kommunen sieht sie in den kommenden Jahren unter einem Kanzler Olaf Scholz eher Entlastungen, da es neue Ideen für medizinische Vorsorge gebe, die SPD Förderungen für Breitband und den ländlichen Raum im Programm habe sowie einiges mehr.

Ihr Gemeinderatsmandat will sie auf jeden Fall behalten, denn dadurch habe sie die Verbindung zu den Menschen und könne deren Anliegen nach Berlin tragen. Wahrscheinlich werde sie nicht mehr bei jeder Sitzung dabei sein können, aber es gebe ja auch die Möglichkeit der Hybridsitzungen. Bereits diese Woche muss sie sich entschuldigen, denn am Montagabend geht es nach Stuttgart, von dort aus mit dem Nachtzug nach Berlin.

Am Dienstag steht in der Hauptstadt die große Fraktionssitzung an mit der alten und neuen Fraktion, eine nur mit Mitgliedern der neuen Fraktion, eine mit den Abgeordneten aus Baden-Württemberg, und dann schließt sich die Einführungswoche für neue Abgeordnete an.