Selbst sein Publikum gibt Gernot Hassknecht Gelegenheit, sich richtig aufzuregen. Foto: Stoll

"Deutsche regen sich zu selten auf": Gernot Hassknecht lädt in der Balinger Stadthalle zum autoagressiven Training ein.

Balingen - Deutschland einig Cholerikerland – wenn es nach Hans-Joachim Heist alias Gernot Hassknecht geht, regen sich die Deutschen viel zu selten auf.

Deshalb stellte er dem Publikum in der Balinger Stadthalle auch in einem Zwölf-Schritte-Plan vor, wie es sich von Amateuraufregern zu Berufscholeriker hocharbeiten könne. Der Name des Programms: "Das Hassknecht-Prinzip".

Ein Rednerpult, ein Tisch und ein Stuhl – mehr braucht Gernot Hassknecht nicht, um den Abend zu füllen. Vielmehr sind die Besucher gekommen, um dem 1,63 Meter großen Mann beim Aufregen zuzusehen.

Anlässe dazu gibt es für ihn viele: In der Garderobe stinke es nach totem Opossum, beklagt sich Hassknecht unter anderem, als er zu Beginn der Show durch das Publikum nach vorne schreitet. Überhaupt seien auch in den Zuschauerreihen Leute, die er nicht mit seinem ästhetischen Empfinden vereinbaren könne.

Und dann geschieht es: ein Pärchen kommt zu spät und sucht sich im bereits dunklen Saal einen Sitzplatz. Für den geübten Choleriker auf der Bühne ein gefundenes Fressen: Wo sie denn jetzt so spät herkommen, will Hassknecht wissen. Aus Frankfurt. "Und da haben Sie sich ausgerechnet Balingen ausgesucht?! Kommen Sie doch einfach hier nach oben, hier ist es schön hell", fordert er das Paar auf. Weil sie unten bereits ein nettes Plätzchen gefunden hätten, winkt der Mann ab und liefert Hassknecht mit der Antwort auf die Frage, woran die Verspätung denn nun lag unfreiwillig die Vorlage für den nächsten Gag: "Am Verkehr."

Ganz Proficholeriker, wendet er sich dann wieder seinem Programm zu, bei dem ihm mehr als nur einmal beinahe der Schaum vor dem Mund steht. Politiker zählen zu Hassknechts beliebtesten Zielen. Alexander Dobrindt sei nur deshalb "Mautminister" geworden, weil niemand in Berlin rechtzeitig gerufen habe: "Der kann doch nichts."

Ursula von der Leyens Frisur sei "kugelsicher", und bei dem von ihr geprägten Ausdruck der "familienfreundlichen Armee" flippt der Choleriker aus: "Krieg ist nie familienfreundlich!"

Aufreger gebe es im täglichen Leben viele, mal kleiner, mal größer. Am besten sei es jedoch, bei sich selbst anzusetzen und geistig wie körperlich die Grundlagen für ein cholerisches Dasein zu schaffen.

Beispielsweise über die Nahrung: Grünzeug könne man getrost weglassen, vielmehr sollten sich die Zuschauer auf tierische Produkte konzentrieren: "80 Prozent Ihrer Grundnahrung sollte früher mal ein Gesicht gehabt haben", rät er dem Publikum.

Außerdem sei "autoagressives Training" ein angemessenes Mittel, um der Welt zu zeigen, "dass sie Sie am Arsch lecken kann."

Das darf das Balinger Publikum dann auch gleich in die Tat umsetzen: sich die Farbe Rot vorstellen, hektisch atmen und dann die Hitze des Wut-Chakras in einem kehligen Laut herauslassen. Hassknechts Empfehlung: "Das machen Sie jeden Morgen fünf Mal und brauchen dann keinen äußeren Grund mehr, um sich aufzuregen."

Aber was ist denn nun das "Hassknecht-Prinzip"? Mit den Worten des Erfinders: "Wenn man sich als einziger Kunde in einem Postamt mit sechs geöffneten Schaltern befinden, freundlich begrüßt werden und sich immer noch darüber aufregen können."

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