Kostüme und Kulissen sind in den Aufführungen sehr aufwändig gestaltet. Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Reaktion der Bewohner ist nicht erklärbar / Warum sind sie dem Landesvergleich nicht beigetreten?

Bisingen. Vor 90 Jahren wurde das Theaterstück, "Der Nichthuldiger" veröffentlicht, geschrieben von den Brüdern Xaver und Karl Schellinger aus Bisingen. Erstaufführung war 1928. 1986 zur 1200-Jahrfeier der Gemeinde und 15 Jahre später (2001) führten 30 Laienschauspieler der Theatergruppe der Nichthuldiger und Kirchamäus das Stück auf. Was davon entspricht den historischen Tatsachen? Otto Bogenschütz kennt die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Durch die zwei Aufführungen des Theaterstücks: "Der Nichthuldiger" ist für die Bisinger der Mythos wachgehalten geblieben, dass die Bisinger dem Hechinger Fürsten als einziges Dorf die Stirn geboten hat. War dies wirklich wahr?

Das Theaterstück der Nichthuldiger wurde 130 Jahre nach dem Landesvergleich von Xaver und Carl Schellinger geschrieben. Die Geschehnisse des Jahres 1798 wurden mündlich von der damaligen Generation auf die Bevölkerung des Jahres 1929 glorifiziert übertragen. Für Bisingen negative Tatsachen haben die Autoren des Theaterstücks einfach unterschlagen.

Wie war das möglich?

Der Dorfneckname Nichthuldiger, von den Bewohnern der umliegenden Orte erfunden, ärgerte die Bisinger. Sie wollten den Spott nicht mehr hören, obwohl sie vor 1929 wussten, dass er zum Teil berechtigt war. Sie sehnten sich danach, dass einer den Begriff Nichthuldiger mit positiven Inhalten ausfüllt.

Wer waren die beiden Autoren?

Carl Schellinger war ein sehr kluger und strategisch denkender Mensch. Er beklagte die Meinungsverschiedenheiten der politischen Parteien und sah in einer Einigkeit denn Ausweg aus der schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Er drückte es in seinem Theaterstück aus: Wenn alle am selben Strang ziehen, kann man etwas erreichen. Er stellte es am Beispiel der Haltung der Bisinger während des Landesvergleichs gegen den Fürsten dar. Er heroisierte den Widerstand der Bisinger gegen den Fürsten.

Entspricht dies den historischen Tatsachen?

Natürlich nicht. Die Bisinger waren mehrere Jahrhunderte die Speerspitze der Untertanenkonflikte im kleinen Fürstentum Hohenzollern-Hechingen. Das Fürstentum war überschuldet, die Abgabenlast der Untertanen war extrem hoch. Die Bisinger beteiligten sich an Aufständen, traten außer Landes und am Ende mussten sie klein beigeben. Der Fürst bestrafte sie danach hart, und so wuchsen die Gemeindeschulden auf 26 000 Gulden. Den Bürgern von Bisingen bleib wenig finanzielle Luft zum Atmen.

Dann war der Widerstand zum Nichtbeitritt zum Landesvergleich berechtigt?

Die politischen Verhältnisse in Deutschland haben sich um 1798 verändert. Die Bisinger haben das nicht erkannt oder wollten es nicht erkennen. In Frankreich fand eine Revolution statt, französische Truppen standen vorübergehend an der Grenze zum Fürstentum. Der Fürst musste Österreich um Schutz bitten. Der junge Fürst Hermann Otto wurde von allen Seiten bedrängt, den Forderungen der Untertanen entgegen zu kommen. Diese politische Zeit ermöglichte indirekte Verhandlungen auf Druck von Österreich und Württemberg. In mehreren Kommissionen wurden über die Forderungen der Untertanen beraten. Der Fürst war kein fanatischer Jäger wie seine Vorgänger.

Welche Errungenschaften schlug die Kommission den Untertanen zur persönlichen Abstimmung vor?

Es wurde vorgeschlagen, dass die Abgabenlast der Untertanen verringert werden sollte, die Frondiensttage reduziert werden, auf das Hagestolzrecht des Fürsten verzichtet wird und die Untertanen aus der Leibeigenschaft entlassen werden. Das Hagestolzrecht berechtigte den Fürsten zum Einzug des Vermögens eines ledig gebliebenen Untertans. Mit der Entlassung aus der Leibeigenschaft benötigte ein Brautpaar keine fürstliche Genehmigung zur Heirat mehr.

Es waren doch tatsächlich Vergünstigungen für die Untertanen. Warum nahmen die Bisinger die Vergünstigungen nicht an?

Rational nicht erklärbar. Die im Dorf Bisingen regierenden Familien waren nicht bereit zur Anerkennung der Realität. Zu ihrer Sturheit gesellte sich auch psychologische Aspekte. Einige Jahre vor 1798 gab es im Gewann Angel ein Vorfall der nachwirkte. Illegal erschoss ein Bisinger einen Hirsch.

Daraufhin verhängte der Fürst eine hohe Strafe. Weiter waren sie verärgert, dass der Fürst einen 50-jährigen Streit mit den Thanheimern und den Steinhofern beendigte. Bei der Aufteilung des gemeinsamen Gemeindewaldes gab es im Jahre 1746 eine Ungerechtigkeit, Bisingen wurde bevorteilt. Bisingen musste von ihrem 1746 zugeteilten Wald, in dem sie Holz zur Finanzierung der Erweiterung ihrer Dorfkirche einschlugen, einen größeren Teil den Thanheimern und Steinhofener abtreten. Die Gemeinde konnte danach ihren Bürgern das jährlich zustehende Bürgerholz nicht mehr geben und der Fürst war natürlich schuld daran.

Wie ging es weiter?

Die Bisinger wurden zu Frondiensten nach alter Regelung herangezogen und blieben formal Leibeigene des Fürsten. Sie durften keine Steuerdeputierten, die über den Landeshaushalt beraten durften, wählen. Die nachfolgende Generation der Bisinger war mit dem Nichtbeitritt zum Landesvergleich nicht glücklich. Sie starten 1841 eine Aktion zum nachträglichen Beitritt zum Landesvergleich. Die Bisinger haben sich aber bei der Hechinger Märzrevolution hervorgetan, die zum Verzicht des Fürsten auf sein Fürstentum führten.