Alles so schön pink hier: Margot Robbie als Barbie und Ryan Gosling als Ken Foto: mago/Picturelux

Schon vorab war der Hype groß, jetzt kommt „Barbie“ in die Kinos. Wie hat die Regisseurin Greta Gerwig, bekannt als engagierte Feministin, den Mythos um die Plastikpuppe angepackt?

Wenn eine Spielzeugfirma einen Film über einen ihrer Bestseller in Auftrag gibt, ist Vorsicht angesagt. Was kann da schon mehr bei herauskommen als ein überlanger, extrem teurer Werbespot mit Alibi-Handlung, dessen Ziel am Ende bloß ist, nur noch mehr Produkte zu verkaufen?

Dass im Fall von „Barbie“ die Sache nun zumindest bis zu einem gewissen Grad komplexer geraten ist, liegt ausschließlich daran, dass als Regisseurin Greta Gerwig verpflichtet wurde. Und die hat mit Filmen wie „Ladybird“ oder „Little Women“ bereits bewiesen, dass sie nicht nur ein durchaus feministisches Anliegen hat, sondern sich auch darauf versteht, veralteten Klassikern einen frischen, modernen Anstrich zu verleihen.

Perfekte Tage in Barbieland

Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Noah Baumbach hat sie nun ein Drehbuch verfasst, das uns direkt hinein ins knallpinke Barbieland katapultiert. Hier erlebt Barbie (Margot Robbie, auch als Produzentin verantwortlich) jeden Tag aufs Neue den absolut perfekten Tag. Von der Präsidentin bis zur Bauarbeiterin wird jeder wichtige Beruf von einer Frau namens Barbie ausgeübt, während Ken (umwerfend: Ryan Gosling) und Seinesgleichen nichts zu tun haben, als am Strand abzuhängen und zu hoffen, dass Barbie mal einen Moment ihrer Aufmerksamkeit übrig hat.

Zum Ausklang gibt es täglich Tanzpartys und Mädelsabende, und alles könnte ewig so glitzernd und sorgenfrei weitergehen. Wenn nicht Barbie eines Tages von ungewohnten Gedanken an den Tod heimgesucht und plötzlich – Schreck, lass nach – flache Füße haben würde, die das Tragen der üblichen hochhackigen Schuhe unmöglich machen.

Jähes Erwachen in der echten Welt

Auf Anraten der „Weird Barbie“ (Kate McKinnon), die ausgegrenzt wird, weil ihr jemand die Haare abgeschnitten und das Gesicht mit Filzstiften bemalt hat, macht sich Barbie samt dem schwer verliebten Ken im Schlepptau per rosa Auto, Boot, Rakete, VW-Bus und Rollerblades auf in die echte Welt, um herauszufinden, wer dort mit ihr spielt und so für das Schwinden ihrer Makellosigkeit verantwortlich ist. Doch der Schock ist groß. Denn anders als in Barbieland angenommen, haben die Puppen in der Realität nicht dafür gesorgt, dass sich alle Probleme in Sachen Feminismus und Gleichberechtigung in Luft aufgelöst haben. Vielmehr muss Barbie feststellen, dass Teenager wie Sasha (Ariana Greenblatt) sie als Symbol des sexualisierten Kapitalismus verachten, während Ken begeistert entdeckt, dass hier Männer das Sagen haben, und sofort die Idee des Patriarchats nach Barbieland importieren will.

Atemberaubende Detailfreude – und alles ist in Pink

Liebevoll, aber mit Biss nimmt Gerwig den Mythos Barbie aufs Korn und hat in der ersten Filmhälfte nicht zuletzt an der visuellen Umsetzung unglaublich viel Spaß. Von den Kostümen bis zu den Kulissen (inklusive Kühlschränke, deren Inneres bloß aufgeklebt ist) ist die pinke Detailfreude atemberaubend; echte Barbie-Fans dürfen sich auf Referenzen an schnell aus dem Programm genommene Puppen wie die schwangere Midge oder Earring Magic Ken freuen. Smarte, flotte Dialoge und Gags über alles von der US-Boygroup *NSYNC bis hin zum Barbie-Hersteller Mattel tun ihr Übriges.

Ungemein unterhaltsam

Der leichtfüßige Spaß tritt ein wenig in den Hintergrund, wenn es im Verlauf der Geschichte weniger um Barbies bunten Plastikalltag geht als um die Frage, was es eigentlich heißt, Frau zu sein in einer Welt, in der ein Mädchen zwar – wie von den Puppen vorgelebt – davon träumen kann, alles zu erreichen, aber die gesellschaftlichen Strukturen dafür längst noch nicht gegeben sind.

Viel tiefer als diese Erkenntnis schürft „Barbie“ im feministischen Anliegen nicht: Während in Barbieland die Jungs an der eigenen Emanzipation zu arbeiten beginnen, wird in der Realität gerade so weit am Status quo gerüttelt, dass ein neues Mattel-Produkt als Lösungsversuch reichen muss. Trotzdem ist es faszinierend mitanzusehen, wie einfallsreich und clever Gerwig sich an dem Balanceakt versucht, kitschigen Kommerz mit politischem Metatext aufzuladen. Und ungemein unterhaltsam ist es allemal.

Barbie: USA 2023. Regie: Greta Gerwig. Mit Margot Robbie, Ryan Gosling, Will Ferrell. 114 Minuten. Ab sechs Jahren.