Spitzenkoch Rolf Straubinger (re.) dekoriert die Teller, die Kollegen staunen. Quelle: Unbekannt

Spitzenköchen auf die Finger schauen und zwanglos schlemmen: Küchenpartys sind schwer im Trend.

Stuttgart - Spitzenköchen über die Schulter schauen, dabei noch Tipps für die eigenen Versuche am Herd absahnen, von einem kulinarischen Versprechen zum anderen wandeln und sich dabei zwanglos durch ein Menü der Extraklasse futtern: Das ist der Reiz von Küchenpartys, die gerade schwer im Trend sind.

Beim Fisch geht es manchmal um Sekunden, denn er ist hochsensibel: "Wenn er Eiweißflocken zeigt, ist er übergart", klärt Rolf Straubinger auf, der die Stücke vom Zander perfekt auf den Punkt zubereitet und mit giftgrünem Gurkentapioka und Gurkentagliatelle serviert. Der Meisterkoch, seit 20 Jahren Herr auf Burg Staufeneck (Salach) und ebenso lange mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, ist einer von vier gleichrangig prämierten und renommierten Kollegen, die das Haus Breuninger in seinem Restaurant (Karls)Kitchen für eine Küchenparty aufgeboten hat.

"Die Gäste wollen topfgucken"

Zum Beispiel Franz Feckl (Landhaus Feckl, Ehningen), der die Haute Cuisine einst zusammen mit Straubinger in der unvergessenen Sonne Post in Murrhardt bei Bofingers lernte und heute für den Nachwuchs selbst ein begehrter Lehrmeister ist. Als Garant für eine Küche, die der Michelin seit 1987 regelmäßig mit einem Stern auszeichnet und die er selbst als "bodenständig modern" bezeichnet: "Man muss nicht jedem Trend hinterherlaufen, aber innovativ sein." Sein Menü ohne Kohlehydrate sei ein Renner bei den Gästen, erzählt er, denn man fühle sich danach satt, aber leicht und beschwingt: "Einfach gut." Wie nach seiner hier zubereiteten raffinierten Kombination vom Schwäbischen Milchkalb mit Briesle, Kalbskopf, Haxe und einem Chip vom Kalbsmaul, dazu Artischockenmus und getrocknete Tomate. Ein Genuss ohne den geringsten Dickmacher.

Was für das Dessert aus weißer Schokolade mit Himbeeren von Ernst-Karl Schassberger (Hotel Schassberger, Ebnisee, ein Stern) nicht direkt behauptet werden kann. "Die Gäste wollen topfgucken", weiß Schassberger, der selbst regelmäßig Küchenpartys in seinem Lokal veranstaltet. Ein schöner Brauch soll es auch zweimal im Jahr in (Karls)Kitchen werden, wo Daniel Stübler und Christian Hasse (Küche) und Restaurantleiter Stefan Binz zeigen wollen, was sie neben dem regulären Geschäft "für täglich 1500 bis 3000 Gäste sonst noch draufhaben". Und wer zu seiner ganz privaten Küchenparty einladen will, aber selbst nicht über ausreichend große oder repräsentative Räumlichkeiten verfügt, kann ins oberste Breuninger Stockwerk ausweichen und einen Koch seiner Wahl engagieren: Straubinger, Feckl und Co. sind darauf eingerichtet.

Ein Hauch von Hexenküche

Mit einer marinierten Gänseleber begeistert Nico Burkhardt an diesem Abend. Der neue Küchenchef vom Restaurant Olivo, erst seit kurzem aus dem Hamburger Sterne-Restaurant Süllberg vom Steigenberger Hotel Graf Zeppelin nach Stuttgart geholt, nutzt damit schon die zweite Gelegenheit, sich öffentlich auf die Finger schauen zu lassen. Wie bei der Küchenparty an einem Sonntagvormittag im Feinkost-Unternehmen Frischeparadies, wo der 27-jährige Berliner den Beweis seines Könnens mit einem Seeteufel mit Wildkräutersalat ablieferte. Sein Tipp zum Würzen: Nehmen Sie Zitronenpfeffer.

Claudio Urru findet die Idee eines solchen zwanglosen kulinarischen Events mit mobilen Kochstationen zwischen den Verkaufsregalen wunderbar: "Man ist präsent, hat Kontakt zu seinen Gästen und genießt selbst die Abwechslung", sagt der Küchenchef vom Restaurant Top Air am Flughafen Stuttgart, der zum Menü ein gegrilltes Flanksteak vom American Beef mit dem asiatischen Kohl Pak Choi mit Erdnuss und Limonen-Kokos-Vinaigrette beisteuert. Klingt nach asiatischem Aromaerlebnis, ist aber davon so weit entfernt wie Stuttgart von Peking: "Nein", sagt Urru, "die Crossover-Küche mit Asien-Einschlag ist nicht mein Favorit, als Italiener liebe ich die mediterrane Küche."

Weiße Frostwolken steigen auf

Magisch zieht der Duft von Trüffel die flanierenden und Schlange stehenden Gäste zur Station von Boris Brenecke (Gourmet-Restaurant im Wald- und Schlosshotel Friedrichsruhe), der Steinbutt in marmorierte Ravioli verpackte und mit Pfifferlingen und frischem Trüffel anrichtet. Und Harald Derfuss (Schwabenstube Adler Asperg) erklärt gern, wie und welche Zwiebeln er dämpft für die aparte Gemüsemischung mit Charentais-Melone, die er zu Kalbsfilet und Kräuterpüree reicht.

Um die Station von Armin Karrer wabert ein Hauch von Hexenküche. Weiße Frostwolken steigen auf, wenn der Österreicher Schäumchen aus weißer Schokoladenmousse und komprimierten Erdbeerwürfeln, die an die Holz-Pellets erinnern, in flüssigen Stickstoff legt, knusprig herausholt und auf Löffeln serviert: "Schnell runterschlucken und durch die Nase ausatmen, sonst kommt's bei den Ohren wieder raus", frozzelt Karrer, der in seinem Restaurant Avui in Fellbach konsequent diese "Weiterentwicklung der klassischen Küche zur Erlebnisküche" praktiziert. Mit Menüs aus 20 Gängen, von denen jeder überraschende Geschmacksexplosionen auf der Zunge entfaltet. Damit, so Karrer, wolle er "Emotionen wecken und den Gast wachrütteln". Denn nichts frustriere ihn so wie eine lauwarme Reaktion von Gästen.

Dass ihn selbst wie alle diese Kollegen nicht nur überragendes Können auszeichnet, sondern auch emotionale Begeisterung zu immer neuen Höchstleistungen am Herd antreibt, bestätigt Franz Feckl: "Man muss mit Herz und Leidenschaft kochen."