Eine große Gruppe streifte durch Oberreichenbach entlang der Biotope. Foto: Buck

Eine illustre Truppe hatte sich zusammengefunden, um drei Biotopstandorte auf Oberreichenbacher Gemarkung abzugrasen. Gemeinderäte, Verwaltungsspitze, interessierte Bürger und zwei Experten streiften durch die Natur. Die Ergebnisse sind das eine, jetzt müssen Maßnahmen folgen.

Oberreichenbach - Drei Stationen klapperten Teile des Gemeinderates, die Öffentlichkeit und die Verwaltung im Oberreichenbacher Gemarkungsgebiet ab. Die eine in Igelsloch, die andere in Oberreichenbach und zum Schluss in Würzbach. "Vor eineinhalb Jahren waren wir schon mal auf Gemarkung Igelsloch", blickt Bürgermeister Karlheinz Kistner einleitend zurück. Das Thema damals und heute: die Biotopverbundplanung. Die hatte die kleine Gemeinde zu dieser Zeit als erste Kommune in ganz Baden-Württemberg in Angriff genommen. Und ist daher schon fertig, während andere – etwa wie die Stadt Neubulach – erst anfangen. Philipp Beck vom Landschaftserhaltungsverband (LEV) erklärt eingangs nochmals die Hintergründe der Biotopverbundplanung. Die ist im Naturschutzgesetz des Landes verankert und damit verpflichtend – allerdings, so Beck, fehlt ein konkreter Zeithorizont. Oberreichenbach ist hier trotzdem Vorreiter.

Der LEV-Mann untersuchte also gemeinsam mit Thomas Limmeroth vom Institut für Naturschutz und Fachplanungen (kurz INA) aus Herrenberg die Oberreichenbacher Gemarkung. Im Übrigen nicht auf gut Glück, sondern anhand von Biotopkarten, wie Limmeroth später verdeutlicht. Ein Problem dabei: Die Aktualität der Karten lässt – gelinde gesagt – zu wünschen übrig. Schärfer formuliert könnte man auch von "bockalt" sprechen, stammen die Karten doch aus dem Jahr 1995. Deshalb solle es wohl auch bald eine Aktualisierung geben, stellt Beck in Aussicht. Trotzdem haben die Natur- und Artenschützer allerhand entdeckt in Oberreichenbach. "Wir hatten nicht auf dem Schirm, was es alles gibt", zeigt sich Beck beeindruckt. An der ersten Station am Ortsausgang von Igelsloch finden sich reiche Vorkommen des Wiesenknopfs. Dementsprechend ist dort auch der "Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling" beheimatet, eine seltene Spezies, die sonst nur noch in der Rheinebene vorkommt und eher weniger in den Höhenlagen des Schwarzwalds vermutet wird. Um diese Art zu schützen, erklären Beck und Limmeroth unisono, müsse man die Mähzeitpunkte ändern. Und zwar so, dass von Juni bis September nicht gemäht wird.

Pflegevertrag könnte Lösung bringen

Das sei aber nicht immer so einfach, weil das abgemähte Gras aus rein wirtschaftlichen Gründen gebraucht werde, wirft ein örtlicher Landwirt ein, der der Begehung beiwohnt. Genau hier komme dann der LEV ins Spiel, insistiert wiederum Beck. Im Rahmen eines Pflegevertrages könnten hier Zulagen oder Förderungen als Ausgleich fließen. "Wir handeln das dann ja aus und wollen, dass es in die Bewirtschaftung passt", versichert Beck. Genau das ist im Übrigen ein gewaltiges Hindernis, über dass die Biotopverbundplaner mit Sicherheit nicht leichtfüßig hinwegspringen werden – viele Flächen sind nämlich in privater Hand.

"Wie viel brauchen wir noch?", fragt der Landwirt weiter und zielt mit seiner Frage auf die Anzahl der unbewirtschafteten und unberührten Flächen ab. Kistner ordnet daraufhin ein und meint: "Wir brauchen nicht mehr, sondern müssen nur anders bewirtschaften." Das Wissen, "was man wie tut" müsse transportiert werden – das helfe schon viel, ist der Rathauschef überzeugt. Dass manchmal auch Nichtstun gut sein kann, zeigt sich bei der nächsten Station in Oberreichenbach.

Feuchtbrache als Höhepunkt

Ein kurzer Fußmarsch in Richtung Waldrand und schon ist die Gruppe angekommen. "Eine Feuchtbrache", sei das, doziert Experte Limmeroth. Auch hier sei "der Schmetterling der Star", in diesem Fall jedoch ein Randring-Perlmuttfalter, ebenfalls stark gefährdet in seiner Existenz. Zu sehen bekommt man die flatterhaften Tiere an diesem Spätnachmittag zwar nicht, doch seien bei den Begehungen 300 fliegende Exemplare gesichtet worden, berichtet Limmeroth. Sicherlich seien auch gefährdete Heuschreckenarten hier zu finden. Der Standort ist bis auf wenige Baumneupflanzungen unberührt und daher sei hier ein guter Platz für die Schmetterlinge. Eine wichtige Zeigerpflanze für den feuchten Standort ist laut den Experten der "Schlangen-Knöterich", der wie Bürgermeister Kistner es formuliert, "aussieht wie eine Zahnbürste". Alles in allem sei diese Fläche "das Highlight" unter allen begutachteten, freut sich der INA-Entsandte. Am Rand zu dieser schützenswerten Brache könnte die Bewirtschaftung etwas zurückgefahren werden, um den Übergang sanfter zu gestalten, empfehlen die Experten. Hierzu, ergänzt Beck vom LEV, durchforste man gerade die Datenbanken, um herauszufinden, wer überhaupt die Eigentümer der Flächen sind.

Bürgermeister drückt aufs Tempo

Kistner drückt an dieser Stelle dann etwas aufs Tempo, denn die beginnende Technische Ausschusssitzung ab 18.45 Uhr in der Würzbacher Mehrzweckhalle sitzt ihm etwas im Nacken. Also geht es flugs zur dritten und letzten Station – idealerweise in Würzbach gelegen. Ein bodennasser Magerrasen ist hier vorzufinden. Das Besondere ist hier vor allem das wachsende Heidekraut, das in der Hanglage prächtig gedeiht. Ein idealer Platz für zahlreiche Tiere, führt Limmeroth aus. Das liege sicherlich auch an den hier vorkommenden Felsformationen. Am Ende der Tour bedankt sich Kistner bei den Experten für ihre geleistete Arbeit und stellt klar: "Man muss nicht ins Extreme gehen, das gibt nur Widerstand." Deshalb sei es gut, dass die Experten vom LEV und dem INA jetzt auf die Eigentümer zugingen mit Vorschlägen. "Im Nachhinein war es der richtige Schritt, es zu machen", zieht der Verwaltungschef ein positives Fazit. Das sieht am Abend auch der Gemeinderat so und nimmt die vorgestellten Maßnahmen und Ergebnisse "zustimmend zur Kenntnis" – das sogar einstimmig. Das wiederum werden mit Sicherheit, könnten sie es lesen und verstehen, auch die gefährdeten Tiere in den untersuchten Biotopen wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Jetzt aber beginnt für LEV-Mann Beck und seine Kollegen die richtige Arbeit – die Umsetzung der Maßnahmen gemeinsam mit den Flächeneigentümern.