In der Bisinger Kampfsporthalle hat sie es meist mit Männern zu tun. Foto: Dillmann

Interview: Kampfsportlerin Cristina Stanciu spricht über schwere Zeiten, ihre Ziele und Tattoos.

Hechingen - Als Wegbereiter hat man es nicht einfach: Die 23-jährige Cristina Stanciu trainiert seit ihrem zwölften Lebensjahr Kampfsport. Sie ist inzwischen so gut, dass sie als erste Rumänin für den größten Mixed Martial Arts--Veranstalter, der UFC (Ultimate Fighting Championship) kämpfen durfte.

Nun ist sie nach Deutschland gekommen, um sich für eine erfolgreiche Karriere zu rüsten. Im Juli ist sie in die Fighter-WG in Bisingen eingezogen und lebt dort zusammen mit vier weiteren Profi-Kämpfern. Im Gespräch erzählt sie, wie sie sich so in ihrer neuen Heimat zurechtfindet, von schweren Zeiten, die sie bereits durchlebt hat und was es mit ihren Tattoos auf sich hat.

Hast du dich inzwischen gut eingelebt?

Ja, ich wurde sehr herzlich empfangen. Mit nichts in der Tasche als 50 Euro und meiner Katze Mili unter dem Arm bin ich hier angekommen. Die Kämpfer aus der Region haben mir zum Glück ein paar Möbel als Starthilfe organisiert.

Was ist dein großes Ziel?

Ich habe einen Traum: Schokolade! (lacht)

Das haben aber bestimmt viele. Gibt es da vielleicht noch ein anderes?

Ich habe meine Heimat, meine Familie, einfach alles verlassen, um die Beste zu sein. Ich werde mir den UFC Weltmeisterschaftstitel holen.

Wie steht deine Familie zu deinem Beruf und dazu, dass du nach Deutschland gegangen bist?

Als Kämpferin ist es nicht leicht, finanziell unabhängig zu sein. Dadurch war ich für meine Mutter in dieser Hinsicht oft eine Belastung. Sie sieht in meinem Neuanfang in Deutschland eine große Chance und war dafür, dass ich diese nutze. Meine Schwester hält mich für verrückt, unterstützt mich aber. Ich solle nur nicht vergessen, dass Sport nicht alles im Leben ist.

Was sind deine Interessen fernab vom Kampfsport?

Ich liebe drei Dinge: meine Katze Mili, Schokolade und Cartoons. Manchmal bin ich wie ein kleines Kind. Eins meiner größten Hobbys ist das Tanzen. Ich tanze Salsa seitdem ich vier Jahre alt bin. Deswegen ist mein Spitzname auch Barbie. Außerdem habe ich viele Tattoos.

Was bedeuten die?

Die rechte Seite meines Körpers ist bedeckt mit meiner Lebensgeschichte. Auf dem linken Arm trage ich meine liebsten Cartoon-Figuren. Auf meinem Finger steht "Sei glücklich". Das kann nur niemand lesen, weil ich mir in meiner Jugend mein eigenes Alphabet ausgedacht habe. Eine Geheimschrift sozusagen. Meinen Fuß ziert ein Bild, das Wolf und Frau zu einem verschmelzen lässt. Es ist eine persönliche Abwandlung von dem UFC-Logo für Rumänien, das aus einem Wolfskopf und einem Schlangenkörper besteht.

Was erwartet uns in nächster Zeit von dir?

Ich möchte innerhalb der nächsten drei Monate wieder kämpfen. Dafür trainiere ich zwei Mal am Tag und ernähre mich gesund.

Wie verlief deine Karriere bisher?

Meine Karriere in Rumänien begann unglaublich gut. Das erste Mal siegte ich auf professionellem Level im Oktober 2014. Bereits nach 33 Sekunden war der Kampf vorbei und ich siegte durch Technischen KO. Ebenso konnte ich vier weitere Kämpfe im Jahr 2015 vorzeitig für mich gewinnen.

Wie wurde man überhaupt auf dich aufmerksam?

Der kanadische Cutman der UFC Alin Halmagean entdeckte mich über die sozialen Netzwerke. Meine Internetpräsenz war seit meinem zweiten Kampf sehr hoch. So wurde ich als erste Rumänin überhaupt – so gesehen auch als erster Rumäne – von der UFC unter Vertrag genommen. Leider konnte ich bei beiden UFC-Veranstaltungen 2016 im Käfig nicht dominieren, sodass mein Vertrag wieder aufgelöst wurde. Mein Status ist jetzt free agent.

Wie erklärst du dir deine Performance in der UFC?

Ich mache zwar Kickboxen seitdem ich zwölf Jahre alt bin, aber MMA (Mixed Martial Arts) trainiere ich erst seit 2012. Meine rumänischen Gegnerinnen waren nie eine wirkliche Herausforderung für mich. Dass die UFC ein ganz anderes Level ist, konnte ich erst verstehen, als ich schon drin war. Ich war überwältigt und hatte das Gefühl, ganz klein zu sein. Mir fehlte es einfach an Erfahrung mit entsprechenden Gegnern.

Was hat dich nach Deutschland geführt?

Das habe ich Tim Leidecker und Peter Sobotta zu verdanken. Nach meiner Niederlage in der UFC habe ich alles verloren. Mein damaliger Headcoach Tudor Mihaita wollte nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Dadurch stand ich ohne Trainingsort da.

Wie ging es dann weiter?

Ende 2016 hatte ich auch noch ein gesundheitliches Problem. In meinem Bauchraum platzte eine Ader, sodass sich dort ein Liter Blut ansammelte. Ich musste sieben Tage lang im Krankenhaus bleiben. Als ich entlassen wurde, beendete ich außerdem meine Beziehung. Ich bin ein Jahr lang vergeben gewesen. In dieser Zeit habe ich viel geweint und sehr wenig gegessen. Ich hatte das Glück, dass mich Tim Leidecker durch die UFC entdeckt hat. Er bot sich als mein Manager an und ermöglichte mir, nach Deutschland zu kommen. Tim brachte mich bei Peter Sobotta unter. Ihm gehört die Kampfsportschule Planet Eater.

Was gefällt dir am MMA?

Eine Motivation ist wohl, dass ich immer anders sein wollte als meine mädchenhafte Schwester. Die Leute fragten immer: Warum bist du nicht wie deine Schwester? Dadurch wollte ich ihr nur noch weniger ähneln. Außerdem liebe ich es, mich stark und schnell zu fühlen. Ich weiß, dass ich mich jederzeit verteidigen kann und das ist für mich ein Gefühl von Frieden.