Abba lebt – und wird seit Mittwochabend von einigen Zuhörern mehr wirklich verstanden. SWR1 hat in der Balinger volksbankmesse gastiert. Fotos: Thiercy Foto: Schwarzwälder-Bote

Musik: Liedtexte versteh- und erlebbar: SWR1 gastiert mit "Pop & Poesie" in der volksbankmesse

Balingen. "Von denen, die nicht singen können, bist du der Beste", hat Dieter Bohlen zu Matthias Holtmann einmal gesagt. Der SWR1-Kultmoderator ließ das Publikum am Mittwochabend in der fast ausverkauften volksbankmesse hören, dass auch ein Bohlen nicht immer Recht hat. Und performte "Thank you for the Music".

Der legendäre Matthias Holtmann ist in Balingen längst Stammgast. Sein Buch "Porsche, Pop und Parkinson" stellte er einst in der Stadthalle vor. Und war am Mittwoch wieder mit Literatur, quasi, zu Gast in der Kreisstadt. Denn spätestens seit dem Literaturnobelpreis für Bob Dylan ist klar, dass Songtexte durchaus echte Kunst sind. Nur: Wer versteht schon all die Feinheiten zwischen den englischen Zeilen?

Vor zehn Jahren hatten Holtmann und seine Kollegen die Idee, Liedtexte zu übersetzen. Damals spielten sie vor 50 Leuten, heute füllen die Schauspieler, Sänger und Musiker die ganz großen Hallen. In Balingen mit dabei war auch Moderator Jochen Stöckle.

Radio ist längst mehr als ein Kasten, aus dem Musik oder Nachrichten kommen. Hinter den Kulissen der Sender sind Events längst zum Teil des Konzepts geworden. Im Fall von SWR1 neben der Hitparade mit dem jährlichen Megafinale in der Stuttgarter Schleyerhalle auch "Pop und Poesie". Mit einer Band aus Profimusikern unter der musikalischen Leitung von Peter Grabinger und zwei Sängerinnen, die mühelos in die stimmlichen Rollen von Annifrid und Agnetha schlüpften und sich ausdrucksstark in Aretha Franklin zu verwandeln wussten.

"Irgendwo hat er das sicher gehört", mutmaßte Holtmann nach dem Eröffnungstitel aus der Feder des verstorbenen Joe Cocker. "Feeling alright", oder auf gut Schwäbisch: "Mir goht’s sauguad". Was auch das Motto des Abends hätte sein können, denn drei Stunden lang blieb der Alltag für das Publikum auf Abstand.

FDP, AfD, Brexit: "Das ganze Elend kann man nur mit einem Gesichtsschutz ertragen, da machen wir uns einstweilen heute einen netten Abend", scherzte Holtmann. Der nicht nur ein wandelndes musikalisches Lexikon ist, sondern auch ein Witzemacher erster Güte. So weiß er zum Beispiel, warum der Reichstag in Berlin eine Kuppel hat: "Es gibt eben keinen Zirkus mit Flachdach."

"Wir wollen Sie mit voller Wucht treffen", sagte die Radiolegende. Und die zehn Akteure hielten ihr Versprechen, machten Titel von Queen, Robbie Williams oder Elton John erst versteh- und dann hautnah erlebbar. Für den einen oder anderen Zuhörer etwas zu intensiv, sprich zu laut. Netter Sidekick: Das Promoteam des Radiosenders verteilte Ohrstöpsel. Schließlich sind der satte Sound und die absolut tragenden Stimmen nicht jedermanns Ding.

Auch mit ein paar Dezibel weniger auf dem Trommelfell gab es viele "Aha"-Momente, wenn die Schauspieler die auf Deutsch übersetzten Texte nicht nur vortrugen, sondern regelrecht spielten. Schließlich hat man viele Songs tausendmal gehört, aber eigentlich keine Ahnung, wovon der Hit und Ohrwurm handelt. Die Zuschauer verließen nach guten drei Stunden etwas schlauer und bestens gelaunt die Messehalle.