Balingen - Die Murschel-Hexen in Engstlatt beschäftigen wenige Tage vor der heißen Phase der Fasnet viele närrische Gemüter im Zollernalbkreis. Dabei geht es insbesondere um den Namen der im vergangenen Jahr gegründeten Gruppe – im weiteren wurde auf der Facebook-Seite unserer Zeitung aber auch intensiv über die Fasnet allgemein diskutiert.

Ingrid Helber hatte die 2014 gegründete Engstlatter Gruppe massiv kritisiert. Dass sich die Gruppe den Namen Anna Murschels gegeben habe, sei "pietätlos und makaber" (wir berichteten); dadurch werde deren Namen posthum entehrt. Die Verhaftung und Folterung Anna Murschels seien "kein Spaß" gewesen, insbesondere "kein Fasnetsspaß". Vor der Gründung hätten sich die Mitglieder der Murschel-Hexen besser beraten lassen und über das Leben Anna Murschels informieren sollen, so Helber (siehe auch Info).

Robert Kirchner, der Vorsitzender Murschel-Hexen, sagte gestern, dass man sich aufgrund der Diskussion nicht von den Plänen abbringen lassen wolle, verschiedene Narrentreffen und Umzüge zu besuchen und am Schmotzigen in Engstlatt am Narrentreiben teilzunehmen – sofern sie nicht ausgeladen würden. Kirchner betont, dass es den Murschel-Hexen darum gehe, "gemeinsam Spaß zu haben und Spaß zu bereiten". Den bei Facebook geäußerten Vorwurf, die Mitglieder der Gruppe wollten sich während der Fasnet "einfach nur volllaufen lassen", wies er entschieden zurück. Die Diskussion werde man sich nun intern aber auf jeden Fall zu Herzen nehmen.

Die Debatte um die neue Engstlatter Hexengruppe beschäftigte derweil gestern auch die Präsidiumsmitglieder des Narrenfreundschaftsrings Zollernalb. Vizepräsident Thorsten Spörl sagte unserer Zeitung, dass man Neugründungen grundsätzlich positiv gegenüber stehe. Noch positiver sehe man, wenn sich Leute intensiv mit der Geschichte ihrer Heimatorte und mit dem Brauchtum beschäftigen, dann eine Gruppe oder Zunft gründen und sich für die Fasnet vor Ort mächtig ins Zeug legen. Als positive Beispiele der vergangenen Jahre nannte Spörl die Lenau-Hexen in Steinhofen, die Kübele-Hannes in Lautlingen oder die Pflommasäck in Erzingen. Auch die Gründer der Murschel-Hexen hätten sich offensichtlich vor der Gründung Gedanken gemacht, so Spörl, schließlich gebe es den Bezug zwischen Anna Murschel und Engstlatt. Allerdings, so Spörl weiter, sei die Sache falsch angegangen worden: Anstelle einer wüsten Hexe, die Anna Murschel nicht war, hätte man auch eine freundliche Figur gestalten können. Das wäre dem Leben Anna Murschels sicher angemessener gewesen – und das, so Spörl, hätte auch eine richtig tolle Fasnetsfigur geben können.

Info: Anna Murschel

Anna Murschel, die Witwe des langjährigen Balinger Bürgermeisters Caspar Murschel, war im August des Jahres 1598 im Alter von ungefähr 65 Jahren wegen Hexereiverdachts verhaftet worden. Der Vorwurf lautete, sie habe der Frau des Obervogts einen vergifteten Apfel gegeben und sei für den Tod von Vieh verantwortlich. Anna Murschel wurde in der Folge schwer gefoltert: Unter anderem wurden ihr Daumenschrauben angelegt, außerdem hängte sie der Tübinger Scharfrichter mit auf dem Rücken gefesselten Händen an einem Seil auf und verschärfte die Prozedur noch dadurch, dass er Gewichte am Kopf und den Füßen anbrachte. Trotz weiterer Marter blieb Anna Murschel standhaft und beteuerte ihre Unschuld. Nach fast 600 Tagen in Untersuchungshaft kam sie frei. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Engstlatt.