Vielleicht hilft beten: Landrat Pauli während der Vorstellung des Kreis-Gutachtens zur Zukunft des Zollernalb-Klinikums. Die Ergebnisse der Experten sind deutlich – und werfen neue Fragen auf, die die Kreispolitiker vor harte Entscheidungen stellen. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder-Bote

Krankenhausdebatte: Die beiden Klinik-Gutachten untermauern Haltung des Landrats – und bringen neuen Gegenwind

Von Steffen Maier

Zollernalbkreis. Günther-Martin Pauli konnte zumindest zu Beginn dieser Woche zunächst einmal dankbar sein. Zum einen dem Albstädter Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, zum anderen seinem langjährigen politischen Weggefährten und Konkurrenten Hans-Martin Haller von der SPD. Konzelmann hatte für die Stadt Albstadt ein eigenes Gutachten zur Zukunft des Zollernalb-Klinikums in Aufrag gegeben, Haller die schnelle Veröffentlichung des Kreis-Gutachtens zum selben Thema gefordert. Wie sich gezeigt hat, konnte und kann Pauli mit den Ergebnissen, die nun zügig öffentlich wurden, zunächst sehr gut leben, ja mehr sogar: Sie bestätigen sein Vorgehen, für das er in den vergangenen Monaten sehr viel Prügel einstecken musste, voll und ganz. Die Gutachten nahmen ihn aus der Schusslinie – zugleich aber kommt in der Krankenhausdebatte neuer Gegenwind auf.

Von der "Klarheit der Aussagen" in beiden Gutachten ist Pauli, wie er diese Woche sagte, selbst überrascht. Dass er dafür, das Gutachten des Kreistags angestoßen zu haben, heftig angegangen und sogar als bösartig dargestellt worden sei, gehöre nun einmal zu seinem Job. Als Verwaltungschef und Politiker, so Pauli, müsse man bisweilen eben auch unpopuläre Dinge anpacken.

Unterstellungen haben sich nicht bewahrheitet

Das Gutachten habe er gewiss nicht aus "Lust und Tollerei" in Auftrag gegeben, vielmehr sei zum damaligen Zeitpunkt schon deutlich gewesen, dass die Krankenhausstruktur im Zollernalbkreis dringend überarbeitet werden müsse. Einfach "betriebsblind weiterzuwursteln" sei der falsche Weg. Diese Einsicht habe er aufgrund seiner engen Einbindung als Aufsichtsratsvorsitzender in die Klinikgeschäfte immer deutlicher gewonnen.

Emotional, zum Teil unsachlich, bisweilen hart an der Grenze zur Beleidigung war Pauli seit dem vergangenen Sommer angegangen worden. Pauli, neben seinem Amt als Landrat des Zollernalbkreises auch Vorsitzender des Aufsichtsrats des Zollernalb-Klinikums, hatte die Weiterentwicklung des Medizinkonzepts des Klinikums angestoßen. Der Kreistag gab im Juli 2015 das Gutachten in Auftrag.

In der damaligen Kreistagssitzung erntete Pauli dafür, das Gutachten überhaupt in Auftrag geben zu wollen, heftige Kritik, vor allem von Albstädter Kreisräten. Lennart Spengler, selbst Arzt, sagte, dass es sich beim Auftrag für das Gutachten um eine "politische, nicht medizinische Entscheidung" handele. SPD-Mann Elmar Maute deutete an, dass das Ergebnis – Zentralisierung in Balingen, Schließung in Albstadt – von vorneherein feststehe und mit dem Gutachten nur untermauert werden solle.

Anton Reger, Erster Bürgermeister in Albstadt, beklagte den seiner Meinung nach fehlenden roten Faden in der Krankenhauspolitik des Landkreises, da keine zehn Jahre nach der Entscheidung, Hechingen zu schließen und die beiden Standorte Balingen und Albstadt weiterzubetreiben, nun erneut an der damals beschlossenen Struktur gerüttelt werde.

Andere Albstädter forderten vor der Kreistagssitzung gar, dass Albstadt den Landkreis verlassen solle, falls im Kreisparlament weiterhin Politik zu dessen Ungunsten betrieben werde. In Leserbriefen wurde Landrat Pauli als Schlächter der Albstädter Interessen hingestellt.

Die Bürgerinitiative Pro Krankenhaus in Albstadt gründete sich. Der Albstädter Oberbürgermeister Klaus Konzelmann gab das eigene, das sogenannte Gegengutachten, in Auftrag.

Nun wurde deutlich: Von all diesen Unterstellungen, Mutmaßungen und Befürchtungen hat sich nicht eine bewahrheitet. Beide Gutachten liegen vor, beide kommen unabhängig voneinander zum selben Schluss: Sowohl das Büro Teamplan (Kreisgutachten) als auch Ernst&Young (Gutachten Albstadt) und außerdem unisono die Chefärzte des Klinikums sagen im wesentlichen, dass auf lange Sicht nur ein neues Zentralklinikum medizinisch und wirtschaftlich sinnvoll, die derzeitige Zwei-Standorte-Lösung dagegen auf Dauer nicht überlebensfähig sei.

