Gemeinderat fordert im Gegenzug mehr Schutz für Mensch und Natur sowie Erhalt der Kulisse.
Balingen - Einstimmig und mit ausdrücklicher Ermunterung durch Oberbürgermeister Helmut Reitemann hat der Balinger Gemeinderat am Dienstag eine klare politische Forderung zum künftigen Kalksteinbruch auf dem Plettenberg abgegeben: Die Süderweiterung dürfe nur kommen, wenn im Gegenzug Menschen und Natur besser geschützt werden und die Kulisse erhalten bleibt.
Eigentlich ist solch eine politische Forderung in einem Anhörungsverfahren, wie es derzeit läuft, eher unüblich. Aber was ist in der Diskussion um den Abbau auf dem Plettenberg noch normal? Insbesondere die jüngsten Entwicklungen – Stichwort: Abbau der Nord-Ost-Kulisse in Richtung Roßwangen, Weilstetten und Frommern schon von diesem Jahr an – hatte die Stimmung der Balinger Stadträte und der Stadtverwaltung gehörig angeheizt. Ergebnis: der Beschluss von Dienstag.
Wie berichtet, will die Firma Holcim auf dem Plettenberg den Kalksteinbruch in südlicher Richtung erweitern; dazu sollte die Stadt Balingen eine Stellungnahme abgeben. Grundsätzlich, so der Tenor im Gemeinderat, sei das in Ordnung. Aber.
"Wäre Abbau eines so prägendes Bergs auch in der Schweiz möglich?"
Es gehe um deutlich mehr als die Erweiterungsfläche, sagte Werner Jessen (Freie Wähler). Der Plettenberg sei einer der markanten Hausberge Balingens und der Region. Dass Holcim den – seit Jahrzehnten genehmigten und rechtlich wohl unangreifbaren – Abbau der Ost-Kulisse in Richtung der Balinger Stadtteile und Hausen am Tann angehe, "gefällt uns nicht". Mit Sorge sehe man, so Jessen, dass die Abbaugeschwindigkeit seit der Übernahme des Zementwerks Rohrbach durch Holcim deutlich zugenommen habe. Jessen fragte: "Wäre es in der Schweiz (dem Sitz Holcims) erlaubt, so einen prägenden Berg so schnell für Exportzwecke abzubauen?" Ulrich Teufel (SPD) sagte, die Hangkanten des Plettenbergs dürften von Holcim nicht "geopfert" werden. Ähnlich äußerte sich Uwe Jetter (Grüne). Und Klaus Hahn sagte, ihm sei aus heutiger Sicht unverständlich, wie vor rund 40 Jahren der Abbau der Traufkanten überhaupt genehmigt werden konnten. Dietmar Foth (FDP) sagte, dass Holcim auf sein Recht auf Kulissenveränderung verzichten solle – ansonsten sollte es keine Zustimmung Balingens zu der von Holcim gewünschten Süderweiterung der Abbaufläche geben.
Diesen Zusammenhang stellten die Sprecher der Fraktionen auch für weitere Punkte her: Außer für den Erhalt der Kulisse soll Holcim auch dafür garantieren, für die Gesundheit der Bewohner der Region das bestmögliche zu tun. Werner Jessen führte aus, dass das Zementwerk der Hauptübeltäter beim Ausstoß von Schadstoffen im Zollernalbkreis sei. Das Unternehmen könne diesbezüglich aktiv werden, indem es bessere Filtertechnik installiere. "Wir wollen bestmöglichen Schutz für die Menschen", so Jessen, und weiter: "Das sollte eigentlich auch für Holcim selbstverständlich sein." Foth sagte mit Blick auf die Emissionen, dass Holcim sich an geltende Vorschriften halte. Richtiggehend "erzürnt" habe ihn nun aber, dass das Regierungspräsidium Tübingen für den Ausstoß von Kohlenmonoxid eine weitere Ausnahmegenehmigung für die nächsten fünf Jahre erteilt habe (wir berichteten).
Sprecher aller Fraktionen machten deutlich, dass sich die Einstellung und die Sensibilität der Menschen bezüglich dem Schutz vor Schadstoffen und dem Schutz der Natur seit der "großen" Plettenberg-Abbaugenehmigung der Jahre 1977/82 deutlich geändert hätten. Auch die Rechtslage habe sich seitdem fortentwickelt. Diese Punkte müssten bei der nun anstehenden Süderweiterung neu verhandelt werden. Dazu gehöre auch, die Resthochfläche sowie die renaturierten Areale des Kalksteinbruchs dauerhaft unter Schutz zu stellen.
Eine eigene Breitseite bekam in der Diskussion das Landratsamt ab: Er hätte sich gewünscht, so Oberbürgermeister Reitemann, darüber informiert zu werden, dass die Plettenberg-Kulisse in Richtung Roßwangen schon von diesem Jahr an und damit früher als gedacht abgebaut werden soll. Werner Jessen wurde deutlicher: Er fühle sich überfahren und überrumpelt, dass dies nicht geschehen sei. So schaffe die Kreisbehörde "kein Vertrauen". Dietmar Foth meinte, auch wenn die Genehmigung nicht veröffentlichungspflichtig gewesen sei, so hätte das Landratsamt sie – Stichwort: politische Sensibilität – doch bekannt machen sollen: Die Behörde dürfe gerne auch mehr tun, als rechtlich notwendig sei.
Noch deutlichere Zeichen: Dietmar Foth regt Demonstrationen an
Zudem drängte Foth darauf zu überlegen, neben der politischen Forderung des Gemeinderats noch deutlichere Zeichen zu setzen, um Holcim von deren Ernsthaftigkeit zu überzeugen. Demonstrationen, parteiübergreifend und zusammen mit dem Naturschutzbund, könnten Holcim womöglich besser vor Augen führen, dass bestmöglicher Schutz vor Immissionen und absoluter Kulissenschutz das Gebot der Stunde sei.