Die Bürger zeigten großes Interesse an der Kandidatenvorstellung, sie kamen in Scharen. Foto: Dold

"Alle drei Personen haben ihre Vor- und Nachteile", meinte eine Lauterbacherin nach der Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl. Die Menschen waren sehr gespannt, um sich ein Bild von den Kandidaten zu machen.

Lauterbach - Eins wurde schnell klar: Das Interesse ist riesig. Knapp 400 Bürger strömten in das Gemeindehaus. Unten waren alle Plätze belegt, sodass auch auf der Empore bestuhlt werden musste. Ein Platz blieb hingegen frei: Bewerber Samuel Speitelsbach hielt es nicht für nötig, zur Kandidatenvorstellung zu kommen – und dürfte damit schon aus dem Rennen sein.

Zentrale Aussagen

Die zentralen Aussagen der drei Kandidaten lauteten wie folgt: "Der Knackpunkt ist der Einwohnerschwund. Hier müssen wir gegensteuern", sagte Jürgen Leichtle. Michael End hingegen verwies mehrfach auf sein Konzept eines professionellen Bürgerworkshops, um die Einwohner bei der Lösung von Probleme einzubinden. Sibylle Zerr sah sich als künftige "Frau Häuptling" von Lauterbach mit einem offenen Ohr, die viele Vorschläge zur Verbesserung parat hatte.

Bürgermeister Norbert Swoboda begrüßte die Besucher und läutete sogleich die Vorstellungsrunden der Kandidaten ein. Die Reihenfolge richtete sich nach dem Eingang der Bewerbungen. Zudem hatte er einen strengen Blick auf die Uhr: Jedem Kandidaten blieben maximal 15 Minuten, um sich vorzustellen.

Jürgen Leichtle

"Das kann man sich nicht gefallen lassen", sagte Jürgen Leichtle – der bislang noch große Unbekannte für die meisten Lauterbacher – angesichts des Zustands der Straße von Schramberg bis zum Fohrenbühl. Das Regierungspräsidium bleibe stur, Anwohner und Autofahrer würden leiden. Hier werde er als Bürgermeister immer wieder die Abgeordneten kontaktieren.

Bürgerbeteiligung habe er auch bei seiner Tätigkeit als ehrenamtlicher Bürgermeister von Zimmern unter der Burg groß geschrieben. Zudem habe er dort Erfahrungen gesammelt, wie ein Rathaus arbeitet. Fortgebildet habe er sich in den Bereichen Haushalts- und Gewerberrecht sowie als Standesbeamter. "Bürgermeister ist seitdem mein Traumberuf geworden", sagte er. Dazu passte auch das eher klassische Outfit mit Anzug und Krawatte. Sein Amt in Zimmern werde er im Falle einer Wahl in Lauterbach niederlegen, versicherte er.

Eine Pro-Kopf-Verschuldung von 1524 Euro sei kein Pappenstiel. Lauterbach müsse sparen und zugleich Gewerbe anlocken oder zumindest halten und Zuschüsse generieren.

Mehrgenerationenhaus angedacht

"Der Einwohnerschwund muss gestoppt werden", forderte er. Sonst gefährde man Nahversorgung, Kindergarten und Schule und erhalte weniger Geld vom Land. Vorstellen könnte er sich ein Mehrgenerationenhaus und den Bau eines Fernwärmenetzes. Zudem wolle er das Ehrenamt unterstützen.

Corinne Blessing wollte anschließend wissen, wie Leichtle neue Einnahmequellen erschließen wolle. "Da der Platz durch die Tallage begrenzt ist, könnte ich mir die Ansiedlung von Softwarefirmen vorstellen, die weniger Fläche brauchen", so der Kandidat.

Martin Veith hatte über Jürgen Leichtle "geforscht". "Stimmt es, dass Sie SPD-Mitglied waren?", fragte er, was Leichtle bejahte. Zudem kritisierte Veith, dass Leichtle erst Bürgermeister in Zimmern bleiben wollte – und hier seine Meinung geändert habe. "Was denken da die Zimmerner?", fragte er sich. Außerdem verwies Veith auf die Bürgermeisterwahl 2018 in Bahlingen am Kaiserstuhl, wo Leichtle antrat und gegen den Amtsinhaber 14 Prozent der Stimmen holte. Bewertung: Jürgen Leichtle zeigte sich nüchtern-sachlich und kam einem "klassischen Bürgermeisterkandidaten" mit bereits etwas Verwaltungserfahrung am nächsten

Michael End

Der Wirt des "Turms" nutzte seine Redezeit als Einziger nicht komplett aus, dafür war sein Vortrag energiegeladen. "Am 19. August habe ich mich zur Kandidatur entschieden, da ich in Lauterbach und seinen Bürgern großes Potenzial sehe", sagte er in Hemd und Lodenjacke. Lauterbach dürfe nicht mehr mit dem "sterbenden Dorf" in Verbindung gebracht werden.

