Büroleerstand in London – der Gewerbeimmobilienmarkt kriselt. Foto: vario-press / Bernhard Classen

In der Hoffnung auf Sicherheit und stabile Renditen setzten viele Sparer auf offene Immobilienfonds. Aber die Krise am Büromarkt sorgt für Nervosität – ist das Geld in Gefahr?

Mit dem Versprechen großer Sachwertinvestments mit geringen Beträgen sammelten offene Immobilienfonds viel Geld bei deutschen Kleinsparern ein. Doch der Trend zum Homeoffice und die Zinswende haben den Markt für Gewerbeimmobilien erschüttert. In den vergangenen Monaten zogen Anleger bereits beträchtliche Summen aus den als Betongold beworbenen Finanzprodukten ab – wie bedrohlich ist die Lage?

 

Leerstand, Transaktionsstarre, sinkende Bewertungen: Große gewerbliche Immobilien entwickeln sich für Investoren zunehmend von begehrten Trophäen zum riskanten Klotz am Bein. Vor allem die Nachfrage nach Büroflächen ist seit der Coronapandemie eingebrochen – ob sie sich je wieder richtig erholt, ist ungewiss.

Hinter den Fonds steckt die geballte Vertriebspower der Banken

Für private Kleinsparer ist der Kauf eines größeren Gebäudes in der Regel zu teuer, aber die Finanzwirtschaft bietet über offene Immobilienfonds die Möglichkeit, mit überschaubaren Beträgen in Büroobjekte, aber auch Einkaufszentren oder Hotels zu investieren. Fondsanteile sind teilweise schon ab 50 Euro erhältlich, Anleger beteiligen sich damit in der Regel an einem breiten Portfolio gewerblicher Immobilien.

Die Finanzprodukte erfreuen sich in Deutschland traditionell hoher Beliebtheit, was auch an der geballten Vertriebspower dahinter liegt. Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die großen privaten Geldhäuser Commerzbank und Deutsche Bank – sie alle rühren bei ihren Kundinnen und Kunden seit Jahrzehnten eifrig die Werbetrommeln für offene Immobilienfonds ihrer Tochtergesellschaften Deka Immobilien, Union Investment Real Estate, Commerz Real und DWS Grundbesitz.

Sechs Monate mit Nettomittelabflüssen in Folge

Laut Statistik der Bundesbank belief sich das Fondsvermögen offener Immobilienfonds in Deutschland Ende Januar 2024 auf rund 126,6 Milliarden Euro – Mitte 2023 waren es demnach noch über 132 Milliarden Euro. Dem Analysehaus Barkow Consulting zufolge stiegen die Rückgaben von Fondsanteilen im Januar weiter an und erreichten mit einem Volumen von 639 Millionen Euro das höchste Niveau seit August 2017. Es sei bereits der sechste Monat mit Nettomittelabflüssen in Folge, bilanzieren die Marktbeobachter.

„Es handelt sich um eine veritable negative Überraschung, da der Januar aufgrund der automatischen Wiederanlage von Fondsausschüttungen typischerweise der saisonal mit Abstand stärkste Monat ist“, heißt es bei den Fachleuten von Barkow Consulting. „In der Historie der offenen Immobilienfonds gab es überhaupt nur einen Januar mit Mittelabflüssen – und zwar während der großen Krise im Jahr 2006.“

Rückgabe von Fondsanteilen nicht ohne Weiteres möglich

Die Kapitalabzüge sind auch deshalb bemerkenswert, weil man gar nicht ohne Weiteres aus den Fonds herauskommt. Weil Anleger in der großen Finanzkrise massenhaft Anteile zurückgaben und reihenweise Fonds geschlossen und teilweise liquidiert werden mussten, gelten seit 2013 strikte Regeln. Mindestens 24 Monate lang müssen Fondsanteile nach Erwerb gehalten werden, zudem gibt es eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten. Alternativ kann man Fondsanteile an der Börse verkaufen, dort ist bei widrigem Marktumfeld jedoch mit starken Preisabschlägen zu rechnen.

Zurzeit steht die Anlageklasse von mehreren Seiten unter Druck. Die Zinswende legte nicht nur den Immobilienmarkt lahm, sie machte auch alternative Finanzprodukte wie Anleihefonds, Tages- oder Festgeld attraktiver. Im Herbst sorgte das Geldratgeberportal Finanztip mit einer Verkaufsempfehlung für offene Immobilienfonds für Aufsehen. Die Experten warnten vor einem „perfekten Sturm“ durch gestiegene Zinsen, sinkende Gebäudewerte und geringeren Bedarf an Büroflächen, der die Renditen belaste.

Kritiker bemängeln schwache Performance und hohe Kosten

Tatsächlich lag die jährliche Wertentwicklung von Immobilienpublikumsfonds laut Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management BVI im Februar nur noch bei mageren 0,4 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren betrug die jährliche Performance demnach im Schnitt 2,5 Prozent, über einen Zeitraum von 30 Jahren 3,6 Prozent. Kritiker bemängeln zudem hohe Kosten durch Managementgebühren und sogenannte Ausgabeaufschläge – Eintrittsgelder, die Fondsgesellschaften verlangen.

Die Branche verteidigt sich mit dem Hinweis auf das Risikoprofil der Finanzprodukte. Es handele sich bei offenen Immobilienfonds um eine sicherheitsorientierte Geldanlage, dafür setze man auf langfristige Mietverträge, die regelmäßige Erlöse und somit solide und stabile Renditen erwirtschafteten, heißt es etwa beim Hausinvest, dem über 17 Milliarden Euro schweren Fondsdickschiff der Commerz Real. In über 50 Jahren habe der Fonds noch keine negative Jahresrendite gemacht, rühmt sich der Fondsanbieter.

Bafin: „Kündigungswelle derzeit nicht erkennbar“

„Trotz der Herausforderungen und der im Vergleich zu Zinsanlagen gesunkenen Attraktivität aufgrund des hohen Zinsniveaus erfüllen offene Immobilienfonds als langfristiges Investment wichtige Funktionen im Portfolio“, meint Expertin Sonja Knorr vom Analyse- und Ratingunternehmen Scope. Die Fonds würden über längere Zeiträume zwar nur eine moderate Performance schaffen, seien dafür aber nicht anfällig für große Wertschwankungen. „Damit sind sie oft ein stabilisierender Baustein im Depot.“

Angesichts der langen Mindesthalte- und Rückgabefristen sind abrupte Fluchtbewegungen von Anlegergeld bei offenen Immobilienfonds quasi ausgeschlossen. Doch auch ein langsames Abschmelzen könnte der Branche Probleme bereiten. Grundsätzlich bestehe ein Risiko, dass Fondsgesellschaften nicht ausreichend Liquidität haben für den Fall, dass sehr viele Anleger ihre Fondsanteile zurückgeben möchten, bestätigte die deutsche Finanzaufsicht Bafin jüngst in einer Studie. Allerdings hieß es darin auch: „Eine Kündigungswelle ist derzeit nicht erkennbar“.