Sandra Boser zeigt sich im Interview mit unserer Zeitung optimistisch für das kommende Schuljahr. Foto: Hopp

Sandra Boser, bildungspolitische Sprecherin der Landes-Grünen aus Wolfach, über Turbo-Abi, Eltern und Sitzenbleiber.

Oberndorf - Am Montag startet das neue Schuljahr. Sandra Boser aus Wolfach im Kinzigtal hofft, dass dann in den Klassenzimmern alles rundläuft. Die bildungspolitische Sprecherin der Landes-Grünen hat schließlich mit ihrer Regierung so einiges umgekrempelt - und musste dafür viel Kritik einstecken.

Frau Boser, der Schulstart am Montag ist ein emotionaler Moment. Manche haben Bauchschmerzen, bei anderen überwiegt Vorfreude. Wie ging’s Ihnen früher als Schülerin im Kinzigtal?

Ich bin immer gerne in die Schule gegangen. Vor allem weil man nach sechs Wochen Ferien die Freunde wieder trifft. Für mich war Schule nie was Schlechtes oder Schlimmes.

Was war Ihr Lieblingsfach?

Da mache ich mich jetzt unbeliebt: Mathe (lacht). Das Schlimmste für mich war Sport.

Nehmen wir die Gemeinschaftsschule. Wird die zum Erfolgsmodell oder eher zum Problemkind?

Wir sind in regelmäßigem Kontakt mit den Gemeinschaftsschulen. Wir wissen, dass es eine große Herausforderung ist, die Konzepte umzusetzen. Jetzt kommen die ersten Schüler in die siebte Klasse. Da muss man schauen, wie es in den weiterführenden Klassen klappt, wie sie auf den Abschluss vorbereitet werden. Die Gemeinschaftsschule ist an vielen Stellen schon ein Erfolgsmodell.

Mit dem gymnasialen Zug klappt es ja nicht so recht.

Wir haben Schulen, da funktioniert es sehr gut. Zum Beispiel in Konstanz. Dort gibt es 30 Prozent Schüler mit Gymnasialempfehlung. In anderen Gemeinden muss man die Eltern erst noch davon überzeugen, dass diese Schule nicht einzig für die Schwächeren gedacht ist, sondern auch für die Stärkeren.

Ist Grün-Rot einzig fixiert auf die Gemeinschaftsschule – und vernachlässigt andere Themen?

Wir haben die gesamte Bildungslandschaft genau im Blick. Als Grüne gerade auch beim Thema G8/G9. Wir wollen das Angebot an beruflichen Gymnasien beispielsweise nicht durch zusätzliche G9-Züge gefährden. Die Gemeinschaftsschule bietet neue Möglichkeiten. Für uns war es wichtig, die Bildungslandschaft zukunftsfähig zu gestalten. Gerade im ländlichen Raum haben wir das Problem, dass Hauptschulen immer weniger Schüler haben. Die Fahrtwege werden immer weiter. Da brauchen wir Alternativen, um den Abschluss wohnortnah anzubieten.

Apropos G9. Kultusminister Stoch (SPD) will es bei den 44 Modellschule belassen. Fraktionschef Schmiedel (SPD) fordert mehr. Müssen Sie nicht erst mal Ihren Koalitionspartner überzeugen, dass er zu einer einheitlichen Sichtweise kommt?

Das ist jetzt Sache der SPD, sich inhaltlich zu einigen. Da werden wir uns als Grüne nicht einmischen. Aber wir haben mit dem Koalitionspartner die Vereinbarung für 44 Modellstandorte in Baden-Württemberg. Weitere sind nicht geplant. Wir beobachten aber, was bundesweit passiert.

Bundesweit sieht es so aus, dass laut einer Umfrage acht von zehn Eltern gegen G8 sind. Was ist schlecht an G9?

Die CDU hat G8 eingeführt, um im europäischen Vergleich vor allem auch gleichermaßen zu rangieren. G8 sollte auch eine Chance sein, nach dem Abitur beispielsweise noch ein Auslandsjahr zu machen. Oder ein Freiwilliges Soziales Jahr. Das hat sich jetzt leider nicht so ergeben. Wir haben nichts gegen neunjährige Gymnasien. Wir müssen aber das gesamte Bildungssystem im Blick haben. In Baden-Württemberg haben wir nun mal mit beruflichen Gymnasien bereits neunjährige Wege. Die haben wir ausgebaut in der Legislaturperiode. Wir wollen, dass jeder der möchte, die Möglichkeit hat, das Abitur dort zu machen.

Die Zahl der Sitzenbleiber ist gestiegen. Was sagen Sie überforderten Kindern?

Da würde ich mich gerne an die Eltern wenden. Dass es wichtig ist, den Kindern die Schule mit auf den Weg zu geben, die ihrer Leistung entspricht. Wir haben eine Grundschulempfehlung und viele Beratungsgespräche zwischen Lehrern und Eltern. Das Ende der verbindlichen Grundschulempfehlung soll nicht dazu dienen, dass die Eltern ihre Wunschschule für sich erfüllen. Deswegen war es uns auch so wichtig, die Gemeinschaftsschule einzuführen. Dort spielt der Bildungsabschluss am Anfang keine Rolle. In erster Linie geht es um die Leistung die das einzelne Kind erbringt.

Manche Eltern, deren Kinder keine Gymnasialempfehlung erhalten, schicken ihr Kind trotzdem dorthin.

Die Kinder sind ja nicht erst seit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung auf eine andere Schule gewechselt. Schon davor haben immer mehr Eltern ihre Kinder getestet, um auf die höhere Schule zu kommen. Sie haben das teilweise eingeklagt. Das war auch ein Grund für den Wegfall der Verbindlichkeit. Eltern sollen die Wahl haben. Aber es kann nicht sein, dass das in diesem Maße genutzt wird, wie es manchmal der Fall ist. Teilweise sehe ich das mit Sorge.