Hans-Ekkehard Reimann spricht in der Friedenskirche über Süchte und Auswege daraus. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Landesvorsitzender des "Blauen Kreuzes" referiert in der Frommerner Friedenskirche

Balingen-Frommern. Ein Informationsabend über das Thema "Sucht" hat in der Friedenskirche Frommern stattgefunden. Referent war Hans-Ekkehard Reimann, der Vorsitzende des Landesverbands des Suchthilfevereins "Blaues Kreuz".

Im Kurzinterview mit Christian Franz von der evangelisch-methodistischen Kirche berichtete Reimann über seinen eigenen Weg in die und aus der Sucht. Dabei stellte sich heraus, dass Reimann in Ebingen geboren wurde und aufgewachsen ist. Seinen Vortrag begann er mit der Aussage: "Wir leben in einer Welt der Süchte."

Die meisten Suchtkranken litten unter der Abhängigkeit von Alkohol, Nikotin und Medikamenten, weit vor Drogen wie Heroin oder Kokain. Neue Süchte seien Spielsucht, Online- und Handysucht sowie Kaufsucht. Während die Nikotinsucht zuletzt zurückgegangen sei, rücke die Medikamentensucht stärker in den Fokus, von Reimann in Anlehnung an einen Rolling-Stones-Titel "Mother’s Little Helper" genannt.

Die Gründe sind nach Aussage des Referenten für alle Suchtarten identisch: Menschen sehnten sich nach Liebe, Anerkennung, Geborgenheit, Beziehungen. Der Konsum von Suchtmitteln diene als Scheinbefriedigung dieser Bedürfnisse. Bindungslosigkeit werde so überdeckt.

Davon leitet Reimann seine These ab, dass es sich bei Sucht um fehlgeleitete Sehnsucht handelt: "In der Sucht ersetzt das Suchtmittel tragfähige Beziehungen. Es wird zum scheinbar sicheren Hafen." Zuerst überwiege der Eindruck: "Sucht tut gut."

"Aber Sucht will mehr. Sie braucht eine ständige Dosissteigerung um die gewünschte Wirkung zu entfalten", so Reimann weiter.

Der Weg aus der Sucht beginne mit der Erkenntnis, dass eine Abhängigkeit bestehe oder drohe. Nur wenn der Wille zur Veränderung vorhanden sei, gebe es eine Chance auf Heilung, denn Sucht sei eine anerkannte Krankheit, so der Referent.

Ganz wichtig ist für ihn die Bereitschaft, die Hintergründe der Sucht zu erkennen und heraus aus dem Ghettodenken zu kommen. Dazu sei es notwendig, Abstinenz herzustellen, um die Hintergründe bearbeiten zu können. Persönlichkeitsdefizite müssten erkannt und bearbeitet werden.

Eine neue Lebenskultur und ein Lebensstil ohne Suchtmittel müsse entwickelt werden. Angebote zur Neugestaltung von Lebensentwürfen in Gemeinden, Vereinen und Selbsthilfegruppen hält der Referent für fundamental und sieht hier auch eine Aufgabe für christliche Gemeinden, indem Informationen zur Glaubensorientierung und Sinnfindung offeriert werden. Von zentraler Bedeutung für die langfristige Suchtbewältigung seien die Selbsthilfegruppen.