Während der Versammlung selbst beobachteten Polizeibeamte das Geschehen, griffen wegen der Verstöße aber nicht ein. Erst nach Ende des "Lichtspaziergangs" habe man "einige" der Teilnehmer, die keine Masken trugen, stichprobenartig kontrolliert, teilte das Reutlinger Präsidium am Dienstag mit. Ergebnis: Alle Kontrollierten hatten Atteste dabei, wonach sie von der Maskenpflicht befreit seien.
Das war schon in der vergangenen Woche so: "Auffällig oft" waren diese Masken-Bescheinigungen nach Angaben des Balinger Ordnungsamtsleiter Jens Keucher von "Ärzten aus dem Raum Hechingen" ausgestellt gewesen. Mehrere Mediziner stehen dort im Verdacht, Atteste ohne medizinischen Grund ausgestellt zu haben. Deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Stadt will Versammlung "neu bewerten"
Dass die Teilnehmerzahlen stark gestiegen sind, dass viele Teilnehmer keine Maske getragen haben und dass trotz der Hinweise der Veranstalter fast keiner sich ans Abstandsgebot hielt, hat nun möglicherweise Konsequenzen: Man werde die Versammlung im Lichte der bereits gewonnenen Erkenntnisse und der neuen Entwicklungen "neu bewerten", hieß es am Dienstag aus dem Balinger Ordnungsamt.
Dafür ist ein Gespräch mit der Polizei anberaumt. Möglicherweise würden strengere Auflagen angeordnet, vielleicht auch ein neuer Versammlungsort festgelegt. Um, so die diplomatische Formulierung, das grundgesetzlich geschützte Versammlungsrecht einerseits sowie die aktuelle Corona-Lage und damit das Infektionsgeschehen andererseits "in Einklang zu bringen".
Die Veranstalter verstehen den "Lichtspaziergang" als Protest gegen die ihrer Meinung nach überzogenen Corona-Maßnahmen. Christoph Gorschlüter sagte namens der Organisatoren am Montag, aufgrund "fragwürdiger Tests" und "falsch interpretierter Daten" werde ein ganzes Land heruntergefahren, werde ein ganzes Volk "vorsätzlich und rücksichtslos" in die Knie gepresst.
Veranstalter spricht von "Gesundheitsdiktatur"
Deutschland sei auf dem Weg in die "Gesundheitsdiktatur", so Gorschlüter weiter. Die wegen Corona erlassenen Einschränkungen seien außerdem "in vielen Punkten" grundgesetzwidrig; welche Punkte das genau sind, sagte er nicht.
Gorschlüter rief die "Lichtspaziergänger" dazu auf, der Erkrankten, Toten und allen von Corona Betroffenen zu gedenken: "Wir tragen deren Leid in unseren Herzen." Hochachtung empfinde man für die Arbeit des medizinischen und pflegerischen Personals. Man leugne die Existenz des Virus nicht, so Gorschlüter, meine aber, dass es vor allem für Risikogruppen gefährlich sei. Gorschlüter verwies in seiner Rede vor der Stadtkirche auf die Grippewelle 2017/18: Dieser seien in Deutschland nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 25.000 Menschen zum Opfer gefallen. Einen Lockdown wie jetzt aber habe die Politik damals nicht angeordnet. Das sei "merkwürdig".
Ebenso sagte er, Mund-Nasen-Masken schützten nicht vor dem Virus, im Gegenteil: Diese seien "nachgewiesenermaßen" eine Gefahr für die Gesundheit, vor allem bei Kindern. Für seine Rede erhielt Gorschlüter an vielen Stellen Applaus.
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