Kühne Kuppel: Judge Residence von Bernard Judge in Hollywood von 1962, fotografiert von Julius Shulman, nachzulesen in dem Buch im Taschen Verlag. Foto: Copyright: © J. Paul Getty Trust. Used with permission. Julius Shulman Photography Archive, Research Library at the Getty Research Institute / Taschen-Verlag/Julius Shulman

Villen unter Palmen, experimentelle Glashäuser – wie Julius Shulman prächtige Häuser in Kalifornien fotografisch in Szene setzte, zeigt ein opulenter Bildband. Es sind Residenzen eines Architekten aus Stuttgart dabei.

Gute Architektur bereichert das Alltagsleben der Menschen. Doch damit sie als Vorbild taugt, will sie auch bemerkt werden. Und nicht alle Gebäude liegen an den Hauptstraßen oder sind weithin sichtbar.

Hier kommen Architekturfotografen ins Spiel, denn jeder, der schon mal versucht hat, das Besondere eines Gebäudes im Bild festzuhalten weiß, es ist ein besonderer Blick, eine Gabe dafür nötig – ebenso wie bei der Porträtfotografie. Julius Shulman verfügte über diese Gabe des Sehens, er gilt als einer der bedeutendsten und fleißigsten Architekturfotografen der USA.

Wohnen in der Natur

Einige seiner Aufnahmen der in die wuchernde Natur eingebetteten Nachkriegs-Residenzen, die sich an der Bauhaus-Architektur orientieren, sind weltberühmt – so wie Richard Neutras Kaufmann House von 1947 in Kalifornien. Aber natürlich sind nicht alle seiner 6000 (!) Projekte, die Shulman von 1936 bis 1986 fotografierte, so bekannt.

Der Bildband „Julius Shulman – Modernism Rediscovered 1939-1977“ stellt einige seiner Hausporträts in Text und Bild vor, außerdem öffentliche Bauten. Technische Detailaufnahmen finden sich ebenso wie Bilder, die das Gebäude in seiner Umgebung – beneidenswert viel Natur, parkähnliche Gärten – darstellen.

Sie alle zeigen, wie der 1910 in New York geborene und 2009 im Alter von 98 Jahren in Los Angeles gestorbene Fotograf das Wesentliche erfasst, dass die Architektur jener Zeit die Natur in die Planung integriert. Die Fotografien dokumentieren auch die damalige Technikbegeisterung der Architekten.

Klimawandel und durch viel Glas aufgeheizte Innenräume waren damals kein Thema. Allerdings wurde an Sonnenschutz schon gedacht. Bei dem spektakulären Glaskuppelhaus von Bernard Judge von 1961 schützte die Hanglage und ein festes Sonnensegel, vor Nachmittags- und Abendsonne.

Unter den Objekten sind einige von einem Architekten, der in Stuttgart gut bekannt ist: Paul László. Er zog nach seinem Studium in Wien nach Stuttgart. 1932/1933 entwarf er mit der Architektengemeinschaft E. Kiemle, P. Weber ein Doppelhaus mit flach geneigtem Walmdach 1932/1933 in der Eduard-Pfeiffer-Straße 53 und 55.

Der 1900 in Debrecen, Ungarn, geborene Architekt mit jüdischen Wurzeln hatte sich in Europa einen Namen gemacht, und er war so klug, 1936 das nationalsozialistische Deutschland zu verlassen und in die USA zu emigrieren.

Er ließ sich in Beverly Hills nieder und entwarf auch für Hollywood-Berühmtheiten luxuriöse Einfamilienhäuser. Das „Time-Magazine“ beschrieb ihn in einem Artikel im Jahr 1952 als „den Architekten der Millionäre“. Er starb 1993 in Santa Monica, Kalifornien.

Sein eigenes Haus in Beverly Hills von 1955 ist im Buch zu entdecken ebenso wie die László Residence in Brentwood aus dem Jahr 1948. Diese Villa ist L-förmig angelegt, lässt viel Helligkeit ins Haus und verfügt über Terrassen mit überdachter Gartenveranda.

Terrassen und Palmen

Die Grenze zwischen Innen und Außen verschwimmt bei vielen der bis heute zeitlos modern wirkenden Häuser mit ihren hohen Räumen und großzügigen offen geschnittenen Raumaufteilungen – so etwa bei der „Hayes Residence“ von Raymond Kappe. Jedem Raum sind Terrassen oder Holzdecks vorgelagert. Die Dachbalken kragen weit über die Fassaden aus. Wenn Sonnenlicht durch das Lattenwerk dringt, ergeben sich geometrische Muster auf dem Boden.

Ebenfalls Natur und Architektur zusammengedacht hat Emerson Stewart Williams bei de Edris Residence in Palm Springs von 1954. Das Haus mit asymmetrisch flachem V-Profil des Dachquerschnitts steht auf einem mit Findlingen übersäten Grundstück mit spektakulärer Ausblick, die vom Wohnraum mit bodentiefen Fenstern zu genießen ist.

Architekt William Pereira wiederum hat sein eigenes Domizil in Los Angeles 1962, ein Beispiel für den kühlen International Style so geplant, dass die alten Palmen auf dem Grundstück erhalten blieben. Die Villa auf dem 1580 Quadratmeter großen Grundstück existiert bis heute – es wäre eine Reise wert zu schauen, wie sie und andere Bauwerke sich heute unter der Sonne Kaliforniens machen.

Info

Das Buch
Julius Shulman – Modernism Rediscovered 1939-1977 von Pierluigi Serraino, Peter Gössel (Hg.), erschienen im Taschen Verlag, 576 Seiten, 30 Euro. Texte auf Deutsch, Englisch und Französisch. www.taschen.com