Dietrich Schöller-Manno und das arcademia sinfonica haben mit den "Russischen Meistern" ein Glücksgriff getan. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Arcademia sinfonica und Solistin Fiona Jäntti glänzen mit russischen Meistern in der Stadthalle

Wieder einmal hätte sie ein volles Haus verdient gehabt, die arcademia sinfonica unter der Leitung von Dietrich Schöller-Manno. "Russische Meister" war am Sonntag in der Stadthalle der Titel ihres ersten Abonnementkonzerts der Saison.

Balingen. Das Orchester war in glänzender Verfassung, die Geigen-Solistin Fiona Milla Jäntti mit Schostakowitschs 1. Violinkonzert ein Glücksgriff. Und auch Tschaikowskys "Pathétique" hinterließ nachhaltigen Eindruck.

Zeitlebens hatte Dimitri Schostakowitsch mit der sowjetischen Kulturbürokratie zu kämpfen, die ihn einmal scharf maßregelte und ein andermal in den Himmel hob.

Die arcademia begann den Abend mit der 1953 entstandenen "Festlichen Ouvertüre" opus 96 und präsentierte sie absolut mitreißend. Fast vergaß man, dass Schostakowitsch sich hier in erster Linie mit leerer Virtuosität und blankem Positivismus der offiziellen Kritik beugte.

Auch 1948 war es ein Beschluss "gegen Formalismus und Volksfremdheit" in der Musik gewesen, der Schostakowitschs 1. Violinkonzert sieben Jahre in die Schublade verbannte, bevor David Oistrach die Uraufführung wagte. In Balingen war es die junge Finnin Fiona Jäntti, die dieses Konzert zu einem einmaligen Erlebnis machte, klangmächtig, technisch perfekt und mit tiefer Einsicht in Charakter und Struktur.

Schostakowitsch verwarf die traditionelle Konzertform und schuf seine eigene, höchst individuelle. Einem düster-bedrückenden Notturno folgt ein komplexes, schnelles Scherzo und eine unerbittlich dahinschreitende Passacaglia. Sie mündet in eine ausgedehnte Geigen-Kadenz, erst tastend und suchend, dann frei und virtuos – fast ein selbstständiger Satz. Attacca geht es aber hinein in den letzten Satz, eine Burleske: taumelnd, ausgelassen, überdreht – eine anbefohlene Festlichkeit, spürt man.

Schon Tschaikowsky hatte mit seiner letzten Sinfonie die traditionelle Form verworfen. Hatte er noch in der 5. Sinfonie – die arcademia hatte sie vergangenes Jahr auf dem Programm – den Kampf mit dem Schicksal mehr oder weniger erfolgreich enden lassen, so wagte er es jetzt, deutlich zu machen: zur Hoffnung besteht kein Anlass. Er tat dies konsequent, mit unbedingtem Ausdruckswillen und nicht mal sonderlich pathetisch – der Beiname "Pathétique" stammt von Tschaikowskys Bruder.

Zentrale Klammer der Sinfonie sind die Ecksätze. Der Kopfsatz kennt noch die Auflehnung: Zumindest die Durchführung explodiert mit brutaler Heftigkeit. Aber das Finale resigniert und erlischt in der Tiefe. Mit formaler Stringenz, klarem Ausdruck und frei von Sentimentalität stellte dies Schöller-Manno mit seinem Orchester dar.

Die beiden Mittelsätze waren freundliche Intermezzi: der "Walzer" im Fünfvierteltakt und der Marsch, der vergeblich Fahrt aufnimmt und dessen scheinbar positiver Forte-Schluss attacca im Adagio lamentoso landete – gute und richtige Idee von Schöller-Manno.

Die Zuhörer wussten erst nicht: darf man, soll man klatschen? Man durfte, und zwar nicht zu knapp.