Der FDP-Landesvorsitzender Wolfgang Theurer nimmt beim politischen Aschermittwoch Stellung zur Wahl von Parteifreund Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten, die mit AfD-Stimmen erfolgte. Theurer war einer von denen, die Kemmerich zunächst gratulierten. Dann ruderte er zurück. Im Epfenhofener "Löwen" gestand er nun Fehler ein. Foto: Niederberger Foto: Schwarzwälder Bote

Parteien: Beim Politischen Aschermittwoch in Blumberg gesteht der FDP-Landeschef eigene Fehler ein

Erfurt – wie konnte das passieren und wie konnte sich Thomas Kemmerich in Thüringen mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen? Weshalb nahm er die Wahl überhaupt an?

Blumberg (hon). Und wieso dauerte es einen Tag, bis sich FDP-Chef Christian Lindner, eigentlich für gutes Krisenmanagement bekannt, von der AfD distanzierte und sagte, dass es keine Basis für eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußenpartei gebe?

Dies sind diese Fragen, die an der liberalen Basis diskutiert werden und die auch beim 35. Politischen Aschermittwoch der Blumberger FDP im Epfenhofener "Löwen" im Mittelpunkt standen. Mit dabei ein Mann, der durch eine Kurzmitteilung bei Twitter ebenfalls – zumindest kurzzeitig – politisches Gespür vermissen ließ: Michael Theurer, Chef der Liberalen in Baden-Württemberg und auf Bundesebene Vize von Lindner.

Über 60 Liberale aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und aus benachbarten Kreisen wollten wissen, wie der frühere Oberbürgermeister von Horb die Vorgänge in Thüringen einordnet. So viele Besucher, unter ihnen auch Ex-Wirtschaftsminister Ernst Pfister, zog ein politischer Aschermittwoch der Blumberger FDP seit Jahren nicht mehr an.

Theurer, der am Mittwoch gleich drei Aschermittwochsreden hielt, entschied sich für die Strategie der Vorwärtsverteidigung. Den Tweet, in dem er Kemmerich nach dessen Wahl zum Ministerpräsidenten als einen "Tausendsassa" bezeichnet hatte, den würde er heute so nicht mehr absetzen, stellte er klar – und relativierte diese Aussage sofort.

Der Begriff Tausendsassa, der sei ja nicht nur positiv besetzt. Auf die Stellungnahme, die er der Deutschen Presse Agentur gegeben hatte, ging er nicht ein. Zu der sagte er: "Ein FDP-Ministerpräsident ist für das Land im Ergebnis allemal besser als die anderen Kandidaten."

Letztendlich sprach Theurer dann aber doch von einem "Fiasko von Erfurt". Kemmerich habe mit der Annahme der Wahl eine falsche Entscheidung getroffen. Er sei aber davor gewarnt worden, zu kandidieren, und was in Thüringen passiert ist, sei ohne die Billigung des Bundesvorstands geschehen. "Kemmerich hat sich nicht überlegt, was passiert, wenn er gewählt wird", so Theurer.

Der berichtete von vielen Gesprächen, die der Bundesvorstand der FDP mit Kemmerich geführt habe. Möglicherweise sei es aber ein Fehler gewesen, im Vorfeld der Wahl nicht nach Thüringen gefahren zu sein und direkt mit Kemmerich gesprochen zu haben.

Den bezeichnete Theurer als einen "Mann der Mitte", den er persönlich kenne und schätze. Kemmerich habe eine Friseurkette aufgebaut und Arbeitsplätze im Osten geschaffen.

Der Bundestagsabgeordnete Marcel Klinge, neben Theurer zweiter Redner im "Löwen", machte deutlich: Es sei kein Fehler von Kemmerich gewesen, sich zur Wahl zu stellen, wohl aber, die Wahl angenommen zu haben. Kemmerich habe mittlerweile eingesehen, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Wie dann aber im Anschluss mit ihm und seiner Familie umgegangen worden sei, bezeichnete er als "unerträglich". Kemmerichs Frau sei auf offener Straße angespuckt worden und seine Kinder hätten Polizeischutz bekommen.

Und wie soll's jetzt in Thüringen weiter gehen? Theurer sprach sich für Neuwahlen aus. Auch auf die Gefahr hin, dass die FDP aus dem Landtag rausfliege.

Seine rhetorische Frage, ob die FDP jetzt nie mehr bei einer Wahl einen eigenen Kandidaten aufstellen dürfe, war in die Zukunft gerichtet. In der nächsten Bundesversammlung sei von 150 bis 200 Parteigängern der AfD auszugehen.

Dieses Gremium wählt den Bundespräsidenten. Theurer erinnerte daran, dass 1994 FDP-Frau Hildegard Hamm-Brücher gegen Johannes Rau von der SPD antrat. Wenn die FDP als Folge des Debakels in Thüringen nie mehr einen eigenen Bewerber ins Rennen um ein politisches Amt schicken könnte, dann sei das "das Ende der parlamentarischen Demokratie".

Adolf Baumann, Hüfinger FDP-Gemeinderat, forderte bei der Diskussionsrunde die Bundestagsabgeordneten auf, die AfD härter anzufassen: "Die muss man vorführen", ihre Mandatsträger seien in vielen Sachfragen leicht zustellen. Er glaubt auch nicht daran, dass die AfD nur "eine vorübergehende Erscheinung" darstelle, so wie immer wieder zu hören sei. "80 Prozent der Deutschen wollen mit denen nichts zu tun haben. Strengt euch an, die zu bekämpfen", so Baumanns Appell. Mit Udo Reichmann, dem langjährigen Vorsitzenden des FDP-Ortsverbands Hüfingen, meldete sich ein weiterer, sehr erfahrener Lokalpolitiker, zu Wort. Aus ihm brach der Ärger über das Krisenmanagement von Parteichef Lindner in Thüringen geradezu heraus. Dass dieser in Richtung von Greta Thunberg gesagt habe, dass man Politik den Profis überlassen solle, kritisierte er ebenfalls scharf. "Ich habe ihm persönlich geschrieben. Zum Rücktritt habe ich ihn nicht aufgefordert, wohl aber, dass er schnellstens zu alter Form auflaufen soll", so Reichmann.

Michael Theurer ist seit Dezember 2013 Beisitzer im Präsidium der FDP. Er ist zudem Vorsitzender des Landesverbandes der FDP Baden-Württemberg und stellvertretender Vorsitzender der Freien Demokraten im Bundestag. Dort ist er für Energie, Soziales, Gesundheit und Tourismus zuständig. Seine Themen sind Wirtschaft und Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Darüber hinaus interessiert er sich für Demokratie(-politik) und Europa. Theurer ist am 12. Januar 1967 in Tübingen geboren, wuchs in Horb auf und ist studierter Diplom-Volkswirt. 1983 trat Theurer der FDP bei. Im Dezember 1994 wurde er – noch vor Beendigung seines Studiums – zum Oberbürgermeister der Stadt Horb gewählt. Zu diesem Zeitpunkt war Theurer 27 Jahre alt und damit der jüngste Oberbürgermeister Deutschlands. Dieses Amt hatte er bis zu seiner Wahl in das Europäische Parlament 2009 inne. Theurer ist seit 2016 mit seiner langjährigen Lebensgefährtin Antje Giede-Jeppe verheiratet. Das Paar hat ein Kind.