Helfer kümmern sich um die Opfer. Foto: dpa/Thanassis Stavrakis

An der tiefsten Stelle des Mittelmeers kommt es zum Unglück eines Bootes mit Migranten. Die Schleuser erwirtschaften Millionengewinne.

Sie suchten ein besseres Leben – und fanden den Tod. Zwei Tage nach dem Untergang eines Migrantenbootes vor der Südwestküste der griechischen Halbinsel Peloponnes gibt es so gut wie keine Hoffnung mehr, Überlebende zu finden. Mehrere hundert Menschen riss der sinkende Fischkutter mit sich in die Tiefe. Die genaue Zahl der Opfer des Unglücks ist weiter unklar. Man wird sie wohl nie erfahren.

Der altersschwache und völlig überladene Fischkutter war in den frühen Morgenstunden des Mittwochs aus ungeklärten Gründen plötzlich gekentert und schnell gesunken. Das Schiff hatte drei Tage zuvor in der libyschen Hafenstadt Tobruk abgelegt. Die Migranten wollten nach Italien. Die griechische Küstenwache und die Besatzungen vorbeifahrender Handelsschiffe sowie einer Luxusjacht konnten in der Nacht zum Mittwoch unmittelbar nach der Havarie 104 Menschen lebend aus dem Meer retten. 78 Leichen wurden bisher gefunden. Der Untergang könnte aber viele hundert Opfer gefordert haben.

Schwimmwesten oder Rettungsinseln gab es an Bord offenbar nicht

Luftaufnahmen, die von der griechischen Küstenwache veröffentlicht wurden, zeigen den Kutter am Dienstagnachmittag. Auf den drei Decks sind dicht gedrängt Hunderte Menschen zu erkennen. Schwimmwesten oder Rettungsinseln gab es an Bord offenbar nicht. In ersten Berichten war von etwa 400 Passagieren die Rede. Hilfsorganisationen berichteten unter Berufung auf Telefonate und Textnachrichten, die vor der Havarie von dem Boot eingingen, von bis zu 750 Insassen. Fachleute halten es durchaus für möglich, dass man auf einem rund 30 Meter langen Fischkutter rund 700 Menschen zusammenpferchen kann.

Man habe das bereits in der Vergangenheit gesehen, sagte Nikos Spanos, ein pensionierter Admiral der Küstenwache, im Fernsehen. „Seetüchtig sind solche Boote dann natürlich nicht mehr“, so Spanos. „Eigentlich handelt es sich um schwimmende Särge.“ Für Bestürzung sorgten am Donnerstag Meldungen aus dem Krankenhaus von Kalamata. Ärzte berichteten, Überlebende hätten davon gesprochen, dass sich unter Deck im Frachtraum des Kutters etwa 100 Kinder und eine nicht genannte Zahl von Frauen aufgehalten hätten.

Die Unglücksstelle befindet sich an der tiefsten Stelle des Mittelmeeres

Die Überlebenden seien geschwächt und verzweifelt, berichten die Ärzte und Sanitäter in Kalamata. Viele der Geretteten haben Freunde und Familienmitglieder verloren. Auch in der Nacht zum Donnerstag wurde die Suche fortgesetzt. Nikos Alexiou, der Sprecher der griechischen Küstenwache, sprach von einer der „größten Such- und Rettungsaktionen im Mittelmeer“. Die Unglücksstelle befindet sich an der tiefsten Stelle des Mittelmeeres. Hier sind es rund 5200 Meter bis zum Meeresboden. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass man das Bootswrack jemals finden wird.

Die griechische Regierung schildert den Ablauf der Tragödie so: Die italienischen Behörden hatten am Dienstagvormittag das Flüchtlingsboot gesichtet und Griechenland informiert. Um 15 Uhr entdeckte ein Hubschrauber der griechischen Küstenwache den Kutter. Von da an begleiteten Patrouillenboote der Küstenwache und eine Fregatte der griechischen Marine das Schiff. Um 18.30 Uhr gelang es der griechischen Küstenwache, über Satellitentelefon Kontakt mit dem Kapitän des Kutters aufzunehmen.

20 Minuten später bekam das Schiff plötzlich starke Schlagseite

Der lehnte angebotene Hilfe ab und erklärte, er wolle seine Fahrt nach Italien fortsetzen. Auch vorbeifahrende Frachter hätten Hilfe angeboten, was die Passagiere aber abgewiesen hätten. Um 1.40 Uhr am Mittwochmorgen meldete der Kapitän des Bootes einen Schaden. 20 Minuten später bekam das Schiff plötzlich starke Schlagseite, kenterte und sank innerhalb weniger Minuten.

Die Leichen der bisher geborgenen Ertrunkenen wurden am Donnerstag von Kalamata in ein Leichenschauhaus nach Athen überführt. Die meisten Geretteten sind Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Sie kommen aus Ägypten, Syrien, Pakistan, Afghanistan und den Palästinensergebieten.

Die Schleuser sollen pro Passagier 6000 Euro kassiert haben

Die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofes ordnete eine Untersuchung des Unglücks an. Die Hafenpolizei in Kalamata setzte am Donnerstag die Verhöre von sechs Geretteten fort. Die Männer werden verdächtigt, die Überfahrt organisiert zu haben. Überlebende Migranten berichteten den Rettern, die Schleuser hätten für die geplante Überfahrt von Tobruk in Libyen nach Italien pro Kopf 6000 Euro kassiert. Bei 750 Passagieren hätte die Fahrt in dem altersschwachen und völlig überladenen Fischkutter den Schleusern 4,5 Millionen Euro eingebracht.