Szene aus „Borgen“ mit Sebastian Rudolph, Stephanie Eidt (von links) Foto: Arno Declair/Schaubühne Berlin

Kannst du die Macht übernehmen und dir dennoch treu bleiben? Diese Frage bildet den Kern der erfolgreichen, skandinavischen TV-Serie „Borgen“. Aber kann sie auch den fast vierstündigen Theaterabend zusammenhalten, den Nicolas Stemann an der Berliner Schaubühne aus der Serie gemacht hat?

Berlin - Kannst du die Macht übernehmen und dir dennoch treu bleiben? Diese Frage bildet den Kern der skandinavischen TV-Serie „Borgen“ (2010–2013), die zum Besten zählt, was das europäische Fernsehen in diesem Jahrzehnt hinbekommen hat. Adam Price erzählt in den auf drei Staffeln verteilten 30 Episoden von Birgitte Nyborg, die unverhofft dänische Premierministerin wird und feststellen muss, wie schwer es ist, sich nicht die Hände schmutzig zu machen.

Die Frage, ob man politisch Karriere machen und trotzdem Mensch bleiben kann, hält zwar auch den fast vierstündigen Theaterabend zusammen, den Nicolas Stemann an der Berliner Schaubühne aus der Serie gemacht hat. Doch eigentlich geht es ihm darum, die Serie in ihrem Streben nach Wahrhaftigkeit als naiv zu entlarven. „Borgen“ wird in Stemanns Inszenierung zu einer Metakritik an der Fernsehunterhaltung, einer Abrechnung mit dem Serienhype, zu einer sich der Mittel des Brecht’schen epischen Theaters bedienenden Parodie.

Katrin Nottrodt verteilt nicht nur auf der Bühne Monitore, sondern bringt einen Bildschirm auch hinter dem Publikum an. Dieser dient den Schauspielern als Teleprompter. Stephanie Eidt, Sebastian Rudolph, Tilman Strauß und Regine Zimmermann, die die „Borgen“-Rollen unter sich aufteilen, lesen dort die meiste Zeit ihre Texte (und die Regieanweisungen) ab. Immer wieder werden sie zum Chor, singen zum Beispiel „Das Lied vom furchtbaren Widerspruch“, das Aussagen des Serienerfinders Adam Price zitiert. Die Musiker Thomas Kürstner und Sebastian Vogel und zwei Videofilmer sitzen ebenfalls auf der Bühne, die meistens Newsrooms und Sitzungssaal und die Couch der Familie Nyborg darstellt.

Anfangs arbeitet sich die Inszenierung, die das Unfertigsein, den Probencharakter stets hervorhebt, noch ziemlich brav an den einzelnen „Borgen“-Episoden ab. Später werden die Handlungsbögen durcheinandergebracht. Es geht dabei um die Verflechtung zwischen Medien und der Politik, um Korruption und Machthunger, Intrigen und Skandale werden mal abgewehrt, mal erfunden. Und spätestens wenn ein US-Flugzeug mit Guantánamo-Häftlingen auf Grönland notlanden muss, scheitert die Idealistin Nyborg an den realpolitischen Zwängen.

Stemann erzählt aber nie einfach nur die Serie nach, sondern stellt stets den Akt des Erzählens aus. Er amüsiert sich trotzig über den humanistischen Gegenentwurf, den die dänische Serie nicht nur zu der US-Serie „House Of Cards“, sondern auch zu Shakespeares Königsdramen – und besonders zu „Richard III.“ – darstellt. Während Adam Price in „Borgen“ die Mechanismen der Macht offenbaren will, geht Stemann einen Schritt weiter, will anhand der Serie die vor allem von Einschaltquoten bestimmten Mechanismen der Unterhaltungsindustrie vorführen. Die Frage, die er letztlich stellt, heißt: Kann man Fernsehen machen und sich selbst treu bleiben? Und seine Antwort lautet: Nein.

Nächste Vorstellungen am 17. Februar und am 6. bis 8. März. Tickets unter: www.schaubuehne.de