Marco Huck (re.) boxt gegen Ran Nakash Foto: dapd

Boxtrainer Ulli Wegner über Training auf Stelzen und den WM-Kampf von Marco Huck in Ludwigsburg.

Stuttgart - Er hat Sven Ottke, Markus Beyer, Yoan Pablo Hernandez, Arthur Abraham, Marco Huck und Cecilia Braeckhus zu Profi-Weltmeistern gemacht. Er gehört zu den erfolgreichsten seiner Zunft. Doch auch nach 40 Jahren als Boxtrainer fehlt Ulli Wegner noch ein Titel.

Herr Wegner, besondere Aufgaben erfordern besondere Maßnahmen. Wie war's auf den Stelzen?
Jetzt kommt die Sache mit unserem Spezial-Training. . .

Genau. Sie sind doch für Marco Huck auf Sprungstelzen gestiegen, um ihn daran zu gewöhnen, nach oben zu schlagen.
Das stimmt - und das Stelzentraining war eine Abwechslung für uns beide. Es hat Spaß gemacht, war aber für mich eine wacklige Angelegenheit.

Das Problem ist nur, dass der Gegner am Samstag in Ludwigsburg, Rogelio Rossi, gar nicht zwei Meter groß ist, sondern nur 1,92. War nun das Stelzen-Training umsonst?
Auf keinen Fall. Marco muss trotzdem nach oben schlagen, obgleich der Größenunterschied nur fünf Zentimeter ist. Und viel wichtiger war auch, dass wir uns auf jede Situation einstellen können und den Gegner nie unterschätzen. Denn Rossi hat eine gute Bilanz mit 15 Siegen aus 15 Kämpfen - auch wenn er ausschließlich in Südamerika geboxt hat.

Wie kann es überhaupt sein, dass man nicht weiß, wie groß der Gegner ist?
Da haben uns die Argentinier versucht, zu täuschen und Rogelio Rossi größer gemacht, als er ist. Aber ehrlich gesagt haben wir das vorher gewusst und das Spielchen bis zum Schluss einfach mitgespielt.

Was spricht für einen Sieg von Marco Huck?
Marco ist von Natur aus begabt, koordinativ stark und äußerst explosiv. Daraus resultiert seine Schlaghärte. Er ist einer, der hingeht, wo es weh tut. HMarco uck geht durchs Feuer. Ich bin mir sicher, dass er den Fans in Ludwigsburg etwas bieten wird und seinen Weltmeistertitel verteidigt. Aber. . .

Ja. . .
Er muss seine taktische Linie beibehalten.

Vor vier Jahren hat er das nicht gemacht. Da ist er zu euphorisch in den Kampf gegen IBF-Weltmeister Steven Cunningham gegangen. Sie haben letztlich das Handtuch geschmissen. Das hat Ihnen Marco Huck übelgenommen und sich von Ihnen getrennt. Waren Sie damals enttäuscht?
Nein. Ich habe das einzig Richtige gemacht. Marco hat in diesem Duell absolut nicht seine Leistung gebracht. Ich glaube, dass diese Niederlage das Positivste in seiner bisherigen Laufbahn war, weil er damals gedacht hat, dass er alle im Vorbeigehen schlagen kann. In diesem Moment darf man als Trainer keine Gutmütigkeit zeigen, das wirkt sich sonst negativ auf die Leistung des Sportlers aus. Ich musste ihn schützen.

"Ottke war der beste deutsche Boxprofi"

Konsequent wäre es aber gewesen, ihn danach nicht mehr unter Ihre Fittiche zu nehmen. Warum haben Sie es trotzdem getan?
Weil bei mir jeder eine zweite Chance bekommt. Wenn ich nicht oft in meinem Leben ein Auge zugedrückt hätte, hätten es einige Boxer nicht geschafft. Alle - auch meine Frau - haben mir davon abgeraten, wieder mit Marco zusammenzuarbeiten. Ich würde mein Gesicht verlieren, wurde mir gesagt. Ich habe es trotzdem gemacht, weil er sonst nie mehr Weltmeister geworden wäre. Außerdem bin ich als Trainer nicht nur dafür verantwortlich, dass ich meinen Boxern die linke Gerade beibringe, sondern muss ihnen auch beibringen, mit Erfolgen umzugehen.

