Ana de Armas und Ryan Gosling in „Blade Runner 2049“ Foto: Warner Bros. Entertainment Inc.

Nach 35 Jahren kommt die Fortsetzung von Ridley Scotts Klassiker „Blade Runner“ in die Kinos. Mit dabei: die Kubanerin Ana de Armas als Joi. Ein Gespräch über Replikanten, Harrison Ford und Hollywood.

Berlin - Die Fortsetzung von Ridley Scotts Science-Fiction-Meilenstein „Blade Runner“ wird mit Spannung erwartet. Damit nichts durchsickert, hat Hollywood umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Dazu zählt, dass der Film vor den Interviews mit Darstellern und Regisseur noch nicht gezeigt wurde. Eine weibliche Hauptrolle ging an die gebürtige Kubanerin Ana de Armas.

Frau de Armas, was dürfen Sie über Ihre Rolle verraten?
Meine Figur heißt Joi und ich habe mich beim Lesen des Drehbuchs augenblicklich in sie verliebt. Sie ist sehr komplex. Joi ist Officer Ks Geliebte, der von Ryan Gosling verkörpert wird. Aber sie ist auch sein bester und einziger Freund, sein Antrieb. Sie ist das Licht am Ende des Tunnels.
Wie war es, an der Seite einer Legende wie Harrison Ford zu spielen?
Harrison Ford ist ein Schauspieler, dessen Filme mich schon mein Leben lang begleiten. Jemand, dessen Karriere ich sehr bewundere. Plötzlich drehe ich einen Film mit ihm und wir erschaffen in fünfmonatigen Dreharbeiten etwas gemeinsam! Und dann kehre ich auch noch mit diesem Mann in das „Blade Runner“-Universum zurück, dessen Geist er repräsentiert wie kein anderer! Wenn das keine ganz besondere Erfahrung ist.
Wie war die Arbeit mit ihm?
Zwischen ihm, Ryan und Regisseur Denis Villeneuve bestand eine großartige Chemie. Er hat einen sehr trockenen Humor und reißt ständig Witze. Aber er ist auch ein hart arbeitender Mann. Ich habe seine Energie, seine Einstellung und Bescheidenheit bewundert. Er war immer zu allem bereit. Die Hauptrolle in einem Film ist nicht automatisch auch die größte Rolle. Und es hängt sehr stark von deinem Auftreten sowohl als Mensch, als auch als Profi ab, ob der Rest der Besetzung und der Crew zu dir aufschaut. Du trägst die Verantwortung dafür, dass die gemeinsame Arbeit für alle Beteiligten zu einer guten und lohnenden Erfahrung wird. Harrison, Ryan und Denis haben das hingekriegt, sie waren tolle Spielpartner, aber auch Menschen, mit denen man sich gern umgibt.
Was haben Sie von Ihnen gelernt?
Einfach alles. Wenn sie drehen und du die Zeit hast, dabei zuzuschauen, dann saugst du alles auf. Das ist eine große Freude. Zwischen den Aufnahmen lauscht du ihren Geschichten. Es steckt sehr viel Erfahrung und Wissen darin. Harrison erzählte oft von den Dreharbeiten zum ersten Teil. Ich würde das Ganze aber nicht als Schauspielunterricht bezeichnen. Die wichtigste Erkenntnis war, was man mit einem gut funktionierenden Team stemmen kann. Diese menschliche Erfahrung hat mich sehr berührt.
Wer war der erste große Hollywood-Star, mit dem Sie es zutun bekamen?
Das war Robert de Niro in „Hands of Stone“. Ich war sehr nervös, aber Bob hat etwas sehr Schönes für mich getan. Wir haben den Film vor zwei Jahren in Cannes vorgestellt. Bob sagte, dass er demnächst ein paar Tage auf Kuba drehen würde und bat um die Telefonnummern meiner Eltern und um ihre Adresse. Ich dachte „Okay…?“ und gab sie ihm. Das Thema schien erledigt. Doch eines Tages rief mich mein Vater völlig aufgelöst an. Bob hatte bei ihm vorbeigeschaut und eine halbe Stunde mit ihm geplaudert! An solche Dinge wird man sich für immer erinnern. Mein Dad wird es definitiv tun. Er hat extra die Bänder der Sicherheitskamera aufgehoben, weil ihm seine Freunde sonst nicht glauben würden. Es sind diese kleinen Dinge, die solche Menschen zu dem machen, was sie sind.
Glauben Sie an eine Zukunft mit Replikanten, also künstlichen Menschen, die uns die Arbeit abnehmen?
Im Film zeigen wir, dass Replikanten und Menschen praktisch dasselbe sind. Der einzige Unterschied besteht darin, wie sie zur Welt kommen. Der Rest – die Gefühle, die Träume, der Wille zu leben – ist gleich. Tatsächlich zeigen Replikanten manchmal mehr Empathie und Barmherzigkeit als die echten Menschen. Sie könnten eine bessere Version unserer selbst sein. Und wir sind die einzigen, die beschützen können, was wir sind und was wir haben. Hoffentlich geht uns dieses Licht früh genug auf – vor 2049. (lacht)
Haben Sie Angst vor der Zukunft?
Wenn sie so aussehen würde wie im Film, dann ja. Sie ist sehr furchteinflößend und gewalttätig. Sehr unfreundlich. In gewisser Weise steuern wir schon darauf zu. Die Menschen verleihen der Technologie eine große Macht und geben alle Informationen preis. Wir werden jeden Tag mit Nachrichten bombardiert und glauben, es wäre die absolute Wahrheit. Wir lassen die Essenz dessen vermissen, was uns menschlich macht. Insofern denke ich manchmal, dass wir uns in diese Richtung entwickeln: da sind die Überbevölkerung, der Klimawandel, der unwiederbringliche Verlust von Natur. Und sogar an fliegenden Autos wird schon herumgebastelt. (lacht)

