Im Haus am Stettberg wurde bei zwei Verstorbenen Covid-19 nachgewiesen. Noch in dieser Woche sollen alle Mitarbeiter auf das Coronavirus getestet werden. Foto: Engelhardt

Verstorbene in Seniorenheim wurden positiv auf Covid-19 getestet. Situation verunsichert Belegschaft.

Balingen - Im Haus am Stettberg sind vergangene Woche zwei Verstorbene positiv auf Covid-19 getestet worden. Alle Mitarbeiter des Balinger Pflegezentrums sollen noch in dieser Woche getestet werden. Hausdirektor Arthur Edinger befindet sich bereits seit Montag in Quarantäne.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

"Wir wissen nicht, wie das Coronavirus ins Heim gekommen ist", sagt Clemens Miola von der Evangelischen Heimstiftung. Alle Sicherheitsmaßnahmen seien schon frühzeitig und konsequent ergriffen und umgesetzt worden, betont der Leiter der Regionaldirektion Tübingen.

Er ist verantwortlich für insgesamt zehn der 86 Pflege- und Seniorenheime, die die Evangelische Heimstiftung betreibt. Auch um die drei Einrichtungen im Zollernalbkreis kümmert sich Miola: Pflegewohnhaus Rosenfeld, Seniorenresidenz an der Eyach und Haus am Stettberg. Im letztgenannten Pflegezentrum sei bei zwei Verstorbenen vergangene Woche Covid-19 festgestellt worden. "Das macht uns natürlich betroffen", sagt Miola.

Situation verunsichert die Belegschaft

Die Situation verunsichere auch die Belegschaft. "Kein Mitarbeiter will natürlich die Bewohner gefährden. Wir tun alles, damit unsere Bewohner und unsere Mitarbeiter vor dem Virus geschützt sind", betont der Regionaldirektor. Doch die Erfahrung in Deutschland zeige, dass "keine Schutzglocke über hochsensible Einrichtungen wie Senioren- und Pflegeheime gelegt werden kann."

Seit Wochen werden deutschlandweit in den Heimen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen und Hygienestandards durchgesetzt. Seit 13. März gilt auch im Haus am Stettberg ein Besuchsverbot, größere Versammlungen sind untersagt. Die Bewohner bewegten sich nur noch in ihrer eigenen Wohngruppe. Der Kontakt zu einer der anderen fünf Wohngruppen ist untersagt. Außerdem mussten alle Mitarbeiter Mund-Nase-Schutz-Masken tragen.

Bewohner müssen in ihren Zimmern bleiben

Seitdem klar war, dass die beiden verstorbenen Heimbewohner mit dem Coronavirus infiziert waren, wurden die Maßnahmen in dem Balinger Pflegeheim weiter verschärft, die Bewohner müssen jetzt beispielsweise in ihrem Zimmer bleiben. "Das ist eine schwere Situation für viele", sagt Miola.

Denn die Vereinsamung würde den älteren Menschen schwer zusetzen. "Zusammen mit einem Mitarbeiter können sie zwar noch auf den Balkon, um etwas frische Luft zu schnappen, und sich natürlich mit dem Personal austauschen, doch die fehlenden Besuche der Verwandtschaft und die ausgesetzten gemeinsamen Aktivitäten in der eigenen Wohngruppe steckt nicht jeder einfach so weg." Außerdem tragen die Mitarbeiter jetzt FFP2-Schutzmasken und treffen weitere Vorsichtsmaßnahmen, damit das Virus nicht weitergetragen wird.

Weitere Tests stehen an

"Viele Infizierte haben keine oder nur sehr schwache Symptome, das macht uns allen zu schaffen", sagt Miola. Zwei weitere Verdachtsfälle gebe es unter den Bewohnern, vier unter den Mitarbeitern. Darunter befindet sich auch der Hausdirektor Arthur Edinger, der über das Wochenende leichte Symptome entwickelt hat und sich seit Montag vorsichtshalber in selbstgewählter häuslicher Quarantäne befindet. Von dort aus koordiniert er aber das weitere Vorgehen im Haus am Stettberg. So sollen alle Mitarbeiter des Balinger Pflegezentrums noch diese Woche getestet werden. Außerdem steht er, wie auch Clemens Miola, in ständigem Kontakt mit dem zuständigen Gesundheitsamt.

