Die Gäubahn am Bahnhof in Horb. Foto: Blaß

Planen Sie gerade Ihren Urlaub in den Sommerferien? Sofern Sie auf die Gäubahn zurückgreifen wollen, droht eine böse Überraschung.

Horb/Stuttgart - Eines muss man der Deutschen Bahn (DB) lassen: Im Bereich der Unternehmenskommunikation gibt es Menschen mit ganz viel Humor. „Auf der Gäubahn haben unsere Baustellen wieder das ganze Jahr Saison“, steht auf den Flyern, die in den Bahnhöfen der Region aushängen. Um im Bild der Baustellen zu bleiben: Die DB nimmt sich selbst auf die Schippe.

„Auf der Gäubahn sind wir in diesem Sommer wieder auf Baustellentournee“, hieß der Slogan im vergangenen Jahr, als es in den Sommerferien zwischen Stuttgart und Singen sowie zwischen Eutingen und Freudenstadt bedingt durch Bauarbeiten zu Zugausfällen und Ersatzverkehr mit Bussen kam. 17 Millionen Euro wurden – so die Bahn – 2021 in die Modernisierung der Gäubahn investiert.

Diesmal legt die DB noch eine Schippe drauf: Denn zwischen dem 30. Juli und dem 11. September 2022 kommt es zur Totalsperrung der Gäubahn. Zwischen Eutingen im Gäu und Rottweil geht u.a. infolge der Inbetriebnahme eines neuen elektronischen Stellwerks in Horb und Vorbereitungen für den zweigleisigen Ausbau zwischen Horb und Neckarhausen in 2023 nichts mehr.

Absurde Züge: Vier Stunden von Rottweil nach Stuttgart

Die Folgen: Eine Fahrt von Rottweil nach Stuttgart Hbf dauert aktuell (ohne Verspätungen) im besten Fall 76 Minuten. In den Sommerferien 242 Minuten. Die Reisezeit verdreifacht sich. Und der Streckenverlauf nimmt absurde Züge an.

Von Rottweil geht’s entweder in vier Stunden und fünf Minuten über Tuttlingen und Ulm nach Stuttgart. Oder in vier Stunden über Villingen und Karlsruhe.

Ein schwacher Trost: Ein Schienenersatzverkehr soll laut DB Regio noch eingerichtet werden. Wie lange die Fahrt dann dauert, soll rechtzeitig vor den Sommerferien bekanntgegeben werden.

Von Horb nach Stuttgart: 113 statt 52 Minuten

Zeitlich etwas entspannter ist es, wenn Sie mit der Linie RE14 von Horb nach Stuttgart fahren wollen. Aus bestenfalls 52 Minuten werden 77 bis 113 – die Alternativen über Rottenburg und Tübingen machen es möglich.

Der Grund für die Verzögerungen auf diesem Teilabschnitt: Der Stuttgarter S-Bahn-Tunnel ist gesperrt, um u.a. die Leit- und Sicherungstechnik zu erneuern.

Gäubahn: Endlich passiert mal was

Für Matthias Lieb, Vorsitzender vom Verkehrsclub Deutschland Landesverband Baden-Württemberg, ist die Vollsperrung in den Sommerferien alternativlos, er ist sogar froh. „Nach Jahrzehnten des Stillstands passiert endlich mal was. Mittelfristig ist es gut für die Gäubahn“, sagt er.

Andreas Frankenhauser von der Initiative „Pro Gäubahn“ erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Für die Fahrgäste ist die Sperrung ärgerlich. Infrastruktur lässt sich nicht ausbauen, ohne dass gesperrt wird. Daher kritisiere ich ausdrücklich nicht die Bauarbeiten.“

Düstere Prognose: Gäubahn auf dem Abstellgleis

Stattdessen wagen beide einen Blick in die mittelfristige Zukunft. „Viel schlimmer ist, dass die Gäubahn voraussichtlich ab Frühjahr 2025 über Jahre gesperrt werden muss.“ Dann wird – Stand heute – die Gäubahn aufgrund der von der Stadt Stuttgart vorangetriebenen Stilllegung der Panoramastrecke unterbrochen.

Zum Stuttgarter Hauptbahnhof würde es dann nicht mehr ohne Umstieg in Vaihingen gehen. Die Gäubahn auf dem Abstellgleis. Direkt an den Fernverkehr angeschlossen würde sie dann erst wieder nach Jahren – oder sogar Jahrzehnten. VCD-Landeschef Matthias Lieb: „Die Frage, ob man die Gäubahn weiter über die Panoramabahn eingleisig zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren lässt, bleibt höchst aktuell.“

Verspätungen auf der Gäubahn

Im Stuttgarter Hauptbahnhof ist es für Pendler ein regelmäßiges Gäubahn-Szenario: die Bahn-Guerilla. Gefrustete Bahnfahrer rotten sich zusammen, der Schnellste spurtet nach der verspäteten Ankunft der Gäubahn von Gleis 16 zu Gleis 9, um den ICE nach Frankfurt aufzuhalten. HInter ihm her rennt ein Pulk von Fahrgästen. Mal klappt diese Taktik, mal auch nicht. Mit Blick auf die Verspätungsstatistik ist der finale Abschnitt von Horb nach Stuttgart allerdings erfreulich unauffällig. Fast 80 Prozent aller Züge waren – laut Angaben der Bahn – im ersten Quartal pünktlich. Bundesweit lag die Fernverkehrspünktlichkeit in den ersten drei Monaten bei 76 Prozent. Im April allerdings nur bei 69,1 Prozent.