Foto: Kienzler

Zu Besuch bei den Bundesliga-Assen des BV Villingen-Schwenningen. Mit Video

Es ist Mittwochabend,  19 Uhr,  im dritten  Stock eines alten Industriegebäudes in Villingen. Von außen betrachtet – kein gemütlicher Ort. Drinnen befindet sich jedoch die "Niner’s Billard Lounge" – einer der schönsten Plätze in Deutschland, um Billard zu spielen.

Nicht irgendein Billard: Hier wird vor allem Snooker gespielt – und zwar erstklassig. Vergangenes Jahr ist der Billardverein Villingen-Schwenningen in die 1. Bundesliga aufgestiegen. "Eine Sensation", sagt Andreas Gut, stellvertretender Vorsitzender des BVVS und  Verantwortlicher für das Snooker-Team. Ob es nur ein kurzes Vergnügen war, wird sich in den kommenden Tagen herausstellen. Es stehen die entscheidenden Partien in Sachen Klassenerhalt an. "Wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben. Der Traum lebt weiter. Uns helfen aber nur noch Siege", sagt Gut.

Ein Sport für Gentlemen

Alle vier Snooker-Tische in der Niner’s Lounge sind besetzt. Gerade findet das Training statt. Keine fünf Meter daneben spielen Jugendliche Pool. Ob die beiden wissen, dass sich die Tischnachbarn  gerade auf eine Bundesligapartie  vorbereiten? "Nö", sagen sie achselzuckend. Geredet wird hier für gewöhnlich nicht viel – nur im Hintergrund läuft leise Loungemusik. Snooker "Der Sport der Gentlemen", wie sie es im Niner’s nennen und die  feinste Art des Kneipensports Billard: komplexere Regeln,  größerer Tisch, engere Löcher, kleinere Kugeln.

Es herrscht  Stille und Konzentration. Die Spieler benehmen  sich fair und sind chic gekleidet. Die Partien finden wie in einer Parallelwelt zur heutigen Gesellschaft statt, in der immer alles noch schneller gehen muss und die Ellbogen ausgefahren werden.  "Bei uns  gibt es keine Hektik", sagt Andreas Gut. "Hier herrscht Entspannung – es ist ein Ruhepol." Gut ist 52 Jahre alt, Maschinenbauer und "besessen von Snooker". Sogar mit einem gebrochenen Bein hat er schon gespielt.

"Das Spiel ist wie eine Sucht", sagt er. "Wenn dich das Fieber einmal gepackt hat, lässt es dich nie wieder los."  Wie oft er sich schon vorgenommen habe, das Queue an den Nagel zu hängen, weiß er nicht mehr. "Nur, dass ich jedes Mal kurze Zeit später wieder am Tisch stand."  Der Wille, immer besser zu werden – und das "geile Gefühl", wenn er einen perfekten Stoß gemacht hat, treiben ihn an. "Snooker ist wie ein guter Krimi", sagt Gut. Die Anspannung der Spieler am Tisch ist enorm: "Du bist total fokussiert, befindest dich in einem Tunnel. Alles dreht sich darum, was gerade auf dem Tisch geschieht. Der Rest ist egal."

Es geht um Köpfchen

"Man verliert nur durch Fehler,  und die macht man, wenn man – taktisch oder von der Konzentration her –  nicht auf der Höhe ist." Siege finden ausschließlich im Kopf statt. Deshalb wiederholen die Spieler ein und denselben Stoß so lange, bis er in Fleisch und Blut übergeht.   Snooker ist Millimeterarbeit und Perfektion. Das Frustrationspotenzial ist riesig. "Es kommt nicht immer auf die nächste Kugel an. Man muss drei oder vier Kugeln vorausdenken – wie beim  Schach auf einem Billardtisch", gerät Andreas Gut ins Schwärmen. Und wenn ein Zug nicht klappt, brennen sogar einem Gentleman die Sicherungen durch. "Es ist schon vorgekommen, dass Queues durch den Raum geflogen sind",  erinnert  er sich – und kann sich ein verschmitztes Lächeln nicht verkneifen. Ansonsten ist Fairness das A und O. "Das ist ein Teil von unserem Gentlemans-Agreement", sagt Gut scherzhaft. Er steht dafür, wie vielleicht kein anderer. Vor einigen Jahren hat er das Finale der deutschen Meisterschaft verpasst, weil er ein Foul zugab, das außer ihm niemand gesehen hat. Mit dem Ärmel hatte er eine Kugel gestreift. "Auf diese Art das Finale zu erreichen, wäre es nicht wert gewesen."