Damals wichtiges Standbein: das Korso-Fahren. Hier ein Korso-Festumzug 1954 mit Fähnrich Josef Mantel. Archivfoto: RSV Foto: Schwarzwälder Bote

Jubiläum: Unterbränder Verein wird 100 Jahre alt / Früher Korso-Fahren, heute Mountainbike-Trainings

Früher gab es in Südbaden unzählige Radfahrvereine. Ein großer Teil ist mittlerweile von der Bildfläche verschwunden. Nicht so der Radsportverein Unterbränd, der in diesen Tagen sein 100. Jubiläum feiert.

Bräunlingen-Unterbränd. Der Verein erkannte die Zeichen der Zeit und stellte immer wieder rechtzeitig die Weichen für die Zukunft, auch wenn manch Älterer mit Wehmut auf das zurückblickt, was früher einmal war. 90 Jahre lang stand das Korsofahren im Vordergrund, heute sind es lange Mountainbike-Touren, und im örtlichen Heidenloch-Bikepark wird Technik-Training vermittelt.

Als der Verein 1950 reaktiviert wurde, war er zunächst nicht zugänglich für Jugendliche, erzählt Egon Mantel. Er war damals 13 Jahre alt – später wurde er Vorsitzender. Es war Sache der Erwachsenen, die mit dem Fahrrad zu den ersten Korsofahrten in der näheren Umgebung nach Biesingen und Donaueschingen fuhren.

Eine eigene Welt

Unterbränd war damals eine eigene Welt, es gab keine Autos. Außer dem Radfahrverein gab es nichts, im Ort wurden Radrennen und Geschicklichkeitsfahren durchgeführt, mit Helmut Wider brachte man einen in Baden erfolgreichen Radrennfahrer hervor. Ende der 50er-Jahre durften dann auch Jugendliche nach dem Schulabschluss beitreten.

Zentrale Ereignisse waren fortan die Korso-Teilnahmen, die bis zu viermal jährlich stattfanden und später auch weiter weg führten, zuerst mit Zug und Fahrrädern, später mit Autos und einem Transporter für die Räder. Schnell wurde die Familie mit einbezogen, viele hatten Kinder, es waren schöne Ausflüge, an denen fast der ganze Ort beteiligt war.

Der Ablauf war immer der gleiche. Am Freitag wurden Reisig und Blumen gesucht, am Abend trafen sich die Damen zum Kranzen, die Fahrräder wurden vorbereitet. Am Sonntagmorgen wurden die Fahrräder verladen, dann ging es los. Vor Ort wurden die Räder geschmückt. Anschließend fuhr man im Festumzug durch den jeweiligen Ort, Ziel war ein Festzelt, in dem die Bewertung und Preisverteilung stattfand.

Man durfte auch winken

Bewertet wurden die Anzahl der Teilnehmer, die gefahrenen Kilometer zum Gastverein, Banner und Wimpel, Kleidung, Räderschmuck, die Aufstellung und der Gesamteindruck, das Fahren und die Haltung. Hatte das Fahren in den Anfangsjahren noch viel Militärisches, wurde es später zusehends lockerer. Man durfte auch einmal winken, Sportgruppen wie etwa Mountainbiker durften mitfahren, auch Jugendgruppen wurden mit gewertet.

Beginn einer neuen Ära war das Jahr 1995. Wilfried Hepting wurde zum Jugendwart gewählt und suchte jugendliche Teilnehmer für eine Mountainbike-Gruppe. Doch es meldete sich nur ein Fünfzehnjähriger, alle anderen waren älter. Damit war eine zunächst gemischte Bikergruppe geboren, die anfangs donnerstags zu Ausfahrten von 20 bis 30 Kilometern in die Umgebung startete. Was folgte, war ein regelrechter Ansturm auf das Angebot.

