Es gibt Fragen, die hat man sich noch nie gestellt. Ist man aber einmal damit konfrontiert, lassen sie einen nicht mehr los, auch wenn sie vielleicht gar nicht bedeutend sind.

Es gibt Fragen, die hat man sich noch nie gestellt. Ist man aber einmal damit konfrontiert, lassen sie einen nicht mehr los, auch wenn sie vielleicht gar nicht bedeutend sind. Dazu gehört die Frage: Was ist bei einer Brezel eigentlich oben? Der dicke Teil oder der dünne?

Alles begann mit einer harmlosen E-Mail. Leserin Margret Jeckel aus Ehningen hatte in unserer Rubrik "Auf gut Schwäbisch" den Beitrag unseres Sprachforschers Roland Groner gelesen, in dem dieser den Begriff Brezel aus dem Lateinischen herleitete: "Aus dem Wort brachitum bildete sich im Althochdeutschen brezita bzw. in der Verkleinerungsform brezitella, später im Mittelhochdeutschen wurde daraus bretze(l), im Schwäbischen Brätzg, Brätzgåt, Brätzåt und im Bayrischen Brezn." "Mir war neu, dass die Brezel doch so unterschiedlich heißen kann", schrieb Leserin Jeckel an das "liebe Zeitungsteam".

Diesem freundlichen Auftakt folgten einige Sätze, die in der Redaktion zuerst staunend zur Kenntnis genommen und alsbald heftig diskutiert wurden. Frau Jeckel nämlich wies uns auf folgende bisher weitgehend vernachlässigte Brezel-Problematik hin: "Welche Gräben sich quer durch Familien und Kollegen auftun können, wenn man fragt, wo bei der Brezel oben und wo unten ist, haben wir letztes Jahr in unserem Lehrerkollegium in Darmsheim festgestellt. Seither beobachten wir selbst bei Autofahrten oder beim Bäcker, wie die Brezeln auf Schildern und Tüten abgebildet sind. Ob es eine wissenschaftliche Untersuchung dazu gibt? Wäre bestimmt mal interessant! Also für mich ist der dicke Teil der Brezel oben! Wer fühlt so wie ich?" Diese Frage hatte so noch niemand gestellt. Schnell zeigte sich, dass in dieser schwäbischen Angelegenheit nicht nur ein Riss durch das Lehrerkollegium in Darmsheim geht, sondern auch durch die Redaktion.

Eine erste schnelle Erhebung ergab ein völlig uneinheitliches Bild, wobei auffiel, dass die Beschreibung von Leserin Jeckel überaus zutreffend ist: In der heiklen Brezel-Frage können sich Gräben auftun, jede Seite ist von ihrer Brezel-Anschauung felsenfest überzeugt.

Von einem wissenschaftlichen Gutachten, nach dem Leserin Jeckel fragte, ist nichts bekannt. Deshalb haben wir uns zur Klärung der Streitfrage an Baden-Württembergs obersten Bäcker gewandt, Landesinnungsmeister Johannes Schultheiß. Wo ist bei der Brezel oben? Antwort von Bäcker Schultheiß: "Ob alle Brezelforscher der gleichen Meinung sind, weiß ich nicht. Für mich ist der Bauch oben, ganz eindeutig. Für den obersten Bäcker spricht dafür die Ästhetik, vor allem aber die Herstellungstechnik: "Wenn die Brezel von Hand geschlungen wird, was bei den allermeisten Handwerksbetrieben der Fall ist, wird die Brezel mit dem Bauch nach oben aufs Blech gesetzt." Und wenn die frische Brezel auf dem Teller liegt? "Würde ich sie auch mit dem Bauch nach oben platzieren."

Ein Interview mit dem Landesinnungsmeister rund um die Brezel werden wir in der kommenden Woche veröffentlichen.