Mit dem Gemeinderat im Wald: Revierleiter Dietmar Reineke macht auf die winzigen Tannen, Eichen und Buchen aufmerksam, die hier sprießen. Foto: Ungureanu

Natur: Balinger Gemeinderäte im Gespräch und Austausch mit den Förstern bei einer Wanderung auf dem Binsenbol

"Wo komm’ ich her, wo bin ich, wo soll’s hingehen?" Um den Ist-Zustand und die Zukunft des Balinger Stadtwalds in Zeiten des Klimawandels geht es, als sich die Stadträte am Samstagmorgen auf dem Binsenbol treffen.

Balingen. Mit dabei: Forstamtsleiter Christian Beck, die Revierleiter Siegfried Geiger und Dietmar Reineke sowie der Leiter der Holzverkaufsstelle im Landratsamt, Christian Wolf.

Für Siegfried Geiger, der sich seit 37 Jahren um den Balinger Stadtwald kümmert und zuletzt für das Revier Balingen-West zuständig war, ist es die letzte "Amtshandlung" vor dem Ruhestand. Den Wald, den der Feldvermesser Johann Georg Wagner erstmals 1780 als "Bentzenbol" kartiert hatte, kennt Geiger seit den 1980er-Jahren. Damals, erinnert er sich, seien 80 Prozent des Bestands Tannen und Fichten gewesen – in schlechtem Zustand, der Boden vergrast, die Brombeeren hüfthoch: "Es wurde beschlossen, kahlzuschlagen und neu zu bepflanzen." Heutzutage undenkbar, damals üblich.

Die Aufgabe hätten die "drei Musketiere des Balinger Stadtwalds", Reiter, Lorenz und Schairer, erledigt: 9000 Stieleichen wurden gepflanzt, 3000 Hainbuchen und weitere 3000 Winterlinden – und gegen Verbiss eingezäunt, was dem damaligen Forstamtsleiter Maier den Namen "Zaunkönig" einbrachte. Genützt habe es kaum: Die Rehe, erinnert sich Geiger schmunzelnd, seien innerhalb der Einzäunung genau so sorglos unterwegs gewesen wie außerhalb.

Dietmar Reineke, der das Revier Balingen-Ost 2006 übernommen hat, weiß, was wo wächst. Auf ein paar "eingeflogene Kirschen" macht er beim ersten Halt aufmerksam, auf Eschen und Weißtannen, die, wie er sagt, hier verstärkt kommen. Und auf viele halbwüchsige, "pubertierende" Bäume. Erstmals sei hier im vergangenen Jahr durchforstet worden. Stehengeblieben sind Bäume, die er mit einem blauen Ring markiert hat: Es sind die wertvollsten.

Die Holzpreise sind zuletzt deutlich gestiegen

Wie wird der Wert eines Baums bestimmt? Am gefragtesten, sagt er, sei "astfreie Ware". Um sie zu bekommen, müsse zum Teil mit der Säge nachgeholfen werden. Die Wertholzpreise, erklärt Christian Wolf, seien im vergangenen Jahr um 15 Prozent angestiegen – gut für die Stadtkasse, denn die Verträge laufen noch bis zum Jahresende. Das Holz dürfe nicht zu schnell wachsen, weil es sonst eine geringere Dichte habe und "rübig" werde – unten dick und nach oben hin dünner. Jeder Ast mindere die Festigkeit, zuweilen entstünden Risse.

Am 7. Januar 1985, "ein wunderschöner, klarer, frostiger Wintertag", sei er zum ersten Mal in diesen Wald gekommen, erinnert sich Siegfried Geiger. Roteichen, Pappeln, Weiden, Douglasien, Kiefern und Lärchen seien hier gewachsen. Sogar Thuja, und "verschiedene andere". Damals habe noch niemand vom Klimawandel geredet, habe keiner geahnt, dass "eine Halbierung der Frosttage und eine Verdoppelung der Hitzetage" kommen werde. "Und wenn wir es nicht schaffen, bis 2050 weltweit klimaneutral zu werden, geht es man weiß nicht wohin", sagt Geiger.

Dietmar Reineke macht auf die Waldschäden aufmerksam: Bei den Weißtannen habe der Borkenkäfer zugeschlagen. Käferholz dürfe nicht liegenbleiben, es sei "hoch infektiös". Die Tannen, die stehengeblieben sind, seien trotz des vielen Regens in den Sommermonaten noch immer im "Trockenstress", weil das Wasser durch den braunen Jura-Boden nur schwer in die Tiefe dringe. Seine Prognose: "Der Wald wird sich weiter wandeln."

Vielfalt ist die Zukunft des Waldes

Die Gruppe ist an dem Punkt angelangt, wo von einem größeren Bestand an Walnusskiefern ein einziger Baum übrig geblieben ist. Alle anderen sind dem Blasenrost zum Opfer gefallen. Reineke deutet auf den moosigen Boden, wo zwischen Totholz winzige Tannen, Eichen und Buchen sprießen: Hier werde man nichts pflanzen, sagt er, die Natur verjünge sich von allein – und passe sich an.

Primär gehe es darum, den Wald weiterzuentwickeln, zu "lenken", erklärt Christian Beck: "Die Zukunft ist nicht die Douglasie. Die Zukunft ist Vielfalt." Aufgabe des Försters sei es auch, "den Wald vor denen zu schützen, die alles gleichzeitig von ihm haben wollen". Wie im Schwarzwald bei Waldshut: Dort seien die Waldränder weg, "dort kommt in den nächsten 30 Jahren nichts mehr."

An der Weggabelung, die den Forstleuten als "Gaza-Streifen" bekannt ist, gibt es ein Vesper und ein paar Worte zum Abschied. Siegfried Geiger meint rückblickend: "Ich habe meinen Anteil geleistet."