Blick auf das Turmfundament: Die runde Form des Bauwerks ist gut erkennbar. Die alten Mauern wurden im Rahmen der Grabungen am Stadtgarten freigelegt. Fotos: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Grabungen am Balinger Stadtgarten fördern interessante Erkenntnisse zutage

Balingen. "Vorsicht, hier ist’s sehr matschig", sagt Simone Weise. "Am besten über den Stein da, das ist auch unser Trampelpfad." Weise führt in dieser Woche über die Baustelle am Balinger Stadtgarten, wo ein privater Investor einen Neubau plant.

Seit vergangenem Herbst waren aber Bagger Werkzeug für die archäologischen Grabungen, die auf Weisung des Landesamts für Denkmalpflege dort ausgeführt wurden. Diese neigen sich nun dem Ende entgegen, und Simone Weise zieht ein positives Fazit: Sie habe mit ihrem Team für die Stadtgeschichte interessante Erkenntnisse gewonnen.

Dass man im Zuge des Abrisses des früheren Wohnhauses am Ende der Straße Auf dem Graben fündig werden würde, hatten die Denkmalpfleger erwartet. Ausweislich eines historischen Stadtgrundrisses verlief an dieser Stelle die der Stadtmauer vorgelagerte Zwingermauer. Nebenan, zwischen den Straßen Im Zwinger und Vor dem Gerbertor, sind deren Überreste heute noch für jedermann gut sichtbar.

Ebenfalls in den Plänen festgehalten ist einer der vier Ecktürme, die die äußeren Grenzen der Zwingermauer darstellten. Genau dessen Fundamente haben die Mitarbeiter der mit der Grabung beauftragten Firma ArchaeoBW mittlerweile freigelegt, außerdem, wie Weise es nennt, ein "besonders schön erhaltenes Stück" der Zwingermauer.

Nicht bewahrheitet hat sich im Laufe der Grabungen die Annahme, dass der frühere Turm bis ins erste Geschoss des später errichteten Gebäudes integriert wurde. Der erste Augenschein sei diesbezüglich trügerisch gewesen, sagt Weise: Die Bauherren hatten den rundlichen Verlauf der Turmmauern quasi nur nachgebaut.

Bei ihren Grabungen kamen die Archäologen am Stadtgarten sehr gut voran. Das lag auch am milden Wetter im Februar. Quasi ununterbrochen sei man zugange gewesen, sagt Weise, immer beobachtet von vielen Spaziergängern und interessierten Balingern, die den Buddel-Fortschritt aufmerksam verfolgten.

Offen zu sehen ist mittlerweile das Fundament des Turms, lediglich an einer Stele ist es beschädigt – dort, wo später eine Bodenplatte verlegt wurde. Anhand der Grundmauern lasse sich die Dimension des früheren Eckturms gut nachvollziehen, sagt Simone Weise. Insgesamt vier solcher Türme seien Teil der Balinger Stadtmauer gewesen. Ziemlich wahrscheinlich war das Bauwerk an dieser Stelle ungefähr so groß wie der Wasserturm am Zollernschloss.

In die Tiefe gegraben haben die ArchaeoBW-Leute auch wenige Meter weiter: Bis auf den Schiefer hinunter haben sie die Überreste der Zwingermauer freigelegt. Wie der Turm wurde diese wohl im 15. Jahrhundert errichtet. Das mehrere Meter lange Mauerstück hat den Lauf der Zeit sowie die Tatsache, dass darüber mindestens ein neueres Gebäude errichtet wurde, erstaunlich gut überstanden: Sie ist laut Simone Weise quasi unbeschädigt. An einer Stelle sind sogar Ausbesserungen zu sehen, die wohl im 16. oder 17. Jahrhundert vorgenommen wurden. In deutlich schlechterem Zustand ist die Zwingermauer dort, wo sie als Teil des späteren Gebäudes diente und an der Stelle, wo von der Straße Auf dem Graben her der Abwasserkanal durch sie hindurchgetrieben wurde.

Der gut erhaltene Teil der Zwingermauer sowie das Fundament des Turms sollen, mit Abschluss der Grabungen, nicht abgeräumt, sondern größtenteils erhalten werden. Das bedeutet aber nicht, dass man sie künftig sehen kann; vielmehr werden sie baulich so eingefasst, dass sie im selben Zustand wie heute bestehen bleiben, auch wenn das neue Gebäude darüber errichtet wird. Kulturdenkmale seien nicht abhängig von der Sichtbarkeit, sagt Weise: Auch was im Boden liegt, sei wertvoll. Sichtbar bleiben sie derweil auf moderne, virtuelle Art: Die ArchaeoBW-Leute haben von der Mauer und dem Turm aufwändige 3D-Dokumentationen gefertigt.

Mit dem Abschluss der Grabungen steht dem Neubau am Stadtgarten bald nichts mehr im Weg. Ebenso wenig einem weiteren Projekt, das im Zug der Gartenschau in diesem Bereich verwirklicht werden soll: dem Zwingergarten. Den gab es früher schon an dieser Stelle. Noch ein Stück der Balinger Geschichte, das neu ans Tageslicht kommt.