Arthur Abraham fällt das schwer. Unlängst haben Sie ihm vorgeworfen, er habe die Bodenhaftung verloren, nachdem er mit 230 km/h im Ferrari durch Berlin gedüst sein soll.
Das muss man differenzieren. Bei mir ist Arthur stets in der Spur. Doch sein Leben hat sich verändert: Weil er viel Geld verdient hat, hat er überall Einfluss und viele Schulterklopfer. Er dachte, dass seine Erfolgsserie im Supermittelgewicht so weitergeht - und er sich nebenbei um viele andere Dinge kümmern kann - also nicht mehr 100 Prozent auf den Boxsport fokussiert sein muss. Dabei hat er die Gefahr nicht erkannt, vor der ich ihn immer gewarnt habe.

Vor welcher denn?
Ich habe ihm erklärt, wie schnell es bergab gehen kann, wenn er nicht auf meinen Rat hört. Und ihm ein paar Beispiele genannt.

Welche?
Bert Schenk. Er war das größte Talent, das ich je trainiert habe. Aber aufgrund seines unprofessionellen Lebenswandels konnte ich nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten, und er hat es dann auch nicht nach oben geschafft. Es gibt aber auch viele Fußballer, die Millionen verdient haben und trotzdem scheiterten. Da ist es wichtig, dass sie ein gutes Umfeld haben und die Trainer und Berater ihre Spieler führen - auch außerhalb des Platzes. Ich bin seit Jahren gut mit Uli Ferber befreundet, dessen tägliche Arbeit mich in meiner Meinung bestätigt, dass Sportler nicht nur als Sportler gesehen werden dürfen, sondern sie auch in anderen Lebensfragen umfassend betreut werden müssen.

Seit 40 Jahren sind Sie im Trainergeschäft und - mit Verlaub - mit 69 Jahren nicht mehr der Jüngste. Wie lange wollen Sie mit dem Handtuch noch in der Ringecke stehen?
Das war klar, dass diese Frage kommt.

Warum? Ärgern Sie sich darüber?
Gar nicht. Aber es hat nichts mit dem Alter zu tun, dass ich nicht aufhöre, sondern weil das Boxen mein Leben ist, und ich meine Schützlinge wie Dominik Britsch, Yoan Pablo Hernandez oder Robert Helenius nicht hängenlassen kann. Die bibbern doch jedes Mal, wenn ich ein Jahr älter geworden bin, dass bald Schluss sein könnte.

Außerdem wollen Sie endlich einen WM-Gürtel im Schwergewicht, der fehlt Ihnen noch.
Natürlich ist das mein Antrieb. Aber davon mache ich nicht den Zeitpunkt abhängig, wann ich aufhöre. Für mich ist wichtiger, dass meine Boxer lange erfolgreich sind.

So wie Ihr Schützling Sven Ottke, der über Jahre auf höchstem Niveau geboxt hat.
Ja, Ottke war der beste Boxprofi, den Deutschland hatte - ohne Henry Maske oder Dariusz Michalczewski zu nahe zu treten. Doch sein Sieg bei der Titelvereinigung (Anm. d. Red., der Verbände WBA und IBF) im Supermittelgewicht 2003 war für mich als Trainer das bisher größte Erlebnis.

Im Mittelpunkt der Box-Gala an diesem Samstag in der Arena Ludwigsburg steht der Kampf im Cruisergewicht zwischen WBO-Weltmeister Marco Huck und dem Argentinier Rogelio Rossi (22.45 Uhr/live ARD). Zuvor trifft Dominik Britsch, IBF-Intercontinental-Champion im Mittelgewicht aus Neckarsulm, auf Billy Lyell (USA). Außerdem boxen Travis Walker (USA) und Kubrat Pulev aus Bulgarien um die Internationale IBF-Meisterschaft. Daneben gibt es drei weitere Kämpfe zu sehen. Der erste beginnt um 18.30 Uhr. Restkarten sind noch an der Abendkasse erhältlich. Die Organisatoren gehen aber davon aus, dass die Halle mit 4500 Zuschauern ausverkauft sein wird.