Einzelne Kreisräte, so Pauli, hätten sich nach der Vorstellung des Gutachtens bei ihm für ihre Äußerungen in den vergangenen Monaten entschuldigt. Neben den persönlichen Angriffen habe ihn am meisten der Vorwurf getroffen, dass er "ohne Not" die 2005 beschlossene Krankenhausstruktur auf den Prüfstand stellen lasse.

Nicht erst seit Vorliegen des jetzigen Gutachtens sei er ein Befürworter des Zentralklinikums, so Pauli. Bereits 2005, als der Kreistag die Schließung des Hechinger Krankenhauses beschloss, habe er sich für den Bau des Zentralklinikums ausgesprochen. Diese nachhaltige Lösung sei damals indes an politischen Interessen und wegen kurzfristig gedachten wirtschaftlichen Gründen gescheitert. Für die große neue Lösung reichte der Mut nicht. Das räumen einige der damals beteiligten Kreisräte heute ein.

Sicher sei er nun erleichtert, sagte Pauli Mitte dieser Woche, als die Gutachten vorlagen; noch mehr aber freue es ihn, dass man auf deren Grundlage nun wieder sachlich über das Thema diskutieren könne. Am Ende dieser Woche indes zeigt sich, dass diese Hoffnung trügerisch sein könnte. Sachlich? Erneut an die Oberfläche gespült werden vielmehr altbekannte Argumentationsmuster, deutlich wird, dass womöglich erneut die Kirchturmpolitik, die vor einem Jahrzehnt die wahrscheinlich beste Lösung verhindert hat, die Oberhand in der Diskussion gewinnen könnte – und ganz nebenbei bedeutende finanzielle Bedenken grundsätzlich nicht beantwortet sind.

Ist es wirklich wirtschaftlich sinnvoll – und politisch vermittelbar –, dass das soeben in Balingen neu und für viele Millionen sanierte Krankenhaus, kaum dass es fertiggestellt ist, schon wieder geschlossen werden soll? Diese Frage ist unter anderem bei der Bürgerversammlung in Albstadt gestellt worden; Kurt Moosmann stellte das, mit Recht, als möglichen drastischen Fall von Steuergeldverschwendung hin. Pauli entgegnete, dass er das keineswegs so sehen würde, schließlich sei ein neues Krankenhaus geschaffen worden, und für die Gesundheit von Menschen könne man nicht genug Geld in die Hand nehmen.

Ob das Zentralklinikum überhaupt kommen soll, das beschließt der Kreistag voraussichtlich vor der Sommerpause, ebenso, falls ja, in welchem Tempo das vollzogen werden soll. Während das Kreisgutachten den Bau eines Zentralklinikums Schritt für Schritt bis zum Jahr 2040 empfiehlt, damit die Millionen für den jüngsten Neubau in Balingen nicht gänzlich verpulvert sind und die Zuschüsse auch nicht ans Land zurückbezahlt werden müssen, prescht der Albstädter Oberbürgermeister Konzelmann nun sogar vor – ihm kann das Zentralklinikum plötzlich nicht schnell genug kommen. Seine Devise: Besser einmal viel Geld in die Hand nehmen, als die nächsten 25 Jahren weiterhin Jahr für Jahr Millionen in den Betrieb zuschießen.

Standortfrage: Hechinger fühlen sich übergangen

Ein weiterer Konflikt deutet sich bei der Frage an, wo ein mögliches künftiges Zentralklinikum gebaut werden soll. Dass die Rathauschefs von Albstadt und Balingen, Klaus Konzelmann und Helmut Reitemann, hierzu bereits erste Gespräche geführt und eine Fläche "zwischen Albstadt und Balingen", wie es auch beide Gutachten sagen, in den Fokus ihrer Überlegungen gerückt haben, kommt rund um Hechingen überhaupt nicht gut an. Die Menschen im Raum Hohenzollern fühlen sich angesichts dieser Vorgehensweise (erneut) übergangen. Durchaus mit Recht stellt die Hechinger Bürgermeisterin Dorothea Bachmann die Frage, warum der nördliche Teil des Landkreises bei der Suche nach einem möglichen Standort für ein Zentralklinikum offenbar überhaupt nicht beachtet wird.

Das wichtigste Ziel müsse sein, so Pauli, dass der Landkreis das Klinikum nicht aus der Hand gebe. "Das Zollernalb-Klinikum", so Pauli, "liegt in unserer Verantwortung". Eine neue Lösung müsse kommen, ansonsten, auch das sagten die Gutachten, erhöhe sich der jährliche Zuschussbedarf schnell auf eine Summe, die vom Landkreis und damit von den Städten und Gemeinden nicht mehr finanzierbar wäre. Dann gingen die Lichter im Klinikum schneller aus als gedacht.