Die Murschel-Hexen haben in Engstlatt einen Verein gegründet. Foto: Verein

Mit Apfel und einer Maske aus Holz sind Engstlatter unterwegs. Am Schmotzigen ziehen sie durch die Straßen.

Balingen-Engstlatt - Wenige Zähne, ein eingefallenes Gesicht, eine lange, krumme Nase, ein stechender Blick, Haarsträhnen übers Gesicht – so sieht die Maske der Murschel-Hexen aus, die in Engstlatt einen Verein gegründet haben.

"Die vergangenen Wochen waren ganz schön arbeitsintensiv", erinnert sich Vorsitzender Robert Kirchner, der bereits bei den Balinger Binsen-Hexen das erlebt hat, was ihn an der närrischen Zeit so begeistert: mit Gleichgesinnten Spaß haben und auch anderen Spaß bereiten. Zusammen mit seiner Stellvertreterin Vivien Weinbuch machte er sich auf die Suche nach einer historischen Figur und fand sie in Anna Murschel. Im nächsten Schritt hielt er mit dem Zeichenstift fest, wie er sich die Maske vorstellt, um sie anschließend von einem Maskenschnitzer fertigen zu lassen.

Die Murschel-Hexen sind nun an der besonderen Schemme, der blauen Stola, am schwarzen Pullover, am blauen Rock mit schwarz aufgesetzten Taschen sowie blau-schwarz geringelten Socken und Handschuhen zu erkennen, wobei auf Letzteren noch Murschel-Hexen aufgestickt ist.

Auf einen Besen haben die Engstlatter Hexen verzichtet. Dafür haben sie immer einen roten, gehäkelten Apfel dabei, den sie anderen mit schelmischen Unterton und der Frage "Willst ‘nen Apfel?" anbieten – um ihn aber gleich wieder am Gürtel festzumachen.

Ausgestattet mit dem neuen Häs, das vor allem Jasmin Sevenich genäht hat, haben die Murschel-Hexen bereits wichtige Termine absolviert: So fand Ende Dezember die Taufe von Robert Kirchner und Vivien Weinbuch, also der Führungsspitze, statt, die dadurch berechtigt waren, am 6. Januar das gleiche Prozedere bei den übrigen Vereinsmitgliedern vorzunehmen. Sie haben inzwischen auch bei den Lenau-Hexen in Steinhofen und den Hechinger Höllen-Hexen ihre Visitenkarte abgegeben und wollen dies unter anderem auch bei Narrentreffen in Vöhringen, Stetten a. k. M. und Hechingen tun.

Verein soll Schritt für Schritt größer werden

Am Schmotzigen haben sie schließlich ihren ersten großen Auftritt in Engstlatt, wenn sie mit der Narrenzunft Sandsäcke und der Lumpenkapelle die Kinder in der Schule und im Kindergarten befreien und danach durch den Ort ziehen.

Laut Robert Kirchner wollen die Murschel-Hexen sich im Engstlatter Vereins- und Gemeindeleben einbringen und für sich werben, denn der neue Verein soll Schritt für Schritt größer werden. Sie wollen im Laufe der Zeit zwei Vorhaben umzusetzen: einen Tanz einzustudieren und daran zu arbeiten, bei Umzügen eine Pyramide zu zeigen.

Im Zusammenhang mit Hexenverfolgungen und Hexenprozessen, die in der Region zwischen 1590 und 1620 einen Höhepunkt erreichten, fällt immer wieder der Name Anna Murschel, die Witwe des langjährigen Bürgermeisters Caspar Murschel. Die Balingerin wurde 1598 in Stuttgart wegen Hexereiverdachts verhaftet, nachdem sie der schwangeren Frau des Obervogts einen Apfel gegeben hatte, der daraufhin übel geworden war.

Bei der Befragung von Zeugen kamen weitere Hexereivorwürfe auf, so dass Anna Murschel mittels Folter zu einem Geständnis gebracht werden sollte. Doch das gelang nicht.

Stattdessen setzten sich unter anderem ihre Söhne für sie ein. Auch das Kind der Obervogt-Frau war gesund zur Welt gekommen, so dass Anna Hauschel nach 596 Tagen in Untersuchungshaft wieder freigelassen wurde. Sie lebte danach noch mehrere Jahre in Engstlatt.

In der Legende der Murschel- Hexen heißt es zum Schluss, "dass sie lebt noch heute dort und wurde vereinzelt gesehen – und feierte mit den Murschel-Hexen am 5. Juli 2014 ihr Auferstehen".