Ein Jazz-Erlebnis der besonderen Art präsentierte die Big Band „Wüste Welle“ in der Ebinger Festhalle. Foto: Barbara Szymanski

Wüste Welle? Eher ein musikalischer Tsunami schäumte und tobte in der gut halb gefüllten Ebinger Festhalle. Doch dem Publikum, darunter viele Musiker, wie einer der Bandleader erfreut feststellte, brachte die Big Band „Wüste Welle“ nicht Tod und Verderben, sondern ein Jazz-Erlebnis der besonderen Art.

Diese gewisse Rauheit, dieses scheinbar entfesselte Jazzen bis an die Grenzen des noch konsumierbaren, dieser stets drängende, aber eher skizzenartige Impetus umschloss die Zuhörer fast schon magisch. Kam es zum versprochenen Swingen? Eher auf einer Metaebene, auch wenn die Band und die Sängerin Sigrun Schumacher vom Bundesjazzorchester Nummern von Count Basie, Ella Fitzgerald Duke Ellington und Woody Herman offerierte. Das Klangspektrum dieses Orchesters ist von heute, die großen Titel der Swing-Ära frisch und bis zum Strahlen aufpoliert.

Los geht das Jazz-Spektakel mit „Strasbourg St. Denis“. Der Bass rollt, dann nehmen die Musiker das Thema auf, brillieren die Jazzpreisträgerin 2023 Clara Vetter am Piano und Marko Mebus an der Trompete mit fulminanten Soli voller Energie und Lebensfreude. Der von der Band so verehrte Jazz-Trompeter und Arrangeur Dusko Goykovich – mit dem die Big Band „Wüste Welle“ bislang viermal auftrat - komponierte die melodiebetonte Ballade „Adriatica“, die genüsslich ausformuliert wird. Leider setzten sich die Gesangssolisten Marko Mebus und Sigrun Schumacher nicht so recht durch gegen den wuchtigen Sound der Band bei „Moonlight in Vermont“ und „I Just Found Out About Love“, was allerdings im zweiten Set bravourös gelang bei Nummern wie „So Many Stars“ von Sergio Mendes.

Differenzierter und warmer Gesang

Jetzt drang der klare, differenzierte, mitunter warme Gesang von Sigrun Schumacher als melodische Gegenstimme zum breiten Sound der Bigband unter der Leitung von Günter Flumm und des Albstädters Lothar Landesberger wohlfeil ans Ohr des Publikums. Dieses belohnte die solistischen Leistungen der Sängerin genauso wie die von Arno Haas am Saxofon und Ralf Gugel am E-Bass – auch Gitarrist bei „Südlich von Stuttgart“. Alle Soli sind nicht ausladend, sondern fügen sich eher fragmentarisch ein in den immer mehr groovenden, gute Laune erzeugenden Soundteppich des Orchesters.

Abenteuer im Sound-Dschungel

Zu Beginn im zweiten Set soll das Publikum mit „Strenght in Numbers“ Nerven bewahren, warnt der Bandleader. Und tatsächlich: Wegducken hilft nicht: was für ein Jazz-Abenteuer in diesem fast undurchdringlichen Sound-Dschungel. Und er kündigt mit „Freedom Jazz Dance“ eine anspruchsvoll spielbare Nummer an, bei der es viel zu tun gibt für den Drummer David Giesel sowie für die Pianistin Clara Vetter. Auch das Saxofon verliert beinahe die Fassung in diesem komplexen Getöse, das mit „Bella Enamorada“ auch mal spanisch daherkommt – jedoch weit weg von Flamenco. „Da gibt es einen etwas frischeren Input auf die Ohren“, kommentiert das Günter Flumm.

Bemerkenswerte Abschlüsse

Bemerkenswert sind auch die Abschlüsse, manchmal vertröpfelt einer aus bis zum Lufthauch, dann wieder ist das Ende so energiegeladen, dass es einen beinahe vom Sitz reißt. Eine Masche ist deshalb nicht zu erkennen, nur Power-Sound und tolle Ideen. Und Salsa kann die Big Band „Wüste Welle“ auch zum guten Schluss: sanft rollend und mit einer frischen, markanten Brise.