Zentraler Baustein seines Konzepts war ein professioneller Bürgerworkshop. Dieser könne nahezu sämtliche Bereiche vom Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bis zum Tourismus abdecken, so Michael End. "Erste Priorität hat ein funktionierender Nahversorger", sagte er.

Sich selbst beschrieb er als Macher, der Visionen umsetzt und verwies auf mehrere Projekte, die er am "Turm" verwirklicht hatte – wie das Genießer-Bierwegle, standesamtliche Trauungen und die Nutzung des Turms als Galerie. Den "Turm" werde er als Bürgermeister zunächst weiter betreiben, allerdings werde er viele Aufgaben an andere Personen abgeben. Das sagte er auf Nachfragen von Stefan Öhler und Ansgar Fehrenbacher, der einen Interessenskonflikt befürchtete.

Zwei Strömungen?

Helga Sewdas prägte ein Bonmot des Abends, indem sie "zwei Strömungen" in der Gemeinde sah – nämlich Lauterbach und Sulzbach. End widersprach hier und sah nur eine Gemeinde. Welche Visionen End für Lauterbach habe, wollte sie wissen. Hier verwies End wiederum auf den Bürgerworkshop, dem er nicht vorgreifen wolle. Er wolle aber die leeren Schaufenster wiederbeleben.

Helmut Fehrenbacher fragte, ob es kein Nachteil sei, dass End keine Verwaltungserfahrung habe. Er sei Betriebswirt, so End, und das neue kommunale Haushaltsrecht sei beispielsweise nahe an einer Unternehmensbilanz, sodass er hier keine Probleme sehe.Bewertung: Michael End zeigte sich sehr lebhaft und stellte sich als Betriebswirt sowie zupackender Typ mit Macherqualitäten dar

Sibylle Zerr

Sibylle Zerr brachte nicht nur optische Farbtupfer in die Veranstaltung: Sie redete die Menschen mit dem vertrauten "Ihr" an, während ihre beiden Vorgänger von "Sie" sprachen. Sie wählte einen gänzlich anderen Ansatz. "Als Bürgermeisterin bin ich so etwas wie die Frau Häuptling eines Indianerstammes", sagte sie. "Alleine kann ich nicht stark sein", sagte sie an die Adresse der Lauterbacher. "Zwei Qualifikationen, die ich euch schenken kann: Ich habe Ethnologie und Kunstgeschichte studiert", erklärte sie. Ethnologen sein Menschenexperten und kümmerten sich darum, wie das Zusammenleben gestaltet werden kann.

"Mein Traumjob ist es, Bürgermeisterin der kleinen und streitbaren Gemeinde Lauterbach zu werden", bekannte Sibylle Zerr. Als PR-Beraterin, die seit zehn Jahren in Lauterbach wohnt "und hier ihren Strumpf verloren hat" und den Ort von Kindesbeinen an kennt, sah sie sich als Fachfrau für Kommunikation. Sie habe 20 Jahre für große Unternehmen deren Zukunft geplant.

Automatisiertes Geschäft angedacht

Erfahrungen in der Verwaltung habe sie keine, räumte sie ein, aber sie sei Spezialistin für Kommunikation – und im November wolle sie sich mit einem Kurs in Sachen Verwaltung weiterbilden.

Bei der Nahversorgung konnte sich Sibylle Zerr ein automatisiertes Geschäft oder organisierte Einkaufsfahrten vorstellen. Damit die Lauterbacher nicht weiterhin Richtung Schramberg holpern müssen, werde sie jeden Tag des Straßenbauamt nerven. Zudem könne es nicht sein, dass man zwei Fahrkarten brauche, bis man in Hornberg an den Fernverkehr angeschlossen sei.

Sie setzt auch auf Mikromaßnahmen. Ein Beispiel: "Zwei Frauen haben den Aufgang zum Kreuzfelsen gereinigt – und dabei eine Flasche Sekt getrunken. So etwas muss honoriert werden", sagte Sibylle Zerr.

Was für Potenziale sie sehe, wollte Helga Sewdas wissen. "Alle interessieren sich für den Ort. Wenn ich sehe, dass die Bushaltestelle vom Gemeinderat gebaut wurde: Da wird mir warm ums Herz", sagte Sibylle Zerr.

Katharina Grimm sprach den ÖPNV an. Hier konnte sich die Kandidatin ein Carsharing wie in Schramberg vorstellen. Bewertung: Sibylle Zerr zeigte sich als mitfühlende "Frau Häuptling", die verschiedene Interessen mit ihrem Kommunikationsvermögen austarieren möchte