„Dieser Film stellt alles in den Schatten“

Haben Sie schon immer von einer Hollywood-Karriere geträumt?
Nein. Ich wollte immer schon Schauspielerin werden und mit talentierten Regisseuren und Schauspielern arbeiten. Aber es musste nicht unbedingt Hollywood sein. Ich liebe europäische Filme. Ich bin Kubanerin und mag das lateinamerikanische Kino sehr. Hollywood war für mich nicht das Ziel. Ich bin momentan dort, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht für andere Projekte offen wäre. Es ist einfach so passiert.
Aus Zufall?
Irgendwie schon, ja. Ich habe vor dreieinhalb Jahren beschlossen, nach L.A. zu gehen. Ich sprach nicht einmal richtig Englisch, weil ich keine Pläne hatte, dort Filme zu machen. Und dann ist es irgendwie doch passiert. Rückblickend freue ich mich, dass es so gekommen ist. Aber ich könnte auch woanders mein Glück finden.
Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit in Hollywood vom Filmemachen anderswo?
Dieser Film stellt alles in den Schatten. Solche Ausmaße habe ich noch nie erlebt. Es ist ein Science-Fiction-Film und mir war klar, dass es mehr Technologie brauchen würde und die Produktion wirklich groß angelegt sein muss, damit er funktioniert. Die gigantischen Kulissen, die gebaut wurden, die Kameras, die zum Einsatz kamen – alles war komplett neu für mich. Wir haben drei Tage für eine Szene benötigt, normalerweise dreht man vier Szenen an einem Tag.
Gibt es in einer Großproduktion wie „Blade Runner 2049“ überhaupt die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen?
Oh ja. Denis Villeneuve wünschte sich sogar eine gewisse Beweglichkeit innerhalb der Szene. Er hat zugehört und wir haben Dinge ausprobiert: Meine Version, Ryans Version, die Version von Kameramann Roger Deakins, Denis´ Version. Die Zeit dazu zu haben, war ein großer Luxus. Wir haben nie physisch geprobt. Jeden Morgen vor Drehbeginn haben wir uns getroffen, um die Szene zum ersten Mal durchzugehen. Alles entstand aus dem Moment heraus und war frisch.
Was kommt nach „Blade Runner 2049“?
Ich haben gerade die Dreharbeiten zum Thriller „Three Seconds“ mit Clive Owen und Rosamund Pike abgeschlossen. Der Italiener Andrea Di Stefano hat Regie geführt. Es war das komplette Gegenteil zu „Blade Runner“, ein Film mit einem geringen Budget und dem damit verbundenen, täglichen Kampf. Am Set herrschte eine gute Energie. Natürlich weiß man nicht, was am Ende dabei herauskommt. Aber die Erfahrung war gut. Wie es dann weitergeht, weiß ich noch nicht. Wir werden sehen. Es gibt so viele Dinge, die ich noch nicht getan habe.
Was bedeutet Lebensqualität für Sie?
Es einfach zu halten, nicht alles kaputtzudenken. Zeit mit den Menschen zu verbringen, die man liebt. Wenn die Familien- und Freunde-Basis solide sind, dann braucht man nichts anderes. In dieser Beziehung ist Technologie etwas sehr Gutes, denn du kannst mit den Menschen täglich in Verbindung bleiben, die dich wirklich lange kennen und die dir im Bedarfsfall die Ohren langziehen. Es verlangt einem Energie ab, diese Beziehungen zu pflegen. Man muss es wirklich wollen.
Wer zieht Ihnen die Ohren lang?
Meine Eltern und meine Freunde sind großartig. Sie haben mich immer tun lassen, was ich wollte und sie haben mir vertraut. Ich fühlte mich nie dem Druck ausgesetzt, mit einem Preis unter dem Arm nach Hause zurückkehren zu müssen. Ich musste nichts erreichen, um sie stolz zu machen. Sie waren es auch so.