Inobhutnahme gilt als äußerstes Mittel / Ist die Rückkehr zu den Eltern ausgeschlossen, geht es in Pflegefamilien

Kreis Böblingen. Ab und zu muss das Jugendamt im Landkreis Böblingen die Notbremse ziehen und ein Kind aus einer Familie nehmen: "Kinder von ihren Eltern zu trennen, ist immer das äußerste Mittel – die Ultima Ratio", sagt Wolfgang Trede, Leiter des Jugendamts im Kreis. Leicht falle ihm und seinen Sozialarbeitern in den vier Außenstellen in Böblingen, Herrenberg, Leonberg und Sindelfingen dieser Schritt nie. Dabei habe das Wohl des Kindes oberste Priorität.

Viele Hinweise auf Notsituationen von Kindern und Jugendlichen bekam das Jugendamt im Landkreis Böblingen auch im Jahr 2013. Es sind Nachbarn, Bekannte, Kinderärzte, Schulen und Kindertagesstätten, die aufmerksam waren und das Jugendamt auf den Plan riefen. Viele Kinder und Jugendliche melden sich aber auch selbst. Bitten sie darum, in Obhut genommen zu werden, ist das Jugendamt laut Gesetz dazu verpflichtet. Die jungen Menschen kommen dann zunächst in eine Bereitschaftspflegefamilie oder eine Wohngruppe.

Das Jugendamt kümmere sich um jeden einzelnen Fall. 171 Fälle stuften die Mitarbeiter im vergangenen Jahr als so alarmierend und schwerwiegend ein, dass sie die Kinder und Jugendlichen unterbringen mussten – vorübergehend jedenfalls. Und das, um sie zu schützen.

Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre hatte das Jugendamt jährlich 150 Inobhutnahmen, wobei die Zahlen von Jahr zu Jahr schwanken. Eindeutiger ist die Situation in Baden-Württemberg, wo die Fallzahlen um 55 Prozent gestiegen sind: Von 2312 Inobhutnahmen im Jahr 2007 auf 3587 Fälle im Jahr 2012.

In solchen Fällen leiden Kinder und Jugendliche unter akuten Gefahren. Sie erlebten schwere Konflikte in der Familie, Misshandlungen oder sexuelle Gewalt. Dann ist die Inobhutnahme der letzte Ausweg – der "Rettungsring", den das Jugendamt werfen muss.

Eine solche Entscheidung fällt nicht am Schreibtisch: "Wir gehen raus und machen Hausbesuche. Schließlich müssen wir uns ein genaues Bild verschaffen. Nicht selten erfolgen Inobhutnahmen auch nachts oder am Wochenende. Dann wird unser Bereitschaftsdienst aktiv. Für Notfälle sind wir an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar", berichtet der Jugendamtsleiter.

Wenn es darum geht, ein Kind aus einer Familie herauszuholen, um es zu schützen, dann geschieht dies in Einzelfällen notfalls auch gegen den erklärten Willen der Sorgeberechtigten. "Dabei schalten wir allerdings immer das Familiengericht mit ein. Das hat dann das letzte Wort und entscheidet, was für das Wohl des Kindes richtig und notwendig ist", so Trede.

Für Kinder und Jugendliche, für die eine Rückkehr in ihre Familie nach den erfolgten Klärungsgesprächen nicht in Betracht kommt, sucht das Jugendamt dann eine geeignete Unterbringung – zum Beispiel eine Pflegefamilie oder eine Wohngruppe. Hier wartet das auf sie, was manche bislang vermisst haben: Aufmerksamkeit und Zuwendung, Zuneigung und Liebe. Für viele sei es so etwas wie eine‚ zweite Startchance fürs Leben, saft Trede

Den Eltern ein Kind entziehen zu müssen, bedeutet aber auch, es aus seinem sozialen Umfeld herauszuholen. Deshalb setze das Jugendamt auf Prävention. Es biete eine Fülle von Hilfen für belastete Familien an. Von Beratung in einer der vier Psychologischen Beratungsstellen bis zum Einsatz einer sozialpädagogischen Familienhelferin, die die Familie besucht.