"Keine Angst, sowas machen wir nicht!", sagt Hermann Maier, während er Ohrmarke und Zange demonstrativ ans Ohr des Kälbchens hält. Die Kühe auf der Weide staunen: Solche gelben Dinger haben sie noch nie gesehen. Foto: Ungureanu

Ostdorfer Bio-Landwirt Hermann Maier will, dass seine Tiere würdevoll leben bis zum Tod – ohne EU-Ohrmarken.

Balingen-Ostdorf - "Es ist ein Skandal", sagt Hermann Maier. Der Bio-Bauer, auch als "Rinderflüsterer" bekannt, ist sauer. 173 Kühe, Bullen und Kälber, die im freien Familienverbund auf dem Uria-Hof leben, soll er mit Ohrmarken versehen. So will es das Regierungspräsidium und beruft sich auf geltendes EU-Recht.

Das kommt für den Ostdorfer Landwirt nicht in die Tüte. Seine Rinder sollen in Würde leben bis zu ihrem Tod. So natürlich, wie in der Nutztierhaltung möglich, auf 70 Hektar Weide, ohne Hormone und Antibiotika – und ohne Ohrenmarken. Stattdessen tragen sie einen Chip neben der Schwanzwurzel.

Und genau daran scheiden sich die Geister. Der Chip muss her, heißt es in einem Schreiben an Landrat Günther-Martin Pauli. Der hatte dem Ostdorfer Landwirt für seine Herde eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Die sei rechtswidrig, urteilt das Regierungspräsidium. Und sollten Landratsamt und Landwirt das innerhalb der gesetzten Frist – bis 18. August – nicht einsehen, werde man sich andere rechtliche Schritte überlegen. Im Zweifelsfall auch gegen den Willen des Landrats.

Hermann Maier kontert: Kennzeichen "wie an einem Auto" hätten an den Ohren seiner Rinder nichts zu suchen. Nicht nur, weil das Anbringen schmerzhaft sei, sondern weil die Ohrmarken bei frei lebenden Rindern beim Durchstreifen von Gebüsch immer wieder ausgerissen werden, was zu schwerwiegenden Verletzungen führe. Einen ausgewachsenen Bullen mit Ohrmarken zu versehen, wäre zudem lebensgefährlich.

"Noch nie habe ich ein so dummes, freches und verlogenes Schreiben gesehen wie das vom Regierungspräsidium an Herrn Pauli." Der Autor sei ihm bekannt, er habe mit ihm, Maier, noch eine alte Rechnung offen. "Er hat nicht zum ersten Mal gelogen. Er hat es nachweislich schon davor getan – und Regierungspräsident Strampfer glaubt ihm und hat unterschrieben." Rücksprache sei mit niemandem gehalten worden.

Landrat Günther-Martin Pauli hat für die Chip-Kennzeichnung der halbwilden Herde im Frühjahr die Sondergenehmigung erteilt. Das Schreiben des Regierungspräsidiums kann er nicht verstehen. "Wir werden als Untere Verwaltungsbehörde nicht ernst genommen", sagt er verärgert. "Die Voraussetzungen für eine Sondergenehmigung sind erfüllt. Wir wollen keine Narrenfreiheit." Das, was durch die Ohrenmarken bezweckt werde, nämlich, die Tiere zu identifizieren, sei auch durch die Chips gegeben. "Wenn das Regierungspräsidium den Betrieb schließen will, dann soll es ihn schließen und sich nicht hinter Gesetzesbuchstaben verstecken", sagt Pauli. Von dem Versuch, etwas gegen die rechtskräftige Ausnahmegenehmigung des Landratsamts durchzudrücken, könne er nur abraten.

Die Chip-Kennzeichnung sei die wesentlich fortschrittlichere Methode, ist Pauli überzeugt. Er habe bereits mit EU-Abgeordneten Kontakt aufgenommen und angeregt, das EU-Recht entsprechend anzupassen. "Das haben wir dem Regierungspräsidium deutlich mitgeteilt, aber die Fachleute dort wollen nichts davon wisssen. Es sind Bürokraten, die die Situation vor Ort nicht kennen."

Hermann Maier sieht dem, was kommt, gelassen entgegen. Bis die Sache durch die letzte Instanz sei, werde mit Sicherheit die Genehmigung aus Brüssel für die Chip-Kennzeichnung vorliegen. Er werde nicht klein beigeben. "Mir fehlt das Fluchtgen", fügt er schmunzelnd hinzu.

Für seine Überzeugung hat er jahrzehntelang gekämpft. Lebendtransporte in den Schlachthof? "Nur über meine Leiche", sagt er. 13 Jahre hat er mit den Behörden gestritten, bis er die Genehmigung hatte, seine Tiere auf der Weide zu töten. Weitere zehn Jahre hat es noch gedauert, bis er das Fleisch europaweit verkaufen durfte. Und noch länger, bis die Zulassung für die von ihm erfundene und mit EU-Mitteln finanzierte "Mobile Schlachtbox" da war.

Die jahrzehntelangen Querelen trieben Maier fast in den Ruin. Der Hof sollte zwangsversteigert werden. Allein durch Spenden konnte er die Pleite abwenden. Jetzt will er sich in einem Brief an den Regierungspräsidenten wenden und ihn bitten, sich mit ihm und Landrat Pauli zusammenzusetzen. "Wenn er es nicht tut, kann er von mir aus seinen Hut nehmen. Dann brauchen wir so einen Regierungspräsidenten nicht", sagt er.