Der weltweit gefragte Experte Stefan Verra führt das Balinger Publikum in das Mysterium der Körpersprache ein: mit viel Witz und ganz viel Hintersinn. Körpersprache sei viel mehr als nur eine einzige Bewegung, sagt er. Foto: Thiercy Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Stefan Verra zieht Zuhörer in der Balinger Stadthalle in den Bann / "Lächeln" als probates Mittel

Balingen. "Lächle, denn du kannst sie nicht alle töten": Körpersprache-Experte Stefan Verra hat bei seinem Auftritt in Balingen das Mysterium Donald Trump erklärt. Nein, die Amerikaner hören nicht auf das, was Trump sagt. Sondern darauf, wie er sich dabei bewegt. Und zwar genau so, wie es die US-Wutbürger tun: mit ausladenden Gesten, stinkigem Blick und saurer Attitüde. Das, sagt Körpersprachen-Experte Stefan Verra, schaffe Verbindung zum Volk. Und sichere Wählerstimmen.

Nein, groß ist er nicht. Stefan Verra misst gerade mal 1,60 Meter. Groß ist er dennoch: der Experte in Sachen Körpersprache ist weltweit gefragt. Tritt bei Fachtagungen auf, berät Schauspieler, ist als Gutachter bei abartigen Verbrechen für die Gerichte am Start. Am Mittwoch rockte der 45-jährige Österreicher die Bühne in der Balinger Stadthalle. Und erkannte gleich zu Beginn: "Ihr alle gafft mich an."

Sollten auch alle. Denn so witzig, spritzig und mit österreichischem Schmäh seine Weisheiten auch vorgetragen waren, so wahr waren sie auch. Und so erhellend. Beispiel: Auf der ganzen Welt winken alle, bis auf den Papst, mit der offenen Handfläche nach vorne. Der Vertreter Gottes auf Erden will seinen Siegelring zeigen. Alle anderen nicht, wie in Boulevardzeitungen kolportiert, dass sie keine Waffe tragen. Nein, Verra bringt die Wissenschaft ins Spiel. Das Winken gab es lange vor der Erfindung von Waffen und bedeutet ganz einfach: "Mit der Innenfläche der Hand kann ich mein Gegenüber besser spüren."

Ein Aha-Effekt in der beinahe ausverkauften Stadthalle. Und nicht der einzige an diesem Abend, der irgendwie auch eine Therapiesitzung war. Mit einigen Erkenntnissen. So können Frauen Körpersprache besser deuten als Männer. Zum einen, weil sie auf die Regungen ihrer Babys reagieren müssen. Zum anderen, weil bei Jungen in der Pubertät die Mimik quasi einfriere – Hormonen und dem männlichen Gehirnaufbau geschuldet. Und, ganz wichtig: Frauen lächeln öfter als Männer. Und zwar Frauen an.

Verra nannte eine beklemmende Tatsache. In Bangladesch seien 90 Prozent der Frauen von häuslicher Gewalt bedroht. Warum also verschwestern sich Frauen mit Gesten mit anderen Frauen? "Weil sie so im Ernstfall zu ihnen flüchten können." Frauen gestikulieren wild, streichen der anderen Haare aus der Stirn. Die Herren der Schöpfung hingegen bewahren stets das Pokerface.

Auch das ist nach den Ausführungen des Österreichers verständlich. Denn die Neandertalerin, die auf der Suche nach einem Partner durch das Dorf schlenderte, warf sich nicht den vier "Igitt" schreienden Kerlen an den Hals, die sich angesichts der riesengroßen Spinne vom Acker machten. Sie wählte den Mann, der das "Monster" besiegte.

Verra beobachtet auf der ganzen Welt für Medienkonzerne die Wahlkämpfe von Politikern. Daraus entstanden ist sein Buch "Leithammel sind auch nur Menschen – von der Körpersprache der Mächtigen." Warum zum Beispiel gilt Angela Merkel als so stabil? Weil sie eine beruhigende Körpersprache ausstrahle. Und Obama versus Trump? Ersterer lächele viel mehr. Überhaupt, das Lächeln. Ein Mensch, dem man Charisma nachsage, der lächele, auch wenn er als Allerletzter einen Konferenzraum betrete. Das sei wie bei einem Stein, der ins Wasser falle. Erste Welle, zweite… erste Reihe, die sich umdrehe, die zweite… beim letzten wisse die Welle nicht, wer der Stein war und wisse der Mensch nicht, wer den Saal gerockt habe.

Aber darum gehe es nicht, sagt Verra. Sondern darum, die Gesten des Gegenübers zu spiegeln. So viel die Zuschauer auch lachen, so wenig hat der Vortrag mit Klamauk zu tun. Verra ist als Experte gefragt. Das nutzt er auch für seine Botschaft. Die, sagt er, heiße: vermittelt mit der gebückten Körperhaltung den Kindern nicht, dass die Welt schlecht ist. Denn, so der zweifache Vater, das sei sie nicht.

1950. Alles besser? Nicht für ihn. In seinem Viertel teilten sich vier Familien ein Telefon. Heute habe jeder ein eigenes Handy. "In den 1980er-Jahren waren Autos mit Klimaanlage eine Sensation. Heute fahren lauter Kühlschränke rum." Und: in der Dritten Welt gab es diese damals gar nicht. Heute schon. Und dann zitiert Verra einen Palliativmediziner, den er bei einem Kongress kennenlernte, bei dem er einen Vortrag hielt. Und der erkannte, dass die Körpersprache das mächtigste Mittel zur Kommunikation ist. "Am Ende des Lebens zählen nur eine wohlwollende Berührung und ein wohlwollendes Lächeln."