"Alle Verdachtsfälle wurden bereits getestet", sagt Miola und gibt sich erleichtert: "Die ersten negativen Befunde sind auch schon da." Doch ihm ist bewusst: "Das ist immer eine Momentaufnahme, keiner weiß, wie sich das weiterentwickelt." Für Clemens Miola ist klar, dass in allen hochsensiblen Bereichen weitere Maßnahmen unumgänglich sind. "Mitarbeiter in Pflegeheimen, Kliniken und Arztpraxen müssen schnellstmöglich und unkompliziert getestet werden", fordert Miola. Die Politik stünde in der Pflicht, die Risikogruppen besonders zu schützen.

Wie so etwas gehen kann, zeigt der benachbarte Landkreis. Im Tübinger Luise-Wetzel-Stift wurden nach ersten bestätigten Covid-19-Fällen alle Mitarbeiter und Bewohner getestet. Vier infizierte Mitarbeiter mussten danach 14 Tage zuhause bleiben. Von ihrer Gruppe wurden 15 von 31 Bewohnern ebenfalls positiv getestet. Da keine großen Symptome bei den betroffenen Personen vorlagen, sei das Ergebnis unerwartet gewesen, so der Leiter der Regionaldirektion Tübingen.

"Durch das konsequente Testen haben wir jetzt aber eine sehr hohe Präzision bei der Beurteilung der Situation im Heim und müssen nicht alle Bewohner gleich prophylaktisch isolieren", erklärt Miola und ergänzt: "Wir können nun unsere Ressourcen optimal nutzen und eine Strategie verfolgen, wie wir mit unseren gesunden Mitarbeitern eine pflegerische Versorgung und eine optimale Betreuung jedes Einzelnes unter den schwierigen Gegebenheiten gewährleisten können."

Durch das flächendeckende Testen könnten dann auch die dringend benötigten und nicht in ausreichender Zahl verfügbaren Schutzmasken gezielt eingesetzt werden.

Dekan fordert schnelle Tests für Pflegekräfte

"Einen Shutdown in der Pflege können wir uns nicht erlauben", betont auch Dekan Beatus Widmann mit dem Hinweis auf die Arbeit der kirchlichen Sozialstation Balingen. Deren Mitarbeiter versorgen derzeit 450 Klienten ambulant. "Jeder einzelne Pfleger und Hauswirtschafter ist schon in normalen Zeiten unverzichtbar", erklärt der Dekan. Die derzeitige Praxis, auch bei unspezifischen Symptomen sofort vorsorglich 14 Tage aus dem regulären Betrieb herausgenommen zu werden, würde in der Pflege unweigerlich zu unüberbrückbaren Ausfällen führen. "Und wenn wir unsere Touren nicht mehr fahren können, ist das für die betroffenen Klienten natürlich besonders hart."

Damit die bereits prekäre Situation im Bereich der stationären und ambulanten Pflege nicht noch weiter an Brisanz gewinnt, steht für den Dekan fest: "Das Pflegepersonal und auch deren Angehörige müssen getestet werden – und zwar schnell und auch regelmäßig." Tage lang auf ein Testergebnis warten zu müssen, sei in gesundheitlich relevanten Bereichen untragbar.

Prophylaxe im Balinger Drive-Through denkbar

Auch Thomas Pietsch, Geschäftsführer der Balinger Sozialstation, versteht nicht, wieso seine 70 Mitarbeiter nicht prophylaktisch getestet werden: "Wir sind täglich bei Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören, da sollte nicht erst getestet werden, wenn Symptome auftreten", betont Pietsch und spielt den Ball an das Gesundheitsamt weiter: "Ich könnte mir gut vorstellen, dass die im Balinger Süden geschaffenen Möglichkeiten mit der Drive-Through-Teststation auch für solche Menschen genutzt werden." Dann hätten Mitarbeiter wie Klienten Gewissheit. "Denn keiner von uns möchte das Virus verbreiten."