"Woher kommt der Strom?", fragt Adrian mit seinem Motiv auf dem Stromkasten im Gewerbegebiet Bangraben. Insgesamt 26 Kästen haben hiesige Kreative in den vergangenen Wochen neu gestaltet. Foto: Bernhard Jung

Balinger Stadtgebiet ist bunter geworden. Künstler aller Altersgruppen legen sich ins Zeug.

Balingen - Balingen ist in den vergangenen Wochen bunter geworden: Zahlreiche Künstler aller Altersklassen haben sich dafür ins Zeug gelegt und 26 Stromkästen im ganzen Stadtgebiet kreativ gestaltet.

Das Leitthema, das die Stadtwerke und die Initiaitve Freiraum vorgegeben hatten, lautete "Energie". Unsere Zeitung stellt einige der Arbeiten vor. Mittlerweile hat eine Jury die Arbeiten in Augenschein genommen und drei Preisträger gekürt. Diese werden am Donnerstag, 3. Oktober, bekanntgegeben.

Jens Rudischhauser ist, was die Gestaltung von Stromkästen angeht, ein alter Hase. Schon in den vergangenen Jahren war er aktiv, nun hat er einen Kasten am Backhaus Mahl in Endingen verschönert. Seine Gedanken dazu: "Wir verbringen Stunden und Stunden in sozialen Medien. Irgendwie ist es Teil unseres Lebens und es gibt uns so etwas wie ›Leben‹ oder ›Energie‹. Aber was ist, wenn unser Telefonakku leer ist? Können wir in der Realität weiterleben oder ist unsere Batterie auch leer? Ich ringe mit diesem Thema, und habe eine Art Selbstporträt geschaffen. Ich möchte ein gesundes Gleichgewicht leben und soziale Medien nutzen, aber trotzdem das wirkliche Leben haben. Das wirkliche Leben ist nicht in unseren Handys und in sozialen Medien zu finden, sondern nur in Gott! Er ist die wahre Quelle des Lebens und der Energie! Wo suchen wir nach diesem Leben?"

 Gleich vier Stromkästen hat Familie Jetter gemeinsam gestaltet. Papa Bernd Jetter, Mama Eva-Maria Jetter sowie die Kinder Lisa Caren und Adrian Pascal waren nah beieinander im Gewerbegebiet Bangraben kreativ tätig. Das Bild von Eva-Maria Jetter trägt den Titel "Insekten holen sich die Energie aus der Natur", Bernd Jetters Kasten steht unter dem Motto "Welt" – seine Gedanken dazu: "Was in Millionen von Jahren entstanden ist, kann nicht ohne Folgen in wenigen Jahrzehnten verbrannt werden. Die fossile Energie und die Welt wird braun. Die nukleare Energie und die Welt wird rot. Die neutrale Energie und die Welt bleibt." Adrian Psacal Jetter fragt nach Strom und dessen Herkunft: Stammt er aus der Natur oder aus der Steckdose? Lisa Caren Jetter wiederum hat ein buntes Lebewesen auf einem Stromkasten verewigt – das "Energy striped colors horse".

Sebastian Bussas sagt über sein Werk, das er der Eckenfelder Straße nahe dem Bizerba-Werk geschaffen hat, dass er damit zeigen wolle, in welcher Beziehung der Mensch zu seiner Umwelt und dem ganzen Planeten stehe. "Dabei werden zwei Potentiale gezeigt: Zum einen das zerstörerische Potential, das entsteht, wenn der Mensch sich alles nimmt und dabei nicht an die Auswirkungen denkt. Zum anderen das schützende Potential, das sich ergibt, wenn der Mensch versteht, dass alles auf dieser Erde irgendwie zusammenhängt und in einem Gleichgewicht steht." Mit seinem Werk wolle er die Frage stellen, was der Mensch als vermeintliche "Krönung der Schöpfung" für eine Herrschaft über die Welt ausübe: Ist er ein Zerstörer oder ein Bewahrer? Auch Bussas hat, als er den Kasten gestaltete, positve Rückmeldungen bekommen – er erzählt folgende Anekdote: "Ich saß einen ganzen Tag am Kasten und war ganz vertieft in meine Arbeit. Und auf einmal hab ich jemanden ›Hallo‹ rufen hören. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass das an mich gerichtet war. Ich hab mich also nicht umgeschaut woher es kam. Dann wurde das ›hallo‹ aber immer lauter, sodass ich mich umdrehte. Da stand ein Taxi an der Straße. Der Fahrer hat extra angehalten und sein Fenster runtergelassen um mir zu sagen, dass er meine Arbeit gut findet. Ich war ganz perplex. Und dann hat er noch gemeint, dass er auch was zu bemalen hat, hat ein paar Zahlen genannt (vieleicht die Telefonnummer?) und gesagt, ich solle mich melden. Ich konnte mir in der Situation allerdings leider nichts merken."

Pascal Gührs sagt zum Wettbewerb und seinem Motiv, das an der Tieringer Straße in Weilstetten zu sehen ist: "Ein Design für einen Stromkasten entwerfen? Coole Idee, dachte ich mir, als ich von dieser Aktion Wind bekam." Kurz vor Bewerbungsschluss habe er seinen Entwurf eingereicht, über die Zusage habe er sich richtig gefreut. Es handle es sich sich um sein erstes Werk im öffentlichen Raum. "Zu meiner Überraschung erhielt ich nur positives Feedback von Passanten und Nachbarn. Von einigen wurde ich sogar mit Wasser, Radler und kleinen Snacks versorgt, während ich da so alleine am Straßenrand den Pinsel schwang. Das zeigt auch wie weit Graffiti und Street Art in der öffentlichen Wahrnehmung gekommen ist. Ich denke, wer sein Werk mit Liebe, Zeit und auf legale Weise entstehen lässt, der wird auch oft nur positiven Zuspruch ernten." Sein Motiv zeigt vorne einen Mix aus Michelangelos "Erschaffung Adams", Micky Maus und Graffiti. Hintendrauf ist Goofy als vitruvianischer Mensch zu sehen. "Und dazu der Hintergrund – schön bunt und aufsehenerregend", so Gührs: "Weilstetten ist jetzt ein bisschen bunter und ich hoffe, ich konnte meinen Teil für ein bunteres und offeneres Stadtbild beitragen."