Das schweizerische Unternehmen Climeworks ist weltweit führend im "Carbon Dioxide Air Capture"-Verfahren. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Umwelt: Schweizer Firma Climeworks wurde von zwei Maschinenbaustudenten gegründet / Auch synthetische Treibstoffe möglich

Balingen. Das schweizerische Unternehmen Climeworks, das weltweit führend im "Carbon Dioxide Air Capture"-Verfahren ist, gibt es bereits seit zehn Jahren. Bei diesem Verfahren wird Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft mithilfe eines speziellen Filtermaterials gefiltert.

Climeworks wurde von Christoph Gebald und Jan Wurzbacher an der ETH in Zürich gegründet. Am ersten Tag ihres Bachelorstudiums für Maschinenbau hatten sie sich kennengelernt, über ihre Zukunftsträume geredet und dabei entschieden, ein Unternehmen zu gründen, um das drängendste Problem unserer Zeit zu lösen – den Klimawandel. Im Rahmen ihres Masterstudiums haben sie die Technologie weiterentwickelt, während ihrer Doktorarbeit weiter ausgefeilt und im Jahr 2009 die Firma Climeworks gegründet. Das Interview erfolgte mit Anna Ahn, zuständig für Marketing und Kommunikation der Firma Climeworks.

Könnten Sie mir bitte kurz erklären, wofür Climeworks steht?

Wir fokussieren uns auf den Bau sowie die Entwicklung der sogenannten CO2- Kollektoren. Diese filtern das Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft. In der Fachsprache nennt sich dieses Verfahren Adsorption-Desorptions-Prozess. Darunter versteht man die Anreicherung von Stoffen aus Gasen an der Oberfläche eines Festkörpers, in diesem Fall dem Filter. Die Desorption stellt den Umkehrvorgang der Adsorption dar.

Wird so ein Verfahren in ähnlicher Form bereits angewandt? Wie kompliziert muss man sich das vorstellen?

Das Verfahren ist sehr simpel, es gibt es schon sehr lange, man nutzt es beispielsweise in geschlossenen Räumen, etwa in U-Booten, um dort das CO2 herauszufiltern, damit die Leute, die im U-Boot sitzen, weiterarbeiten können. Was Climeworks neu gemacht hat, ist, die Technologie so effizient wie möglich zu gestalten und auch auf so eine große Größe hoch zu skalieren. Das wurde noch nie vorher gemacht, und da sind wir einer der drei Marktführer weltweit.

Wie funktionieren die CO2-Kollektoren?

Wir haben einen zyklischen Adsorptions- beziehungsweise Desorptionsprozess. Jede dieser Anlagen besteht aus Modulen, die aussehen wie große Würfel. In der ersten Phase, der Absorption wird das CO2 aus der Umgebungsluft angesaugt. Im Inneren des Kollektors befindet sich unser spezielles Filtermaterial, das nur mit CO2 reagiert und auf seiner Oberfläche einfängt. Ist das Filtermaterial vollgesogen wie ein Schwamm, wird der Kollektor auf etwa 100 Grad erhitzt. Das CO2 löst sich vom Filtermaterial und kann gesammelt werden. Nach dieser zweiten Phase, der Desorption, beginnt der Zyklus von Neuem.

Wozu genau wird das abgesaugte CO2 verwendet?

Hier in der Schweiz liefern wir das CO2 hauptsächlich in ein nahe gelegenes Gewächshaus, um das Pflanzenwachstum zu beschleunigen. Ein weiterer Abnehmer ist der Getränkehersteller Coca-Cola. Wir machen aber auch Treibstoffe damit. An der Hochschule in Rapperswil sind wir an einem Projekt beteiligt, mit dem wir erneuerbares Erdgas herstellen.

Worin liegt die Intention von Climeworks?

Weil wir zu viel CO2 in der Atmosphäre haben, müssen wir dies physisch mithilfe der Carbon Dioxide Air Capture-Technologie wieder zurückholen, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Ich habe gehört, dass Sie erneuerbare Treibstoffe herstellen. Wie funktioniert das genau?

Wenn wir das CO2 aus der Luft nehmen und Wasser mit erneuerbarer Energie spalten, können wir CO2-neutrale synthetische Treibstoffe herstellen. Dazu filtern wir das CO2 aus der Luft, kombinieren es mit Wasserstoff und können damit beliebig lange Kohlenwasserstoffketten herstellen. Treibstoffe sind nichts anderes als Kohlenwasserstoffketten: Wenn diese synthetischen Treibstoffe dann verbraucht werden, zum Beispiel im Flugzeug, stößt dieses natürlich wieder CO2 aus. Weil wir es zuvor aber aus der Atmosphäre geholt haben, ergibt sich ein geschlossener Kreislauf.

Das heißt, wir produzieren nicht zusätzlich CO, sondern wir recyceln das CO aus der Luft. Dieser Ansatz ist essenziell: Bis vor einem Jahr hat uns die Flugindustrie komplett ignoriert, aber mittlerweile bekommen wir sehr viele Anfragen.

Sind weitere Großprojekte in Planung?

Seit knapp einem halben Jahr etwa haben wir eine Zusammenarbeit mit dem Flughafen in Rotterdam, wo wir die erste Testanlage weltweit bauen, die erneuerbares Kerosin herstellt. In Island arbeiten wir an einem Kollektor, der das CO2 aus der Luft filtert. Anschließend wird es mit Wasser vermengt und in etwa 700 Meter Tiefe gepumpt, wo das CO2 mit dem Vulkangestein reagiert und innerhalb von zwei Jahren bis zu 95 Prozent versteinert. Es handelt sich um einen potenziell riesigen Markt, um der Welt zu ermöglichen, CO2 neutral zu werden beziehungsweise die Emissionen auf netto Null zu bringen.

Glauben Sie, es sei dadurch möglich, den Klimawandel zu stoppen?

Wir sind nicht der Weltretter. Wir sagen nicht, dass man mit uns den Klimawandel lösen kann. Man muss zuerst alle Emissionen auf Null bringen und dann noch zusätzlich CO2 aus der Atmosphäre holen. Wir sind ein Puzzle, eine Lösung von vielen, die dazu beitragen kann. tttttttttttttttttttttt  Die Fragen stellte Tim Rist.