Den Damen wurde es bald zu schnell, und da sich auch viele Ehepaare mit Kindern einfanden, teilte sich die Gruppe in eine Frauengruppe am Montag und eine Herrengruppe, die dienstags fährt. Das ist bis heute so geblieben. Bei den Männern gibt es inzwischen je nachdem, wie viele kommen, zwei bis drei Gruppen, die Strecken mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden bewältigen. Mittlerweile haben sich auch E-Bikes etabliert.

Ohne Stützräder, mit Helm

Nachdem das mit der Jugendgruppe nicht geklappt hatte, wagte Wilfried Hepting 1996 einen zweiten Versuch mit einer Kindergruppe: ab fünf Jahren, ohne Stützräder, mit Helm. Der Zulauf war überwältigend. Zusammen mit Uwe Mantel betreute er schon im ersten Jahr bis zu 20 Kinder bei den Ausfahrten. Bald wurden ein zweiter und dritter Jugendwart notwendig, die Eltern halfen mit.

Dieser Trend hielt bis vor fünf Jahren an, fast alle Unterbränder Kinder durchliefen den Radsportverein, doch das Interesse ließ nach.

Neue Wege gesucht

Als 2018 ein Tiefpunkt erreicht wurde, suchte man nach neuen Wegen. Simon Wider und Michelle Ketterer absolvierten eine Ausbildung zum D-Trainer Mountainbike und bieten seither ein professionelles Technik-Training an, das sofort gut angenommen wurde und derzeit nur wegen der Pandemie auf Eis liegt.

Voraussetzung hierfür ist der 2018 eröffnete Heidenloch-Bikepark, den der Radsportverein in den Jahren 2017/18 in 15 ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen erstellt hat und ständig weiterentwickelt. Viele Mountainbiker nutzen mittlerweile das Angebot bei der Unterbränder Grillhütte.

Und was wurde aus dem Korso? Ganz zum Leidwesen der älteren Unterbränder Radfahrer ließ das Interesse Ende der 2000er-Jahre zusehends nach. So entschloss man sich, das Kapitel zu beenden. Am 29. Mai 2011 nahm man beim Patenverein in Neudingen das letzte Mal an einem Korso teil. Es wurden noch einmal alle Mitglieder mobilisiert, sodass das Kapitel mit zwölf Uniformträgern, 19 Bikern und elf Mitgliedern der Jugendgruppe nach neunzig Jahren einen würdigen Abschluss fand. Mittlerweile ist das Thema "Korso" als solches übrigens auch von der Homepage des Badischen Radsportverbandes komplett verschwunden.

Der Unterbränder Radsportverein indes lebt weiter, in einer anderen Form, auch nach 100 Jahren.

Am 5. Mai 1921 fand im Gasthaus Sternen in Unterbränd die offizielle Gründungsversammlung des Radfahrervereins statt. Im Vorfeld hatten sich 22 Personen bereit erklärt, dem neuen Verein beizutreten. Meinrad Hepting wurde der erste Vorsitzende. Die Aufnahme in den Südbadischen Radfahrerbund erfolgte beim Bezirksfest in Neudingen am 5. Juni. Das erste Stiftungsfest wurde im Oktober drei Tage lang mit Musik, Tanz, Theateraufführungen und einem Radrennen gefeiert. Bis 1933 fand ein reges Vereinsleben statt, danach wurde der Verein in die Strukturen des dritten Reichs eingebaut, 1937 wurde ihm das Geld entzogen. Am 6. Mai 1950 wurde der Verein vom alten Vorsitzenden Josef Müller und von Arnold Henkel wieder zum Leben erweckt. 1956 wurde der Verein in Radsportverein umbenannt. 1971 feierte der Verein sein 50-jähriges Stiftungsfest mit viertägigem Programm und großem Festumzug mit 43 Gastvereinen und 1100 Teilnehmern. 1994 erfolgte der Eintrag ins Vereinsregister. 1996 starteten die zunächst gemischte Bikergruppe und die Kinderfahrradgruppe zu ihren ersten Ausfahrten. 2011 nahm der Verein das letzte Mal an einem Korso teil. Am 16. September 2018 wurde der "Heidenloch-Bikepark" eröffnet.